Essen. . NRW-Innenminister Jäger will das Verbot von “Hells Angels“- und “Bandidos“-Abzeichen auch im Internet durchsetzen. Kritiker sehen ihn auf Spuren von “Zensursula“ von der Leyen und ihren Internetsperren bei Kinderpornografie. Kein passender Vergleich. Aber ganz sauber ist Jägers vorgehen wohl nicht.

Auch Rocker machen mal Urlaub. Die Bandidos vom Chapter Essen haben unlängst auf Facebook gepostet, wo es sie auf ihren Motorrädern diesen Sommer hinzieht: "Nizza wir kommen". Es könnte sein, dass die Urlaubsfreude nach der Rückkehr in NRW rasch verfliegt. Denn NRW- Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat verfügt, dass sich neben "Hells Angels"- auch Bandidos-Rocker in NRW ab sofort nicht mehr mit ihren Emblemen öffentlich zeigen dürfen. Das gelte auch für die Internetseiten hiesiger Rocker-Gruppen, so will es Jäger; Auf der Essener Bandidos-Seite fanden sich zuletzt - noch - viele der mittlerweile in NRW als rechtswidrig eingestuften Abzeichen.

Beobachter sehen Jäger als neue "Zensursula". Die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hatte sich 2010 für Internetsperren stark gemacht und ein Gesetz auf den Weg gebracht, um Kinderporno-Seiten zu sperren. Das hat Kritiker auf die Barrikaden gebracht und von der Leyen den Spitznamen beschert. Das Gesetz wurde knapp zwei Jahre später jedoch vom Bundestag aufgehoben, weil sich zeigte, dass Internetsperren rechtlich nicht zu halten sind und technisch kaum wirkungsvoll. Statt dessen rief man die Devise aus: "Löschen statt Sperren".

Verbotene Abzeichen von Internetseiten löschen

NRW-Innenminister Jäger kümmert sich nicht um die Frage von Provider-Haftung oder Server-Standorten, auch das "Telemediengesetz" kommt in seiner Argumentation nicht vor. Im Innenministerium stützt man sich einzig auf das deutsche Vereinsrecht. Und konzentriert sich auf solche Internetseiten, deren Vereine und Verantwortliche laut Impressum in NRW ansässig sind und verbotene Symbole verbreiten.

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Bei den Bandidos sind dadurch zwölf der wohl 20 örtlichen Vereinigungen in NRW mit eigenem Internetauftritt, im Visier der Ermittler. Die Hells Angels sind laut eigenen Angaben mit mindestens sechs "Chartern" in NRW vertreten. Beide sollen die Rocker-Abzeichen auch von ihren Internetseiten löschen.

Kann der NRW-Innenminister das Internet in dieser Weise 'regulieren'?

Der NRW-Innenminister ist in einem "Zuständigkeitskonflikt" 

Aus Sicht von Dr. Dieter Frey, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Köln und einer der Verbots-Kritiker, die in der "Zensursula"-Debatte im Deutschen Bundestag zu Rate gezogen worden waren, ist Jägers Vorgehen anders gelagert als einst bei "Zensursula": "Es geht nicht darum, Webseiten zu sperren", sagt Frey, "sondern darum, dort einzelne verbotene Symbole löschen zu lassen". Das Verbot wende sich "konkret an Personen, die die Rechtsverstöße verantworten und nicht an Internetzugangsanbieter, die unmittelbar mit der Rechtsverletzung nichts zu tun haben".

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Frey hat allerdings Zweifel, ob der Verweis auf das Vereinsrecht alleine tatsächlich eine Ermächtigung zur Löschung einzelner Inhalte auf den Rocker- Webseiten begründet. Zumindest jedoch könnten die Strafverfolgungsbehörden damit bei den Betroffenen Druck erzeugen, weil der vom Innenministerium als Rechtsbasis genannte Paragraf 20 Vereinsgesetz eine Strafandrohung beinhaltet ("Gefängnis bis zu einem Jahr oder Geldstrafe"). Frey ist aber der Ansicht, dass es zu einem Zuständigkeitskonflikt kommen kann. Für die Durchsetzung von Kennzeichenverboten nach dem Vereinsgesetz sind die Polizeibehörden zuständig. Für Rechtsverletzungen im Internet gelten aber in erster Linie die Bestimmungen des Rundfunkstaatsvertrags, hier Paragraf 59 Absatz. 2, nach dem in NRW für die Aufsicht über so genannte Telemedien die Bezirksregierung Düsseldorf für das gesamte Land NRW zuständig ist.

Totenkopf und "Fat Mexican" sind verboten

Das Tragen und Zeigen des roten Schriftzuges "Hells Angels" und des Symbols Totenschädel mit Helm und Engelsflügeln sowie des rot-goldenen Schriftzuges "Bandidos" und des sogenannten Fat Mexican "wird ab sofort strafrechtlich verfolgt", so hat es der NRW-Innenminister jüngst verkündet. Als Begründung greift Jäger auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg (OLG) aus dem April 2014 zurück. Kritiker allerdings halten die daraus in mehreren Bundesländern hervorgegangenen 'Kuttenverbote' für rechtlich gewagt; Behörden in Bayern und Baden-Württemberg zum Beispiel folgen dem OLG nicht. Der NRW-Innenminister geht zudem noch einen Schritt weiter, weil er das Verbot auch auf das Internet ausdehnt.

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Nach Auskunft im Landeskriminalamt NRW hätten einzelne Rockergruppen das Verbot bereits umgesetzt - auch in punkto Web-Auftritt. Ein LKA-Sprecher in Düsseldorf erklärte auf Anfrage, dass inzwischen elf Strafanzeigen gegen Rockergruppen in NRW gestellt worden seien - wegen rechtswidriger Symbole auf deren Internetseiten.

Abzeichen-Verbot bringt Polizei reichlich Arbeit

Die Essener Bandidos, sagt ein Polizeisprecher, hätten den Schriftzug auf ihrem Vereinsheim im Stadtteil Bochold bereits abgedeckt. Sie folgen damit der Ankündigung des Bandidos MC Germany, der erklärt hatte, dass man die Verbote für Willkür halte, sich dagegen wehren wolle, jedoch "bis zu einer gerichtlichen Klärung (...) sich den Vorgaben fügen" werde.

Inwieweit die Polizei sich auch mit der Internetseite der Essener Bandidos beschäftigen werde, konnte der Sprecher noch noch nicht sagen. In jedem Fall sei damit "reichlich Arbeit für die Polizei verbunden". Jedes einzelne Symbol müsse dokumentiert und per Sceenshot gesichert werden - sollten die verbotenen Elemente nicht entfernt werden, werde man Anzeige stellen. Das gelte im übrigen auch 'offline', sagt der Sprecher: Jeder "Bandido"-Aufkleber oder jedes "Bandido"-Poster, das noch irgendwo klebe oder hänge, verbreite schließlich "ein verbotenes Symbol".