Herne. . An zwei Tagen kam es 2013 auf der Cranger Kirmes zu Aufmärschen der Bandidos bzw. der Freeway Rider’s. Das will die Stadt diesmal verhindern: Insgesamt 20 Motorradgangs dürfen erstmals nicht in „Uniform“ auf das Volksfest. Die Verwaltung folgte damit einer Empfehlung der Polizei.

„Wir müssen leider draußen bleiben“ heißt es in diesem Jahr bei der Cranger Kirmes für Kuttenträger von Bandidos, Hells Angels, Chicanos & Co: Die Stadt hat auf Empfehlung der Polizei gegen insgesamt 20 Motorradgangs ein „Trage- und Mitführverbot“ von Abzeichen, Symbolen, Schriftzügen und Emblemen der Gruppierungen verhängt. „Auf viele Menschen wirken Rockerkutten einschüchternd und bedrohlich. Crange ist eine Familienkirmes und das soll auch so bleiben“, erklärt Hernes Kirmesdezernent Johannes Chudziak.

Im vergangenen Jahr gab es nach Angaben der Polizei zwei „Schaulaufen“ größerer Rockergruppierungen auf der Cranger Kirmes: Am 9. August hatten sich rund 50 Bandidos mit 50 Mitgliedern der Freeway Rider’s verabredet, einen Tag später marschierten 70 Bandidos auf.

Bitte, Platzverweis, Androhung von Zwangsgeld

Die Cranger Kirmes ist nicht das erste Volksfest, für das ein solches Verbot verhängt wird. Ähnliche Maßnahmen sind laut Stadt bereits in Oberhausen, Duisburg und Bremen angeordnet worden. Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft hat kürzlich sogar das Tragen typischer Rockersymbole der Bandidos und der Hells Angels grundsätzlich untersagt. Das NRW-Justizministerium geht davon aus, dass dieses Beispiel Schule machen könnte.

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Und was passiert, wenn ein Rocker trotzdem in voller Montur auf die Kirmes will? „Zunächst werden wir ihm sagen: Junge, zieh’ bitte deine Kutte aus“, sagt Eduard Belker vom städtischen Fachbereich Öffentliche Ordnung. Falls dieser Bitte nicht Folge geleistet wird, gibt es einen Platzverweis. Und wenn auch dies nicht akzeptiert wird, gibt es die Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500 Euro. Für die Durchsetzung der Maßnahme ist die Polizei zuständig, die bekanntlich auf der Kirmes präsent ist.

Um das Verbot rechtlich „wasserdicht“ zu machen, hat die Stadt die „Amtliche Bekanntmachung“ zum Verbot ausführlich begründet - unter anderem mit einer Auflistung von Straftaten und Vorfällen von Rockergruppen im Raum Herne aus den vergangenen zwei Jahren.

Bandido zieht Bolzenschussgerät

15 Straftaten und Vorfälle mit Beteiligung vor allem der Herner Bandidos führt die Stadt unter Berufung auf die Polizei auf. Einige Beispiele:

  • 2. März 2012: Ein Bandido-Mitglied bedroht einen Kunden in einer Tankstelle an der Castroper Straße mit einem Bolzenschussgerät: „Damit wollte er ein vermeintliches Vordrängeln des Geschädigten an der Waschanlage sanktionieren“, heißt es.
  • 15. Juli 2013: Schüsse aufs Vereinsheim der Bandidos Herne-East.
  • 20. November 2013: Nach dem Wechsel zu den Hells Angels wird ein Bandidos-Mitglied mit dem Tode bedroht. Das Herner Sonnenstudio dessen Arbeitgebers wird mit Farbe und Buttersäure attackiert.
  • 15. Dezember 2013: Mit Schlägen vertreiben Bandidos Männer, die auf dem Aldi-Parkplatz Hölkeskampring neben dem Herner Clubhaus Alkohol getrunken haben.

Das Verbot bezieht sich auf Symbole folgender Gruppen: Bandidos, Hells Angels, Guerrileros, Satudarah, Outlaws, Gremium, No Surrender, Mongols, Red Devils, Support 81, Chicanos, Hermanos Germany, The Clan 81, Caballeros, Malditos, Blood Brothers, Crew 45, Black Jackets, United Tribuns und Freeway Rider’s. Und auch folgende Parolen und Bezeichnungen sind verboten: Respect Few, Fear None, 1 %, Outlaw Motorcycle Gang und Outlaw Motorcycle Club.

Alle von der Polizei gemeldeten Vorfälle mit Rockergruppen 

Nach Auskunft des Polizeipräsidiums Bochum wurden in Herne polizeilich folgende Ereignisse in Zusammenhang mit „Rockern“ festgehalten:

Bedrohung mit Schusswaffe durch einen BMC-Angehörigen in Herne, Castroper Str. 152, dortige Tankstelle, 2. März 2012: Ein Angehöriger des Bandidos MC bedrohte einen Kunden der Tankstelle mit einem Bolzenschussgerät. Damit wollte er ein vermeintliches „Vordrängeln“ des Geschädigten an der Waschanlage sanktionieren. Das Bolzenschussgerät wurde im Zuge der Ermittlungen sichergestellt.

Überfall auf einen Dönerimbiss in Bochum, Dorstener Str. 193, 20. März 2012: Ein Angehöriger des Chicanos MC Herne (Supporter BMC Herne-East) reklamierte eine Imbisslieferung. Als diese nicht sofort umgesetzt wurde, erschien er mit zwei weiteren unbekannt gebliebenen Mittätern und zertrümmerte mit Baseballschlägern die Einrichtung des Imbisses. Dabei trug er die Kutte des Chicanos MC. In der Kutte wurde ein Messer gefunden.

Gefährdungslage durch ein führendes BMC Herne-East Mitglied in Herne, 18. April 2012. Der Treasurer (Schatzmeister) des BMC Herne-East bedrohte einen Herner Bürger, den er für einen Wohnungseinbrecher hielt. Dabei unterstreicht der Täter seine Mitgliedschaft beim BMC.

Auftreten einer größeren Rockergruppierung auf „Bochum Total“, 13. Juli 2013. Ca. 50 Rocker des Bandidos MC hielten sich in Kutte auf der Veranstaltung „Bochum Total“ auf. Dabei wurden demonstrativ die Kutten zur Schau getragen („Schaulaufen“).

Schüsse auf Vereinsheim BMC Herne-East, 15. Juli 2013: Im Zuge der Rockerauseinandersetzungen im Ruhrgebiet wurde das Clubhaus des Bandidos MC Herne-East mehrfach beschossen. Tatverdächtig sind konkurrierende Rocker-gruppierungen aus dem westlichen Ruhrgebiet. Daraufhin wurden im Clubhaus des BMC Herne-East Schlagwerkzeuge bereitgehalten und eine „Nachtwache“ vorgehalten. Die Polizei wurde von diesem Vorfall nicht informiert.

Bedrohung eines Ex-Mitgliedes des BMC Herne, 6. August 2013: Ein führendes Mitglied des Bandidos MC Herne wechselte zum Hells Angels MC. Daraufhin wurde er durch ein Führungsmitglied des BMC Herne-East mit dem Tode bedroht. Es kommt zu wiederholten Bedrohungen, die durch Schutzmaßnahmen der Polizei unterbunden wurden.

Auftreten einer großen Rockergruppierung auf der Cranger Kirmes, 9. August 2013: Ca. 50 Rocker des Bandidos MC verabredeten sich mit ca. 50 Rocker des Freeway Rider’s MC, um gemeinsam in Kutten über die Cranger Kirmes zu gehen („Schaulaufen“). Bei einer durchgeführten Gefährderansprache gab der Präsident des Bandidos MC Herne-East an, das man gemeinsam „Stärke gegen die Hells Angels zeigen wolle“.

Auftreten einer großen Rockergruppierung auf der Cranger Kirmes, 10. August 2013: Ca. 70 Rocker des Bandidos MC hielten sich als Gruppe auf dem Veranstaltungsgelände der Cranger Kirmes auf. Dabei wurden die Kutten getragen („Schaulaufen“). Bei einer Person wurde eine angelegte Schutzweste festgestellt.

Schlägerei unter Beteiligung von Mitgliedern des BMC Herne-East, 17. November 2013: Im Anschluss an ein deutschlandweites Treffen von BMC-Mitgliedern suchten ca. 30 Personen in Kutten des BMC Herne-East und des Chicanos MC Herne eine Gaststätte im Bochumer Rotlichtviertel auf. Hier kam es durch Provokationen eines führenden Mitglieds des BMC Herne-East zu einer Kneipenschlägerei, in deren Verlauf eine Person verletzt wurde.

Brandstiftung zum Nachteil eines BMC-Aussteigers am 20. November 2013: Im August 2013 wechselte ein führendes Mitglied des BMC Herne (Wanne-Eickel) zum Hells Angels MC. Daraufhin wurde er durch ein führendes Mitglied des BMC Herne-East mit dem Tode bedroht. Die Drohungen gipfelten in einer Brandstiftung gegen den Betroffenen. Der Pkw vor seiner Wohnanschrift wurde in Brand gesetzt und dabei zerstört.

Farbschmierereien und Sachbeschädigung an einem Sonnenstudio in Herne, 20. November 2013: Im Zusammenhang mit dem o. g. Wechsel des ehemaligen Führungsmitglieds des BMC Herne wurde durch ein führendes Mitglied des BMC Herne-East Druck auf den Arbeitgeber des „Wechslers“ (Betreiber eines Sonnenstudios) ausgeübt. Nahezu zeitgleich zur oben genannten Brandstiftung wurde die Fassade des Sonnenstudios mit Farbschmierereien überzogen und Buttersäure im Ladeninneren ausgebracht. Es entstand erheblicher Sachschaden.

Körperverletzung zum Nachteil zweier Personen vor dem Clubheim des BMC Herne, 15. Dezember 2013: Zur Tatzeit konsumierten zwei Personen Alkohol auf dem Parkplatz der ALDI-Filiale in Herne, Hölkeskampring, außerhalb der Geschäftszeiten. Der Parkplatz grenzt unmittelbar an das Clubheim des BMC Herne und wird durch eine Videokamera überwacht. Die beiden Geschädigten wurden durch „Kuttenträger“ unter Schlägen vom Parkplatz vertrieben.

Landfriedensbruch durch BMC Herne-East und Chicanos MC Herne Mitglieder 13. März 2014: Zur Tatzeit rotteten sich bis zu sieben Mitglieder der o. g. Clubs im Bochumer Rotlichtviertel zusammen und bedrohten dort angetroffene Personen. Beim anschließenden Polizeieinsatz wurden polizeiliche Verfügungen nicht befolgt. Angeordnete Platzverweise mussten mit starken Unterstützungskräften durchgesetzt werden.

Landfriedensbruch zum Nachteil eines Gremium MC-Mitgliedes durch Freeway Rider’s MC, 18. Mai 2014: Zur Tatzeit drangen ca. 10-15 Personen in Kutten in eine Gaststätte in Bochum ein und zer-trümmerten die Einrichtung. Bei dem Betreiber handelt es sich um den Präsidenten des Gremium MC Duisburg. Die Täter kommen vom Freeway Rider’s MC (mehrere Chapter). Hintergrund sind Streitigkeiten zwischen den Clubs. In der Folgezeit kommt es zu wiederholten Aufmärschen von mehreren Freeway Rider’s Mitgliedern vor der Gaststätte, die einschüchternd auf die Gaststättenbesucher wirkten.

Auftreten einer großen Rockergruppierung bei „Kemnade in Flammen“, 8. Juni 2014: Zur Vorfallzeit hielten sich 25 Personen des Gremium MC in Kutten auf dem Veranstaltungs-gelände auf. Dabei handelte es sich um Personen aus dem Umfeld des o. g. Gaststätten-betreibers, der als Führer dieser Gruppe erkennbar war. Diese Aktion ist als direkte Reaktion auf den o. g. Landfriedensbruch zu werten. Dadurch soll konkurrierenden Motorradclubs die eigene Stärke gezeigt werden (sog. „Schaulaufen“).