New York. Durchbruch nach tagelangen Verhandlungen: Die USA und Russland haben sich auf einen Entwurf für eine Resolution zur Vernichtung des syrischen Chemiewaffenarsenals geeinigt. Dies gaben US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow am Donnerstag am Rande der UN-Generaldebatte in New York bekannt. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) begrüßte die Einigung. Eine Abstimmung im UN-Sicherheitsrat könnte bereits am Freitagabend (Ortszeit) stattfinden.

Was haben sie auf diesen Moment gewartet. Monate, ja Jahre schon, haben die Diplomaten bei den Vereinten Nationen darauf hingearbeitet, dass sich der Sicherheitsrat, das mächtigste Gremium der Weltorganisation, auf eine Syrien-Resolution verständigt. Damit der Bürgerkrieg mit seinen inzwischen mehr als 100 000 Toten endlich ein Ende nehmen kann. Immer wieder scheiterte das Unterfangen am Widerstand der beiden Vetomächte Russland und China. Und dann? Erzählt der russische Außenminister Sergej Lawrow fast beiläufig, dass es nun eine Verständigung gebe.

Dabei kommt Lawrow gerade aus einer Sitzung, die selbst auch schon alles andere als selbstverständlich ist. In der UN-Zentrale am New Yorker East River haben sich am Donnerstagabend (Ortszeit) gerade zum ersten Mal die Außenminister der fünf Vetomächte und ihr Kollege aus Deutschland mit ihrem Gegenüber aus dem Iran getroffen, um über das umstrittene Nuklearprogramm des Landes zu sprechen. Der Amerikaner John Kerry und der Iraner Mohammed Dschawas Sarif schütteln sich, nach mehr als 30 Jahren ohne diplomatische Beziehungen, erstmals die Hand. Echte Weltpolitik, mehr als genug.

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Dann verlässt Lawrow die Sitzung in einem Nebenzimmer des Sicherheitsrat als erster. Das aufgestellte Mikrofon missachtet er. Nur am Rand spricht er mit einigen Reportern. Ganz leise - so wie die Leute, die sich sowieso darauf verlassen können, dass man ihnen zuhört, das gerne tun. "Wir haben uns auf einen amerikanisch-russischen Resolutionsentwurf geeinigt, der heute noch an den Sicherheitsrat geht."

Verhandlungen waren zähe Angelegenheit

Zuvor waren die Verhandlungen zwischen den UN-Vertretern der fünf Veto-Mächte eine äußerst zähe Angelegenheit gewesen, bei der keine Seite so recht nachgeben wollte. Zu weit entfernt schienen die Positionen und zu groß war das gegenseitige Misstrauen nach Jahren der Blockade und gleich drei von Russland und China per Veto abgeschmetterten Resolutionsentwürfen in den vergangenen zwei Jahren.

Aber dann erzwang der nahezu übermächtige Druck von allen Seiten nach dem offiziell bestätigten Giftgasangriff vom 21. August wohl den Durchbruch. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, der die Lähmung des mächtigsten Gremiums der Vereinten Nationen immer wieder als "peinlich" kritisiert hatte, und die Außenminister der fünf Veto-Mächte - sie alle drängten massiv auf einen schnellen Erfolg, am besten noch während der Vollversammlung, wenn die Kameras und Mikrofone der Weltpresse sowieso vor der Tür aufgebaut sind. US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Lawrow persönlich hätten die letzten Details festgezurrt, heißt es.

Syrien drohen keine Zwangsmaßnahmen

"Es wird keine Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII geben", sagt Lawrow noch. Ein wichtiger Satz, denn genau das war immer der Knackpunkt der Verhandlungen gewesen. Soll den Syrern, wenn sie Widerstand gegen die Sicherstellung und Vernichtung ihrer chemischen Waffen leisten, mit Strafmaßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta, also auch mit Militärschlägen, gedroht werden? "Ja", hatten die westlichen Mächte stets gesagt. "Nein", kam aus Russland und China.

Der Kompromiss ist nun eine Drohung mit der Drohung: Wenn Syrien sich nicht an die Vorgaben des Textes halte, würden Maßnahmen nach Kapitel VII verhängt, steht im Resolutionsentwurf. Dafür müsste der Sicherheitsrat aber noch einmal zusammenkommen. Diplomatie mit sprachlicher Haarspalterei - aber Russland habe sich an dieser Stelle eindeutig durchgesetzt, sagen Experten.

Verurteilung des Giftgas-Angriffs

"Jedes Wort, jedes Komma und jeder Artikel des Texts sind sehr wichtig", betont dann auch Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin und sein britischer Amtskollege Mark Lyall Grant gesteht ein, dass der Text ein Kompromiss sei. "Stärkere Sprache" und eine "direkte Weiterleitung an den Internationalen Strafgerichtshof" hätte man gerne drin gehabt. Aber die Verurteilung des Giftgas-Angriffs ist drin und auch die Forderung nach einer raschen Einberufung einer neuen Genfer Konferenz. "Und der Text bringt den Sicherheitsrat erstmals zu Syrien auf eine gemeinsame Linie und das war den Kompromiss wert."

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Auf die Einigung soll nun eine schnelle Abstimmung folgen. Schon am Freitagabend (Ortszeit) könnte es soweit sein. Eine Verabschiedung des Texts gilt wenn die Fünf Großen sich einig sind als reine Formsache. Der deutsche Noch-Außenminister Guido Westerwelle (FDP) lobt, jetzt könne es in den nächsten Tagen schon einen "präzisen Zeitplan" geben, der das Regime von Machthaber Baschar al-Assad zur Vernichtung seiner Chemiewaffen-Arsenale zwingt.

"Noch vor zwei Wochen war so ein Ergebnis undenkbar", sagt auch eine äußerst erleichtert wirkende US-Botschafterin Samantha Power - aber sie schiebt noch eine Warnung hinterher: "Es ist nicht die Zeit, um sich abzuklatschen, oder zufrieden auf den Rücken zu klopfen. Wir haben noch einen langen Weg vor uns." (dpa/afp)

Der Resolutionsentwurf des UN-Sicherheitsrats zu Syrien im Wortlaut 

Erstmals seit Beginn des Konflikts in Syrien haben sich die fünf Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat auf einen Entwurf für eine Syrien-Resolution geeinigt. Schon am Freitagabend (Ortszeit) könnte in New York darüber abgestimmt werden. Die Nachrichtenagentur dpa dokumentiert den Text in Auszügen.

"Der Sicherheitsrat,

(...)

verurteilt tief entsetzt das Töten von Zivilisten durch den Einsatz von Chemiewaffen am 21. August 2013 in Damaskus, wie der Bericht der Mission schlussfolgert;

bestätigt, dass der Einsatz von Chemiewaffen eine ernsthafte Verletzung des internationalen Rechts ist, und betont, dass diejenigen, die für jeglichen Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden müssen

(...)

betont, dass die einzige Lösung der derzeitigen Krise in Syrien ein inklusiver und von Syrien geleiteter Prozess auf Basis des Abkommens von Genf vom 30. Juni 2012 ist, und unterstreicht die Bedeutung der Einberufung der internationalen Syrien-Konferenz so bald wie möglich

(...)

legt fest, dass Syrien keine Chemiewaffen benutzen, entwickeln, produzieren, sonstwie beschaffen, lagern oder aufbewahren darf und sie auch nicht direkt oder indirekt an andere Staaten oder nicht-staatliche Gruppen weitergeben darf

(...) (dpa)