Essen/Bochum. Die Zahl der Betreuungsplätze in Kindergärten und Kitas ist deutlich erhöht worden - doch es fehlt an Personal: Weil Erzieherinnen oft zu viele Kinder gleichzeitig betreuen müssen, leidet die Qualität, so eine neue Studie. Die Folge: Die Förderung kommt viel zu oft zu kurz.
War in den vergangenen Jahren von Kindertagesstätten die Rede, ging es vor allem um die Anzahl der Plätze für die Kleinkinder. Es waren immer zu wenig, obendrein rückte der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz immer näher. Im Prinzip ist der Ausbau gestemmt, doch der Preis ist hoch: Nach der Studie „Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit“ (Nubbek) kommt die Qualität der Kitabetreuung zu kurz.
Auch interessant
Vor allem fehle es an Personal, heißt es in der Nubbek-Studie, die im Oktober offiziell vorgestellt wird. Finanziert wird die Untersuchung von der Jacobs-Foundation, der Robert-Bosch-Stiftung, dem Familienministerium und vier Bundesländern, darunter NRW. Während der von der Bertelsmann Stiftung vorgelegte ,,Frühkindliche Länderreport“ einen Personalschlüssel in Krippen von 1 zu 3 empfiehlt, sieht die Realität anders aus. Der Personalschlüssel lag bei den ins Visier genommenen Gruppen am höchsten mit fast neun Kindern pro Erzieherin.
"Freies Spielen" in unterbesetzten Einrichtungen
Bei altersgemischten Gruppen, in denen Kinder sowohl im Krippen- als auch im Kindergartenalter betreut werden, lag der Schlüssel bei 7,5 Kindern pro Erzieherin. Vor allem bei den Kindern im Krippenalter zeige sich laut Studie sehr deutlich, dass ein besserer Schlüssel mit einer höheren Betreuungsqualität einhergehe.
Wenn der Personalschlüssel niedrig sei, so die Psychologen, hätten die Zweijährigen nach Einschätzung ihrer Mütter sowie der Fachkräfte ein höheres Maß an Alltagsfertigkeiten und eine bessere Körperbeherrschung (Motorik). „Wir haben Einrichtungen kennengelernt, in denen sich eine Erzieherin um 14 Kinder kümmern musste, weil die Kollegin krank war. So etwas kommt häufig vor“, sagt Professorin Birgit Leyendecker. Die Wissenschaftlerin der Ruhr Universität Bochum leitete die Nubbek-Studie für Nordrhein-Westfalen in Bochum sowie den Kommunen im Ennepe-Ruhr-Kreis. In unterbesetzten Einrichtungen werde der „situationsbeszogene Ansatz“ groß geschrieben, besser bekannt als ,,Freies Spielen“. Das heiße, „die Kinder sind sich selbst überlassen.“
Die Mehrheit der Kinder wird nur unzureichend gefördert
Laut Studie gibt es in den meisten Einrichtungen keine ausreichende Förderung. Nur 2,6 Prozent der Kinder erhielten in ihren Gruppen gute Anregungen für das spätere Lesen oder für naturwissenschaftliches Verständnis. Ein Drittel der Kinder werde auf mittlerem Niveau, die überwältigen Mehrheit jedoch auf unzureichendem Niveau gefördert.
Während die Kinder auf ihre kognitiven Fähigkeiten getestet wurden und sich einem Wortschatztest unterziehen mussten, wollten die Wissenschaftler wissen, wie die Einrichtungen ausgestattet sind. So interessierte zum Beispiel, ob es einladende Leseecken gibt. „Es gab auch Kitas, in denen die Bücher in hohen Regalen aufgestellt sind, die die Kinder nicht erreichen können“, berichtet Birgit Leyendecker. Beobachtet wurden auch die Gespräche zwischen Kindern und Erzieherinnen. Ergebnis: Je aktiver die Erzieherinnen, desto größer ist der Wortschatz der Kinder.
Die Nubbek-Studie lässt keine Aussage zu, ob es besser ist, ein Kind zu Hause zu betreuen oder in einen schlechten Kindergarten zu schicken. Dennoch haben die Wissenschaftler festgestellt, dass bei Kindern, die zu Hause sehr gut betreut werden und eine anregungsreiche Umwelt haben, der Einfluss einer schlechten Kita-Betreuung relativ gering ist.
Vor allem der Mittelschicht nützen die U-3-Plätze
„Kritisch ist die Kombination, in der sowohl die familiäre als auch die außerfamiliäre Betreuung gering ist. Dies führt dazu, dass die Kinder einen schlechten Wortschatz haben und schlechter sprechen können“, so Leyendecker. „Da muss sich was ändern. Wir wissen, sprachliche und motorische Defizite, die in der frühkindlichen Phase nicht behoben werden, können in der Grundschule nicht mehr aufgeholt werden.“
Die U-3-Betreuung werde vor allem von Eltern der Mittelschicht genutzt, so die Studie. Eltern mit weniger Bildung oder Geld seien weniger erfolgreich bei der Suche nach einem U-3-Platz. Dies betreffe auch Familien mit Migrationshintergrund. Selbst in den Regelkindergarten kämen sie mit sieben bis acht Monate später. Zugewanderte Eltern seien auf Betreuung in ihrem Stadtteil angewiesen.