Berlin. In der Ausspähaffäre rückt Kanzleramtsminister Ronald Pofalla immer mehr in den Mittelpunkt. Was wusste der Geheimdienstkoordinator über den Datenschutz-Skandal? Bislang hatte sich Pofalla nicht ausführlich zu dem Thema geäußert. Jetzt soll er Rede und Antwort stehen.

Bundesregierung und Opposition zanken sich in der Ausspähaffäre über die Terminierung des Auftritts von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium. Dessen Vorsitzender, Thomas Oppermann (SPD), erteilte der von der Koalition für Mittwoch geplanten Sondersitzung mit dem Geheimdienstkoordinator eine Absage. Auch wenn die Fakten rasch auf den Tisch müssten, Gründlichkeit gehe vor Schnelligkeit, sagte Oppermann der "Süddeutschen Zeitung". Er kündigte an, dem Kanzleramt am Dienstag einen Fragenkatalog zuzuleiten, dessen Beantwortung bis Ende der Woche dauern könnte.

Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP hatten die Sitzung gemeinsam beantragt. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe forderte Oppermann auf, das Gremium einzuberufen, damit Pofalla dort Rede und Antwort stehen und für Aufklärung sorgen könne. Es dränge sich aber der Eindruck einer "gewissen Verschleppung" auf. "Offenkundig ist Öffentlichkeitsgetöse für den Wahlkampf wichtiger als Aufklärung dort, wo sie hingehört."

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Pofalla müsse im Parlamentarischen Kontrollgremium Stellung nehmen, ob er Merkel über die Arbeitsweisen des BND informiert habe, "wenn ja, wann, und wenn nein, wieso nicht", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles in Berlin. Könne er diese Fragen nicht beantworten, gehe es darum, "ob Pofalla als Kanzleramtsminister und als Koordinator der Geheimdienstarbeit wirklich im Amt bleiben kann".

Pofalla äußerte sich bisher nur spärlich

Auch der Linken-Abgeordnete Steffen Bockhahn legte Pofalla, BND-Chef Gerhard Schindler und Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen den Rücktritt nahe, sollten sie die Vorwürfe nicht aufklären können. Sie alle müssten sich "fragen lassen, wie ernst sie die parlamentarische Kontrolle nehmen". Aus der SPD-Fraktion hieß es, es werde einen Termin am Donnerstag oder Freitag dieser Woche geben. Der genaue Zeitpunkt werde am Dienstag endgültig festgelegt.

Pofalla hatte sich seit dem Hochkochen der Ausspähaffäre nur spärlich dazu geäußert. Die Opposition kritisierte dies in den vergangenen Tagen immer vehementer. Eine Erklärung lieferte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Montag: "Herr Pofalla war in der vergangenen Woche im Urlaub. Jetzt ist er wieder da."

Forderung nach härterer Gangart gegenüber den USA

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) derweil zu einer härteren Haltung gegenüber den USA und Großbritannien auf. "Statt die Bürger und die deutsche Wirtschaft vor einer flächendeckenden Spionage durch die USA und Großbritannien zu schützen, versucht sie nur, sich herauszureden", sagte Gabriel dem "Münchner Merkur" (Dienstag).

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Zuvor hatte Gabriel die Ablösung von BND-Chef Gerhard Schindler ins Spiel gebracht, weil dieser die geltenden Datenschutzgesetze in Deutschland habe umgehen wollen. Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele lehnt diese Forderung ab: "Ich will nicht, dass die Bundesregierung mit einem Bauernopfer davon kommt", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Dienstag). "Es könnte ja sein, dass der BND-Präsident nicht nur mit Duldung, sondern sogar auf Weisung des Kanzleramtes gehandelt hat."

Kubicki für Datenschutz-Vereinbarung zwischen Europa und USA 

Angesichts der NSA-Spähaffäre tritt die FDP für eine möglichst baldige Datenschutz-Vereinbarung zwischen Europa und den USA ein. Das FDP-Präsidiumsmitglied Wolfgang Kubicki schlug im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vor, die Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen zu nutzen, um Druck auf die USA auszuüben. In der Vereinbarung müssten auch Strafen festgelegt werden, die bei Verstößen gegen den Datenschutz greifen.

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"Das Freihandelsabkommen könnte der Hebel dafür sein, dass europäische Datenschutz-Regelungen von den Amerikanern beachtet werden", sagte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef. "Das geht nur in bilateralen Verhandlungen auf europäischer Ebene. Und da wir die Bundeswehr nicht einmarschieren lassen können in den USA, geht das nur über wirtschaftliches Interesse."

Derzeit verhandelt eine Arbeitsgruppe von EU-Experten mit den USA schon über das Thema Datenschutz. Auslöser ist das US-Spionageprogramm "Prism", mit dem der US-Geheimdienst NSA Daten von Internetnutzern bei Unternehmen wie Google, Facebook, Apple und Yahoo sammeln soll - auch von EU-Bürgern.

Kubicki sagte, in einer Datenschutz-Vereinbarung müsse festgeschrieben werden, dass jeder betroffene Bürger bei Verstößen Rechtsmittel einlegen kann - "und zwar nicht nach amerikanischem Recht, sondern nach europäischen Standards". Zudem müsse es über regelmäßige Besuche von Datenschutz-Beauftragten auch Kontrollmöglichkeiten geben, sagte Kubicki. Als Sanktionsmöglichkeiten seien Geldstrafen denkbar. Möglich seien aber auch andere rechtliche Sanktionen. (dpa)