Berlin. Auf “Prism I“ folgt “Prism II“: Nicht nur der US-Geheimdienst NSA hat ein Spähprogramm mit diesem Namen. Auch die Bundeswehr hatte in Afghanistan mit einer solchen Datenbank zu schaffen. Nur eine Namensgleichheit, beteuern Regierung und Bundesnachrichtendienst.
Neben dem umstrittenen Spähprogramm "Prism" des US-Geheimdienstes ist eine zweite Datenbank mit exakt dem gleichen Namen aufgetaucht. Diese soll im Kommandobereich der Bundeswehr in Afghanistan zur Überwachung von Terrorverdächtigen eingesetzt worden sein. Bundesregierung und Bundesnachrichtendienst (BND) versicherten am Mittwoch, es handele sich um zwei unterschiedliche Programme. Sie traten damit Vorwürfen entgegen, wonach die Bundeswehr das Ausspähinstrument des amerikanischen Geheimdienstes bereits seit Jahren kenne. Oppositionspolitiker sprachen von einem eigenartigen Zufall und forderten Aufklärung.
Der US-Geheimdienst NSA überwacht angeblich im großen Stil die Kommunikation von Bürgern und Politikern in Deutschland - vor allem durch das Programm "Prism". Die "Bild"-Zeitung berichtete nun, das Programm sei auch in Afghanistan zum Einsatz gekommen. Ein geheimes Nato-Dokument deute darauf hin, dass das Bundeswehr-Kommando in Afghanistan im September 2011 über die Existenz von "Prism" informiert worden sei. Aus dem Papier gehe auch hervor, dass es sich um ein Programm zur Erfassung und Überwachung von Daten handele.
Isaf-Programm ist nicht als geheim eingestuft
Regierungssprecher Steffen Seibert verwies auf BND-Erkenntnisse, wonach es sich um unterschiedliche, "nicht identische" Programme handele. Das in Afghanistan verwendete System werde nicht von den USA, sondern von der Nato-Truppe Isaf betrieben. Der BND bestätigte dies und betonte, das Isaf-Programm sei auch nicht geheim eingestuft. Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte, es gehe bei diesem zweiten "Prism"-Programm offenbar um Radaraufklärung und Luftüberwachung.
Edward SnowdenDie "Bild"-Zeitung berichtet hingegen in ihrer Donnerstagsausgabe, dass beide "Prism"-Programme auf dieselben NSA-Datenbanken zugriffen. Das in Afghanistan betriebene "Prism" speise und bediene sich aus den NSA-Datenbanken "Marina" und "Mainway", in denen einmal Internet- und einmal Telefon-Verbindungsdaten gespeichert würden. In beiden Datenbanken würden auch Daten deutscher Staatsbürger gespeichert, schreibt das Blatt unter Berufung auf Quellen in den USA, die mit "Prism" vertraut seien.
Verteidigungsministerium will von nichts gewusst haben
Der Sprecher des Verteidigungsressorts, Stefan Paris, sagte zuvor, sein Ministerium habe von dem "Prism"-Programm für Afghanistan nichts gewusst. Die Nato-Information sei innerhalb des Einsatzraums Afghanistan geblieben. Das sei völlig normal, weil ein solcher Befehl nicht gleich an die Heimatnation gemeldet werden müsse.
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann, verlangte detaillierte Aufklärung vom Verteidigungsministerium. Es mache stutzig, dass beide Programme zufällig den gleichen Namen hätten. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour forderte von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) persönlich Auskunft. "De Maizière muss dringend erklären, was er gewusst hat und was er mit den Erkenntnissen getan hat", sagte er. "Man kann ja nicht ausschließen, dass Prism I mit Prism II etwas zu hat, wenn man gar nicht weiß, was Prism I ist."
Einzelheiten und Umfang der Datenüberwachung noch immer unklar
Auch Wochen nach den ersten Enthüllungen über das Spähprogramm des US-Geheimdienstes NSA sind Einzelheiten und Umfang der Datenüberwachung noch immer unklar. Regierung und Geheimdienste in Deutschland haben mehrfach versichert, sie hätten von diesen Aktivitäten der Amerikaner nichts gewusst.
Die "Bild"-Zeitung hatte zuletzt berichtet, der BND habe seit Jahren von der Datensammlung durch US-Dienste gewusst und etwa bei der Entführung von Deutschen im Ausland aktiv darauf zugegriffen. Das ARD-Magazin "Fakt" meldete, der BND kenne die Technik, auf der das Spähprogramm "Prism" beruht, seit Jahren und sei in ihrem Besitz. Der BND beteuerte am Mittwoch dagegen erneut, er habe "keine Kenntnis vom Namen, Umfang und Ausmaß des NSA-Programms" gehabt.
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich in NSA-Affäre unter Druck
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) informierte den Innenausschuss des Bundestages am Mittwoch über den aktuellen Stand der Aufklärung in der Spähaffäre. Der Ressortchef war Ende vergangener Woche zu einem Kurzbesuch in die USA gereist, um dort mit Regierungsvertretern über die Vorwürfe gegen die NSA zu sprechen.
Oppositionspolitiker halten die Aufklärungsbemühungen aber für unzureichend. Hartmann beklagte, die Regierung gehe "zu nonchalant" mit den gravierenden Vorwürfen um. Der Grünen-Innenpolitiker Wolfgang Wieland kritisierte, die Regierung laviere und habe offenbar weder den Willen noch die Kraft, um für Aufklärung zu sorgen. Der Linke- Abgeordnete Jan Korte meinte: "Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass die Bundesregierung die Öffentlichkeit seit Wochen an der Nase herumführt."