Berlin. . In der Affäre um das US-Spähprogramm Prism bleibt Angela Merkel auch Wochen nach den ersten Enthüllungen konkrete Antworten schuldig. „Mir ist es völlig unmöglich, hier eine Analyse von Prism vorzunehmen“, sagte sie am Freitag. Die Bundesregierung bemühe sich auf verschiedenen Ebenen um Aufklärung.

Angela Merkel (CDU) versuchte, locker zu wirken. Also plauderte die Kanzlerin aus dem Nähkästchen und outete sich als jemand, der sich bei der Arbeit erholen kann und morgens noch ohne Probleme aus den Federn kommt.

Den heiteren Häppchen zum Trotz war die traditionelle Pressekonferenz vor der Sommerpause für Merkel dieses Mal eine hochbrisante Angelegenheit. Denn obwohl die ersten Enthüllungen zum US-Spähprogramm „Prism“ bereits sechs Wochen zurückliegen, konnte – oder wollte – Merkel am Freitag nur wenig Erhellendes zur Aufklärung beitragen. Ihr sei es „völlig unmöglich“ eine Analyse von Prism vorzunehmen, gab die promovierte Physikerin zu Protokoll. Andere Themen, wie der Schuldenschnitt für Griechenland, den die Kanzlerin derzeit nicht sieht, spielten nur eine untergeordnete Rolle.

Regierung tappt im Dunkeln

Denn nach wie vor tappt die Regierung im Dunkeln, in welchem Maße der US-Geheimdienst NSA Daten der Bürger in Deutschland abgeschöpft hat. Gleichwohl lastet ein immenser Druck auf der Regierung, endlich Antworten zu liefern. Man bemühe sich um Aufklärung, aber dies liege eben nicht allein in ihrer Hand, schlüpfte die Kanzlerin in die Rolle der hilflosen Zuschauerin. Die Regierung habe den Amerikanern einen Fragenkatalog geschickt und warte auf Antworten. Wann die kommen, ist offen. „Ich kann doch nur zur Kenntnis nehmen, dass unsere amerikanischen Partner Zeit für die Prüfung brauchen“, sagte Merkel. Ihr helfe keine Zusage, die sich nicht als wahrheitsgemäß erweise. „Insofern warte ich lieber.“

Stattdessen will sich Merkel für einen besseren Schutz der Privatsphäre der Bürger einsetzen. Zu einem Acht-Punkte-Katalog gehört, in der EU die Reform des Datenschutzes voranzutreiben. Richtung USA richtete Merkel nur wohl dosierte Kritik. Sie rief die Amerikaner auf, auf deutschem Boden deutsches Recht einzuhalten: „Deutschland ist kein Überwachungsstaat.“ Zudem seien im Kampf gegen den Terror nicht alle technischen Möglichkeiten zulässig. Stets sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.

Klotz im Wahlkampf

Mit seinen Enthüllungen hat der US-Geheimdienstler Edward Snowden der Kanzlerin einen dicken Klotz im Wahlkampf ans Bein gebunden. Denn mehr als zwei Drittel der Deutschen sind mit der Aufklärungsarbeit der Bundesregierung unzufrieden.

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Seit Wochen versucht die Opposition, aus der Affäre Profit zu schlagen. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hatte Merkel unlängst vorgeworfen, ihren Amtseid verletzt zu haben – weil sie die Bürger zu wenig geschützt habe. Noch während die Kanzlerin gestern Rede und Antwort stand, polterte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck, ihr Auftritt sei eine „Beleidigung an alle Zuschauer, die Aufklärung erwartet haben“.

Eigenlob der Kanzlerin

Dennoch kann Merkel – jedenfalls Stand heute – hoffen, dass ihr die Spähaffäre nicht die Wahl verhagelt. Denn laut ARD-Deutschlandtrend spielt sie für mehr als zwei Drittel der Bürger bei der Wahlentscheidung allenfalls eine geringe Rolle. Das könnte sich freilich ändern, wenn das Thema noch weitere Kreise zieht.

Merkel scheint es pragmatisch zu nehmen. Die Themen, die im Wahlkampf eine Rolle spielten, „die setzen wir nicht, die kommen“, sagte sie. Gleichwohl machte sie kräftig Eigenlob für die Bundesregierung: Kita-Ausbau, 30 Milliarden Euro Entlastungen für die Bürger, mehr Arbeitnehmer denn je – die Regierung sei die „erfolgreichste seit der Wiedervereinigung“, behauptete Merkel.

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Urlaub in Südtirol

Dabei hat Schwarz-Gelb zahlreiche Punkte aus dem Koalitionsvertrag nicht abgearbeitet: von der Pflege- und Steuerreform über die Lebensleistungsrente bis hin zur Vorratsdatenspeicherung. Neben dem Selbstlob gab es warme Worte für den durch die Drohnenaffäre gebeutelten Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) und weitere angeschlagene Mitglieder im Kabinett. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU), der die Geheimdienste koordiniert, sprach Merkel ihr „vollstes Vertrauen“ aus.

„Da mir die Arbeit Freude macht, macht es mir auch nichts aus, dass ich immer Bundeskanzlerin bin“, sagte Merkel. Doch bevor sie in die heiße Wahlkampfphase einsteigt, wird die CDU-Chefin in Südtirol Urlaub machen. Womöglich kann sie da noch mehr entspannen als im Kanzleramt.