Berlin. Die Zusammenarbeit deutscher und amerikanischer Geheimdienste beim Ausspähen von Daten ist offenbar enger als bislang bekannt. Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst haben den Einsatz einer NSA-Spähsoftware eingeräumt, Berichte über die massenhafte Weitergabe von Daten aber bestritten.
Die deutschen Geheimdienstchefs haben einen "Spiegel"-Bericht über die enge Zusammenarbeit mit dem US-Geheimdienst NSA zurückgewiesen. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sagte der "Bild am Sonntag", sein Amt teste eine von der NSA zur Verfügung gestellte Software, setze sie aber derzeit nicht ein. Die Grünen forderten wegen der NSA-Datenaffäre eine Grundgesetzänderung, um den Schutz durch das Postgeheimnis auf die digitale Welt auszuweiten.
Der "Spiegel" berichtete, das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Auslandsgeheimdienst BND hätten eine NSA-Spähsoftware eingesetzt. Das Magazin berief sich auf geheime Unterlagen des US-Geheimdienstes.
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Demnach soll das BfV mit einem Programm namens "XKeyscore" ausgerüstet worden sein, "um dessen Fähigkeiten auszubauen, die NSA bei der gemeinsamen Terrorbekämpfung zu unterstützen". Der BND solle den Verfassungsschutz im Umgang mit der Spähsoftware unterweisen.
Zusammenarbeit zuletzt intensiviert?
Das Programm ermöglicht dem "Spiegel"-Bericht zufolge unter anderem, sichtbar zu machen, welche Begriffe eine Zielperson in eine Suchmaschine eingegeben hat. Den Unterlagen zufolge werde ein großer Teil der monatlich rund 500 Millionen Datensätze in Deutschland, auf die der US-Geheimdienst Zugriff hat, von dem Programm "XKeyscore" erfasst. Das seien zum Beispiel im Dezember 2012 rund 180 Millionen Datensätze gewesen.
Laut "Spiegel" geht aus den Dokumenten ferner hervor, dass sich die Zusammenarbeit deutscher Geheimdienste mit der NSA zuletzt intensiviert habe. In den Unterlagen sei vom "Eifer" des BND-Präsidenten Gerhard Schindler die Rede. "Der BND hat daran gearbeitet, die deutsche Regierung so zu beeinflussen, dass sie Datenschutzgesetze auf lange Sicht laxer auslegt, um größere Möglichkeiten für den Austausch von Geheimdienst-Informationen zu schaffen", zitierte das Magazin aus den Notizen von NSA-Mitarbeitern im Januar.
BND bestreitet massenhafte Datenweitergabe an die NSA
BND-Präsident Schindler sagte der "Bild am Sonntag", es gebe keine "millionenfache monatliche Weitergabe von Daten aus Deutschland an die NSA" durch seinen Dienst. 2012 seien zwei einzelne personenbezogene Datensätze deutscher Staatsbürger an die NSA übermittelt worden. Die Zusammenarbeit mit der NSA habe er jüngst im Parlamentarischen Kontrollgremium vorgetragen, sagte der Chef des Bundesnachrichtendienstes.
Nach einem "Focus"-Bericht erfuhr das Bundesinnenministerium bereits im Jahr 1992 von der Spionage durch die NSA. Damals habe das Ministerium geheime Akten der Stasi-Unterlagenbehörde eingezogen. Aus den über 13.000 originalen NSA-Dokumenten sei unter anderem hervorgegangen, wie der US-Geheimdienst in den 1970er Jahren das Bundeskanzleramt und deutsche Unternehmen wie Siemens überwacht habe. Der "Focus" berief sich auf ein ihm vorliegendes 14-seitiges geheimes Übergabeprotokoll. Die Originale habe das Bundesinnenministerium damals den US-Behörden übergeben.
Grüne fordern Grundgesetzänderung
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann erklärte am Sonntag mit Blick auf die jüngsten Berichte, er könne nicht glauben, dass sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) "sechs Wochen nach den Enthüllungen noch immer nicht informiert hat, was der BND macht". Das wäre ein "absoluter Kontrollverlust". Merkels Bekenntnis zum Datenschutz nannte Oppermann "pure Heuchelei".
Die Grünen-Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckart und Jürgen Trittin begründeten in der "Frankfurter Rundschau" (Montagsausgabe) die Forderung nach einer Grundgesetzänderung: "Was für Briefe gilt, muss für jede E-Mail und SMS gelten." Deshalb wollten die Grünen "den Artikel 10 Grundgesetz - das Postgeheimnis - ausbauen zu einem Kommunikations- und Mediennutzungsgeheimnis auch für die digitale Welt". (afp/dpa)