Washington. .
Vier Töchter, 15 Enkelkinder. Viele Amerikaner nehmen Keith Alexander unbesehen ab, wenn er seine vornehmste Aufgabe so beschreibt: „Wir beschützen unser Land.“ Dass die Mittel, derer sich der Chef des mächtigen Auslandsgeheimdienstes NSA dabei bedient, mittlerweile weltweit Unbehagen und teilweise offenen Widerstand auslösen, will dem Vier-Sterne-General nicht einleuchten. Beim hochkarätigen Aspen-Forum in Colorado reichte Alexander jetzt ein Satz, um seine auf schrankenlose Überwachung setzende Philosophie zu definieren: „Wir brauchen den Heuhaufen, um die Nadel darin zu finden.“
Neue Armee von Cyber-Soldaten
Während in Europa, gesondert Deutschland, nach den Enthüllungen des abtrünnigen Ex-NSA-Programmierers Edward Snowden der Wunsch nach weniger Überwachung, Bespitzelung und Sicherung der Kommunikationsströme auf Vorrat im Internet besteht, setzt Alexander auf Expansion. Jüngstes Indiz: In Kürze wird das Verteidigungsministerium eine 4000-köpfige Armee von Cyber-Soldaten in Gang setzen. Die unter Alexanders Regime geeichten Experten sollen sowohl defensiv wie offensiv im Internet agieren, um die leicht verwundbare Infrastruktur von Strom-Netzen und Banken und Börsen zu schützen.
In einem einstündigen Interview, dem ersten öffentlichen Auftritt nach Bekanntwerden der Snowden-Enthüllungen, ließ Alexander keinen Zweifel daran, dass ihm die Aufregung in Deutschland über Programme wie Prism, Tempora & Co. mehr als übertrieben und unnötig vorkommt. Mehrmals kritisierte er die Medien für „falsche“ und „verfälschende Tatsachenbehauptungen“.
Mitnichten könne die NSA jederzeit Telefonate und E-Mails mithören oder mitlesen, wie Snowden es behauptet. Nur wenn ein glaubhafter Terror-Verdacht bestehe, habe die NSA die Möglichkeit, gespeicherte Metadaten (wer hat wen wann angerufen?) auf konkrete Inhalte abzuklopfen und die Informationen an die Bundespolizei FBI zu geben; vorausgesetzt ein Sonder-Gericht gestattet es. Alexander: „Unser System hat so viel Kontrolle wie kein anderes weltweit.“
Bei Abermillionen von Datenspeicherungen sei der tiefergehende Zugriff in gespeicherte Daten in 2012 in nur 300 Fällen geschehen. Alexander: „Das ist vernünftig und verhältnismäßig.“ Und die Balance zwischen Sicherheit und den in der Verfassung festgeschriebenen Bürger- und Freiheitsrechten? „Ist gewahrt.“ Details? Kein Kommentar.
Offensiv beschrieb der General die Rolle Amerikas als globaler Hilfspolizist. „75 Prozent unserer Arbeit schützt unsere Verbündeten.“ Ausdrücklich nannte er Deutschland, Frankreich und Dänemark. Hier seien etliche der insgesamt 54 aufgedeckten Terror-Anschlagspläne durch Überwachung rechtzeitig durchkreuzt worden. Keith Alexander: „Wir geben diese Daten den deutschen Behörden, wenn wir einen begründeten Verdacht haben.“ Auf die Frage, ob ihn der Unmut aus Berliner Regierungszirkeln überrascht hat, wurde der Elitesoldat kurz ironisch: „Wir sagen ihnen nicht alles, was wir tun – aber jetzt wissen sie‘s ja.“
Dem Antrieb Edward Snowdens, ein aus dessen Sicht ausgeufertes Bespitzelungsprogramm zum Wohl der Demokratie zu enttarnen, kann der Militär überhaupt nichts abgewinnen. „Snowden hat das Land in Gefahr gebracht. Nicht er ist ein Held, sondern meine Leute. Sie finden die ,bösen Jungs‘, die Amerikaner töten wollen.“ Durch die Enthüllungen sei die Arbeit seiner knapp 40 000 Mitarbeiter starken Behörde deutlich erschwert worden. Terrornetzwerke hätten jetzt ihre „Art der Kommunikation“ umgestellt.
Neue Sicherheitsregeln
Um den Wiederholungsfall auszuschließen, wird künftig in der NSA das Vier-Augen-Prinzip eingeführt, wenn Systemadministratoren geheime Daten von A nach B bewegen. Alexander unterstrich mehrfach, dass die NSA unter seiner Zuständigkeit unverändert an der Strategie des Datenabschöpfens im großen Stil festhalten wird. „Der 11. September 2001 ist passiert, weil wir die losen Enden, die wir hatten, nicht zusammenbinden konnten. Das darf nie wieder passieren.“