Berlin. . Nach schwachem Start in den Wahlkampf versucht der designierte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück es mit weiblichen Themen. Den Anfang machte er am Freitag im Bundestag mit einer Brandrede gegen das Betreuungsgeld.
Der Spott der Frauen kam prompt. Noch bevor Peer Steinbrück im Bundestag das Betreuungsgeld als „Schwachsinn“ und „fatalen Rückschritt“ geißeln konnte, ätzt die CSU-Politikerin Dorothee Bär: Es sei doch hervorragend, dass Steinbrück jetzt auf einmal „als Familienpolitiker in die Bütt“ gehe. Und Grünen-Frau Ekin Deligöz spekuliert schon mal via Nachrichtendienst „Twitter“ über die Honorarfrage: In der SPD werde, so habe sie gehört, für die Steinbrück-Rede gesammelt.
Dabei hält der Kanzlerkandidat der SPD in der Bundestagsdebatte über das Betreuungsgeld eigentlich eine ordentliche Rede, die von den eigenen Reihen mit viel Beifall belohnt wird. Er attackiert die Kanzlerin („ihr Kompass ist allein auf die Überlebensfähigkeit ihrer Regierung ausgerichtet“). Und er gibt sich, dies ein Signal an die weiblichen Zuhörer, als Anhänger eines modernen Frauenbildes zu erkennen, das nicht weit weg ist von der feministischen Lehre: „Fortschritt misst sich an eigenen Berufsbiografien von Frauen.“
Aber zugleich wird deutlich, wie sehr Steinbrück kämpfen muss: Gegen schlechte Umfragewerte, für seinen Ruf bei den SPD-Frauen und bei den Wählerinnen. Der Kandidat steht nach einem schwachen Start unter Druck. Deshalb hat ihm die Fraktionsführung nun im Parlament den Vortritt gelassen, obwohl eigentlich prominente SPD-Frauen oder Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zum Betreuungsgeld hätten reden sollen.
Zu kaltschnäuzig und zu arrogant?
Problem Nummer eins: Der Kanzlerkandidat hat im Lager der weiblichen Wähler die größten Defizite, so haben es Demoskopen ermittelt. Schuld ist wohl auch Steinbrücks mitunter kaltschnäuzige und arrogante Art. Nur ein Drittel der Frauen würde bei einer Direktwahl für Steinbrück votieren, über die Hälfte dagegen für Kanzlerin Merkel – bei den Männern ist die Sympathielücke viel kleiner. Deshalb wird Steinbrück nun gezielt mit Frauenthemen in Verbindung gebracht.
Aber das wird nicht reichen. Problem Nummer zwei: Die Debatte um seine Nebentätigkeiten hat dem Ex-Minister inzwischen spürbar geschadet. In der Rangliste der beliebtesten Politiker verlor der SPD-Mann laut ARD-Deutschlandtrend diese Woche neun Prozentpunkte – er rutschte von Platz drei auf sechs, die Kanzlerin führt unverändert auf Platz eins. Schon gehen sogar Politiker der Grünen auf Distanz: „Solch ein Anfang macht es schwierig“, sagt Fraktionsvize Deligöz. Steinbrück allein könne offenbar nicht das Programm der SPD sein, die Partei müsse nun wohl ihre Strategie ändern. Auch SPD-Politiker räumen unter der Hand mindestens Irritationen ein. Steinbrücks Verhalten in der Nebentätigkeits-Debatte sei unprofessionell gewesen, viel zu lange habe er das Thema treiben lassen, heißt es.
Schuld sei allerdings auch der „Kalt-Start“ des Kandidaten. Steinbrück sollte eigentlich erst Anfang Dezember als Merkel-Herausforderer präsentiert werden, bei seiner Vorstellung Ende September war er völlig unvorbereitet. Der Zeitpunkt der Kandidatenkür „war schlecht“, urteilt Ex-Parteichef Franz Müntefering nun harsch. Und führende SPD-Fraktionäre räumen ein, Steinbrück müsse erst noch richtig Tritt fassen. Die interne Devise lautet jetzt, bis zur offiziellen Kür bei einem Sonderparteitag am 9. Dezember in Hannover müssten die Anfangsprobleme überwunden sein. Steinbrück hat inzwischen zumindest sein Wahlkampfteam zusammengestellt: Zur Kerngruppe gehört der frühere Chef des Leitungsstabs im Finanzministerium, Heiko Geue, der die operative Wahlkampfleitung übernimmt. Mit Michael Donnermeyer als Pressesprecher und dem thüringischen Wirtschaftsminister Matthias Machnig als Berater hat Steinbrück zwei Genossen engagiert, die schon 1998 für Gerhard Schröder erfolgreich die SPD-Wahlkampfzentrale „Kampa“ organisierten. Der enge Steinbrück-Vertraute und frühere Rundfunkjournalist Roland Fäßler schließlich soll sich um die politische Strategie des Wahlkampfs kümmern.
Kritik auch aus den eigenen Reihen
Dass Steinbrücks Team nur aus Männern besteht, hat inzwischen die SPD-Frauenorganisation ASF verärgert. Mindestens das Schattenkabinett müsse gleichrangig mit Männern und Frauen besetzt sein, fordert ASF-Chefin Elke Ferner. An Bewerberinnen herrscht kein Mangel. Als bereits gesetzte Mitglieder des Schattenkabinetts gelten neben Generalsekretärin Andrea Nahles SPD-Vize Manuela Schwesig und Aydan Özoguz. Steinbrück bemüht sich, den SPD-Frauen entgegenzukommen und Verständnis für „Gender-Themen“ zu demonstrieren. Am Donnerstagabend war er Ehrengast bei einem „Roten Frauensalon“ in der Parteizentrale und warb engagiert für die Frauenquote. Der Andrang der Genossinnen war groß wie lange nicht. Man sehe also, erklärten die SPD-Organisatoren, dass Steinbrück sehr wohl Frauen anziehe.