Mülheim. Wie erwartet führt Bundesumweltminister Norbert Röttgen die CDU in den nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf. Bei der Landesvertreterversammlung in Mülheim wurde der 46-Jährige am Mittwochabend mit 96,4 Prozent der abgegebenen Stimmen zum Spitzenkandidaten gewählt.
Rhythmisches Klatschen, vereinzelte „Norbert“-Rufe, Siegerposen für die Kameras. Auf die Parteitagsregie und das rhetorische Talent des Spitzenkandidaten Norbert Röttgen war Verlass, als die NRW-CDU sich am Mittwochabend beim Landesparteitag in der Stadthalle Mülheim auf die vorgezogenen Landtagswahlen einstimmte. Dazu gab es ein sehr ordentliches Ergebnis von 96,4 Prozent Zustimmung für den Bundesumweltminister.
Röttgen hatte in einer Rede rufend, schwitzend und beschwörend scharfe Kritik an der rot-grünen Landesregierung geübt: „Das Kabinett ist eine Ansammlung von namenloser Inkompetenz“. Er kündigte pathetisch eine neue Politik der Zukunftsverantwortung an: „Meine Generation der Babyboomer steht in der Verpflichtung, das Schuldenleben zu beenden.“ Hinter dem 46-Jährigen prangte der selbstbewusste Wahlslogan: „Unser Land verdient das Beste.“
Es läuft alles andere als rund für die CDU
Doch trotz der schönen Bilder aus Mülheim - fünf Wochen vor dem Urnengang läuft es alles andere als rund für die CDU.
Den vorläufigen Tiefpunkt eines vermurksten Wahlkampf-Auftakts bot am Mittwoch die wuchtige Schlagzeile in der „Bild“-Zeitung: „CDU-Aufstand gegen Röttgen“. Der Vorsitzende des Parteibezirks Mittelrhein, ein Europaabgeordneter namens Axel Voss, hatte dazu aufgerufen, beim Landesparteitag die gesamte Kandidatenliste für die NRW-Wahl abzulehnen. Röttgen habe treue Gefolgsleute auf der Reserveliste vorn platziert und andere Kandidaten des Bezirks Mittelrhein verdrängt, so der Vorwurf.
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Ein ungewöhnlicher Affront. Röttgen hat offenbar die Empfindsamkeiten einer Landespartei unterschätzt. Auf dem Mittelrhein-Ticket wurden er selbst, seine Berliner Staatssekretärin Ulla Heinen und die türkischstämmige Quer-Einsteigerin Serap Güler hervorragend platziert, bisherige Landtagsabgeordnete wie Christian Möbius, Gregor Golland oder Andrea Verpoorten wurden düpiert. Eine Landesliste ist eine sensible Komposition, gerade in der traditionell zerstrittenen NRW-CDU.
Klagen aus dem Landesvorstand über die Pannenserie
Im Landesvorstand der Partei wird inzwischen immer offener über eine „Pannenserie“ geklagt. Begonnen hatte alles damit, dass sich Röttgen nach der Auflösung des Landtags nicht festlegen wollte, ob er seine politische Zukunft auf jeden Fall in Düsseldorf sieht. Vor allem seine einst treuesten Unterstützer monieren, man könne als Frontmann nicht mit Berlin-Rückfahrkarte Wahlkampf machen, während Landtagsabgeordnete und Fraktionsmitarbeiter um ihre berufliche Existenz fürchten.
Der NRW-CDU machen zudem inhaltliche Kurswechsel Röttgens zu schaffen. Er beschwört eine „Richtungsentscheidung“ gegen die rot-grüne „Politik auf Pump“, bleibt aber konkrete Einsparvorschläge schuldig. Röttgen verwarf sogar im Vorbeigehen den Haushaltsplan der eigene Landtagsfraktion, der die Wiedereinführung von Studiengebühren und Kita-Beiträgen vorsah. „Wir wollen keinen Sparkurs, sondern wir wollen einen soliden Wachstumskurs“, lautet das neue Credo, das weniger abschrecken soll.
Fehlende Trittsicherheit auf dem Boulevard
Zum Problem scheint auch Röttgens fehlende Trittsicherheit auf dem Boulevard zu werden. Während die SPD im Steuerstreit mit der Schweiz beinahe täglich medial die Kavallerie gegen flüchtige Millionäre ausreiten lässt, doziert der promovierte Jurist umständlich über zwischenstaatliche Rechtssicherheit.
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grünen) pflegen derweil ihr Image als freundliches Regierungs-Doppel „Hanni und Nanni“. Gemeinsam verteilen sie am Donnerstag in der Bochumer Innenstadt Ostereier.