Berlin. . Angefangen hatte Hannelore Kraft. Die NRW-Ministerpräsidentin hatte im Bundesrat einen Masterplan zur Energiewende gefordert. Kontrahent Norbert Röttgen reagierte erstaunlich scharf. So scharf, dass die ganze Länderkammer irritiert war.

Gegen Ende des Duells gab sich Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck empört: „So etwas habe ich in 18 Jahren Bundesrat noch nie erlebt“, schimpfte er, „das war Wahlkampf – wie auf dem Marktplatz von Bochum.“

Die Tirade galt Bundesumweltminister Norbert Röttgen persönlich, aber sie beschrieb auch sonst die Stimmung in der Länderkammer. Hier kam es am Freitag zum ersten öffentlichen Schlagabtausch zwischen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihrem Herausforderer Norbert Röttgen (CDU). Und Röttgen setzte voll auf Angriff.

Für die Länderkammer ungewöhnlich – hier sind solche Attacken sonst tabu. Kraft hatte aber die Idee, ihren Herausforderer auf diesem Parkett zu stellen – beim Thema Energiewende. Als Anlass diente ein Antrag, mit dem NRW die Bundesregierung zur Vorlage eines Energie-Masterplans auffordert.

Ruhig im Ton, scharf in der Sache

Kraft redete als erste. Hatte sie zuvor Röttgen freundlich per Handschlag begrüßt, warf sie dem Minister nun Versagen vor. Ruhig und im üblichen Bundesrats-Ton, aber scharf in der Sache beklagte sie fehlende Regierungs-Vorgaben für den Umbau der Energieversorgung. Ihre Gespräche mit Unternehmen machten sie besorgt: Investitionen würden auf Eis gelegt, weil es an Planungssicherheit fehle. Es müsse klar werden, „wer was wo tut“. Bis heute gebe es keinen „Masterplan“, den Röttgen selbst angekündigt habe.

Gegenseitiges Ignorieren

Röttgen nahm den Fehdehandschuh mit Schwung auf: Ohne Zweifel sei Krafts Antrag dem Wahlkampf geschuldet. Die Landesregierung wache aber offenbar erst bei Wahlen auf – es gebe in NRW große Versäumnisse, das Tempo beim Ökostromausbau sei dort so gering wie in kaum einem anderen Bundesland. Röttgen kämpfte mit sichtbarer Freude, wies alle Vorwürfe zurück: Ein Masterplan sei da.

Kraft tat erst so, als lese sie in Dokumenten. Als deutlich wurde, dass sie Röttgens Angriffslust unterschätzt hat, hörte sie mit verschränkten Armen zu. Röttgen seinerseits überschätzte die Toleranz der Ministerpräsidenten, die so offensive Auftritte und scharfe Attacken nicht schätzen.

Erst beschwerte sich Platzeck: „Wie groß muss Ihre Not sein, dass Sie so ungewöhnlich reagieren?“ Aber auch Röttgens Parteifreunde ließen den Minister mit seiner Alles-ist-Gut-Rede nicht davon kommen. Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff kritisierte das Vorgehen bei der Kürzung der Solarförderung und warnte, es drohe ein „Desaster“. Kraft nickte heftig, jetzt blätterte Röttgen stumm in seinen Unterlagen.

Die Aussagen von Hannelore Kraft und Norbert Röttgen im Faktencheck 

Das Wortgefecht von Hannelore Kraft und ihrem Herausforderer Norbert Röttgen hatte es in sich. Doch was haben die beiden Kontrahenten eigentlich gesagt - und haben sie recht? Wir haben die Aussagen protokolliert und überprüft.

Kraft: „Die Energiewende wird nicht ausreichend umgesetzt. Es gibt große Sorgen bei Unternehmen in NRW.“

Stimmt. Vor allem Energieunternehmen klagen über mangelnde Investitionssicherheit. So warnte ThyssenKrupp-Chef Hiesinger, die Bundesregierung unterschätze die Dimension der Energiewende völlig. Durch die Planlosigkeit drohe „katastrophaler Schaden“ für die Industrie.

Röttgen: „Der NRW-Antrag ist dem Wahlkampf geschuldet.“

Stimmt. Kraft wollte wohl gemeinsam mit anderen SPD-Regierungschefs ihren Kontrahenten vorführen. Den Antrag hatte sie kurzfristig eingereicht. Kraft hat die Energiewende aber schon länger zu ihrem Thema gemacht.

Kraft: „Es gibt keine Vorgabe der Regierung, wie wir die Ziele erreichen – es fehlt ein Masterplan“

Übertrieben! Das Stichwort hat Röttgen selbst geliefert: Vor vier Monaten forderte er einen Masterplan, der die Einzelmaßnahmen der Energiewende miteinander verzahnt. So etwas fehlt noch. Das zentrale Problem ist es aktuell nicht. Viel mehr hakt es an der Umsetzung vereinbarter Ziele in konkrete Gesetze, etwa bei der Ökostromförderung.

Röttgen: „NRW verschläft die Energiewende.“

Eigentor! Röttgen bezieht sich auf eine Studie, die nicht den Ist-Stand, sondern das Umbautempo der Länder 2006-2011 untersucht. Das mäßige Tempo geht vor allem aufs Konto der früheren CDU/FDP-Regierung Rüttgers.