Düsseldorf. CDU-Spitzenkandidat Röttgen kommt nicht in die Offensive. Inhaltliche Volten, Querschüsse aus der Partei, Bekenntnisdebatten - vieles macht ihm zu schaffen. Nun gibt es Streit über Röttgens Einfluss auf die Landesliste - der bisherige Wahlkampf-Tiefpunkt.
„Wer in Durban war, will nicht mehr nach Düren“, hat der Kölner Kabarettist Jürgen Becker neulich gespottet und damit das angebliche Fremdeln des Bundespolitikers Norbert Röttgen mit der nordrhein-westfälischen Provinz aufgespießt. Das war natürlich unfair, weil der Bundesumweltminister als CDU-Spitzenkandidat im NRW-Wahlkampf gerade mit beeindruckender körperlicher Unverwüstlichkeit von morgens bis abends das Land abklappert.
Röttgen ist zurzeit Heimschläfer bei der Familie in Königswinter, fliegt nur noch selten nach Berlin. Mangelnden Einsatz wird ihm niemand vorwerfen. Doch fünf Wochen vor dem Wahltag läuft es alles andere als rund.
Ungewöhnlicher Affront gegen den Spitzenkandidaten
Den vorläufiger Tiefpunkt des vermurksten Wahlkampf-Auftakts bot am Mittwoch die wuchtige Schlagzeile in der „Bild“-Zeitung: „CDU-Aufstand gegen Röttgen“. Der Vorsitzende des Parteibezirks Mittelrhein, ein Europaabgeordneter namens Axel Voss, hatte dazu aufgerufen, beim Landesparteitag die gesamte Kandidatenliste für die NRW-Wahl abzulehnen. Röttgen habe treue Gefolgsleute auf der Reserveliste vorn platziert und andere Kandidaten des Bezirks Mittelrhein verdrängt, so der Vorwurf.
Ein ungewöhnlicher Affront. Röttgen hat offenbar die Empfindsamkeiten einer Landespartei unterschätzt. Auf dem Mittelrhein-Ticket wurden er selbst, seine Berliner Staatssekretärin Ulla Heinen und die türkischstämmige Quer-Einsteigerin Serap Celen hervorragend platziert, bisherige Landtagsabgeordnete wie Christian Möbius, Gregor Golland oder Andrea Verpoorten dagegen düpiert. Zudem kam der notorisch erfolglose, aber mitgliederstarke Parteibezirk Ruhr gut weg. Eine Landesliste ist eine sensible Komposition, gerade in der traditionell zerstrittenen NRW-CDU.
Landtagsabgeordnete und Fraktionsmitarbeiter fürchten um ihre Existenz
Im Landesvorstand der Partei wird inzwischen immer offener über eine „Pannenserie“ geklagt. Begonnen hatte alles damit, dass sich Röttgen nach der Auflösung des Landtags nicht festlegen wollte, ob er seine politische Zukunft auf jeden Fall in Düsseldorf sieht. Vor allem seine einst treuesten Unterstützer monierten, man könne als Frontmann nicht mit Berlin-Rückfahrkarte Wahlkampf machen, während Landtagsabgeordnete und Fraktionsmitarbeiter um ihre berufliche Existenz fürchten.
Der NRW-CDU machen zudem inhaltliche Kurswechsel Röttgens zu schaffen. Er beschwört die Landtagswahl als „Richtungsentscheidung“ weg von einer rot-grünen „Politik auf Pump“, bleibt aber konkrete Einsparvorschläge schuldig. Röttgen verwarf sogar im Vorbeigehen den Haushaltsplan der eigene Landtagsfraktion, der die Wiedereinführung von Studiengebühren und Kita-Beiträgen vorsah.
Kraft und Löhrmann pflegen derweil ihr Image
„Wir wollen keinen Sparkurs, sondern wir wollen einen soliden Wachstumskurs“, lautet das neue Credo, das die Wähler weniger schrecken soll. Bei all jenen Abgeordneten, die sich jahrelang für Studiengebühren in ihren Kreisverbänden abgekämpft haben, erzeugen solche Volten Frust.
Zum Problem scheint auch Röttgens fehlende Trittsicherheit auf den Boulevard zu werden. Während die SPD im Steuerstreit mit der Schweiz beinahe täglich medial die Kavallerie gegen flüchtige Millionäre ausreiten lässt, doziert der CDU-Spitzenkandidat umständlich über zwischenstaatliche Rechtssicherheit und Erträge für den Landeshaushalt, die sich mit einem Abkommen zwischen Berlin und Bern erzielen ließen.
Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grünen) pflegen derweil ihr Image als freundliches Regierungs-Doppel „Hanni und Nanni“. Gemeinsam verteilen sie am heutigen Donnerstag in der Bochumer Innenstadt Ostereier.