Düsseldorf. CDU-Spitzenkandidat Norbert Röttgen will die NRW-Neuwahlen zu einer Richtungsentscheidung über die Landesschulden und künftige Verteilungsspielräume machen. Im Gespräch mit Tobias Blasius und Wilfried Goebels greift der Bundesumweltminister die Regierung Kraft an.

Sie führen einen Ein-Themen-Wahlkampf. Allein mit Sparen werden Sie die Wähler kaum begeistern, oder?

Norbert Röttgen: Es geht um viel mehr. Es geht um die Zukunftschancen unserer Kinder und Enkelkinder. NRW braucht wieder einen soliden Haushalt als Grundlage für ein gesundes Wirtschaftswachstum. Obwohl NRW in diesem Jahr laut Haushaltsplan drei Milliarden Euro mehr Steuern einnehmen wird, hat die rot-grüne Landesregierung fast vier Milliarden Euro neue Schulden veranschlagt. Andere Bundesländer zahlen längst Altschulden zurück oder haben den Etat ausgeglichen. Rot-Grün in NRW fehlt dazu aber der Wille.

Sie wollen keine Rückkehr zu Studiengebühren und Elternbeiträgen im letzten Kita-Jahr Wo sparen Sie konkret?

Röttgen: Die Bürger haben ein Recht auf Verlässlichkeit. Deshalb werden wir keine Politik der „Rückabwicklung“ betreiben, wie Frau Kraft es nach der letzten Landtagswahl praktiziert hat. Wir knüpfen bei der Sanierung des Etats an unsere Regierungszeit an. Damals haben wir 90 Prozent der Steuermehreinnahmen zum Abbau der Neuverschuldung eingesetzt. Allein das Steuerabkommen mit der Schweiz würde NRW drei Milliarden Euro Mehreinnahmen bringen. Frau Kraft will dieses Geld liegen lassen – ein völlig unverantwortliches Verhalten gegenüber den Kindergärten, Schulen, Universitäten und Kommunen, die das Geld dringend benötigen.

Schwerpunkt der Investitionen bei Erziehung, Bildung und Familie

Wollen Sie bei der Bildung sparen?

Röttgen: Erziehung, Bildung und Familie sind für die Zukunft entscheidend – und in diesem Bereich muss der Schwerpunkt der Investitionen liegen. Ich halte es für unverantwortlich, dass die rot-grüne Regierung immerhin 38 Millionen Euro vom Bund, die für Kinderbetreuungsplätze bereitgestellt waren, nicht abgerufen hat. Frau Kraft glaubt, die Bürger in einem inhaltsleeren Wahlkampf mit billigen Versprechungen kaufen zu können. Unsere Alternative ist ein Ende der Politik auf Pump. Am 13. Mai geht es um die Frage, ob die SPD-Politik alten Stils weitergemacht wird, oder ob wir Politik aus den Augen unserer Kinder betreiben.

Warum dringen Sie im Wahlkampf bisher nicht wirklich durch mit Ihrer Botschaft?

Röttgen: Warten wir einmal ab. Frau Krafts Wahlkampf zielt darauf ab, dass sie nicht sagt, was sie nach der Wahl machen will. Ich rede über Inhalte und Zukunftsfragen: NRW liegt bei der Versorgung mit Kita-Plätzen und bei der Verschuldung auf dem letzten Platz der Bundesländer. Die Bürger entscheiden auf der Grundlage, welche Partei für ihre konkrete Lebenssituation die besseren Konzepte hat.

Energiewende soll Chefsache werden

Die Energiewende verunsichert die NRW-Wirtschaft. Was tun?

Röttgen: Ich werde die Energiewende nach meiner Wahl zum Ministerpräsidenten zur Chefsache machen und einen Masterplan für NRW vorlegen. Rot-Grün hat die Energiewende verschlafen, obwohl in NRW beste Voraussetzungen herrschen. Beispielsweise beträgt bundesweit der Anteil der erneuerbaren Energien 20 Prozent, in NRW sind es nur sechs Prozent.

Die ersten Wahlkampf-Wochen waren beherrscht von der Frage, ob Sie sich voll zur Landespolitik bekennen oder mit Rückfahrkarte nach Berlin antreten. Haben Sie das Problem unterschätzt?

Röttgen: Ich stelle fest, dass diese Diskussion vor allem Journalisten fasziniert. Die Bürger interessieren sich für die Zukunft ihrer Kinder. Sie wollen wissen, wie es nach der Wahl mit unserem Land weitergeht.

"Wähler gehören nicht Parteien"

Wenn die Diskussion über Ihre Zukunftsplanung auch in der NRW-CDU ausgestanden wäre, müssten Sie ja beim heutigen Landesparteitag in Mülheim ebenso nahezu einstimmig zum Spitzenkandidaten gekürt werden wie Frau Kraft bei der SPD oder Herr Lindner bei der FDP.

Röttgen: Lassen Sie uns in diesem Wahlkampf endlich über Fragen diskutieren, die für die Menschen entscheidend sind. Ich finde es zum Beispiel viel wichtiger, ob ausreichend Betreuungsplätze für Kinder geschaffen werden und ob wir endlich zu einer soliden Haushaltspolitik für dieses Land kommen, damit unsere Kinder eine gute Perspektive haben.

Beunruhigt es Sie, dass die Lindner-FDP in der Wählerschaft der CDU wildert?

Röttgen: Christian Lindner wildert nicht, denn Wähler gehören nicht Parteien. Wahlkampf ist immer ein Wettbewerb um Stimmen.

Überzeugt, dass Rot-Grün keine Mehrheit bekommt

Bislang ist nicht zu erkennen, in welcher Koalition Sie Ministerpräsident werden wollen. Ist Ihr schwarz-grüner Flirt schon wieder vorbei?

Röttgen: Wir haben mittlerweile eine neue Parteienlandschaft, deshalb ist das Lagerdenken der Parteien von gestern. Ich kämpfe dafür, dass die CDU so stark wie möglich ist. Und ich bin felsenfest davon überzeugt, das Rot-Grün keine Mehrheit bekommen wird.

Ministerpräsident Kraft punktet als beliebte und bodenständige Landesmutter. Wie wollen Sie dagegen ankommen?

Röttgen: Der Amtsbonus von Frau Kraft ist bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei anderen Ministerpräsidenten und im Übrigen nicht wahlentscheidend. Das Wichtigste in der Politik ist Glaubwürdigkeit. Man muss überzeugende Konzepte haben und mit ganzem Herzen dabei sein – und das bin ich.