Berlin. Nach wochenlangen Vorwürfen, er habe als Politiker unrechtmäßig Gefälligkeiten von befreundeten Unternehmern angenommen, hat Bundespräsident Christian Wulff sein Amt niedergelegt: Der Wortlaut seiner Erklärung.

Bundespräsident Christian Wulff hat am Freitag in Berlin seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Hier der Wortlaut der gut dreieinhalbminütigen Rede im Wortlaut:

"Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger,

gerne habe ich die Wahl zum Bundespräsidenten angenommen und mich mit ganzer Kraft dem Amt gewidmet. Es war mir ein Herzensanliegen, den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken. Alle sollen sich zugehörig fühlen, die hier bei uns in Deutschland leben, eine Ausbildung machen, studieren und arbeiten, ganz gleich, welche Wurzeln sie haben. Wir gestalten unsere Zukunft gemeinsam.

Ich bin davon überzeugt, dass Deutschland seine wirtschaftliche und gesellschaftliche Kraft am besten entfalten und einen guten Beitrag zur europäischen Einigung leisten kann, wenn die Integration auch nach innen gelingt.

Unser Land, die Bundesrepublik Deutschland, braucht einen Präsidenten, der sich uneingeschränkt diesen und anderen nationalen, sowie den gewaltigen internationalen Herausforderungen widmen kann.

Einen Präsidenten, der vom Vertrauen nicht nur einer Mehrheit, sondern einer breiten Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger getragen wird.

Vertrauen nachhaltig beeinträchtigt

Die potenziellen Nachfolger Wulffs

Joachim Gauck - hohes Ansehen über alle Parteien hinweg

Der studierte Theologe Joachim Gauck war Bürgerrechtler in der DDR und saß in der letzten, der einzigen frei gewählten DDR-Volkskammer. Der 61-jährige Rostocker leitete zehn Jahre lang die Stasi-Unterlagenbehörde und machte sich als Publizist einen Namen. Seine Kandidatur für SPD und Grüne für das Präsidentenamt 2010 brachte ihm über die Parteigrenzen hinweg hohes Ansehen ein.

Norbert Lammert - Querdenker im Bundestag

Bundestagspräsident Norbert Lammert gilt in der CDU als unabhängiger und manchmal unbequemer Kopf. Der 63-jährige promovierte Sozialwissenschaftler aus Bochum wird als geschliffener und oft humoriger Redner geschätzt. Bereits 2010 wurde ihm ein persönliches Interesse an dem Präsidentenamt nachgesagt.

Katrin Göring-Eckardt - Kandidatin mit kirchlichem Hintergrund

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt aus Thüringen genießt als langjährige Vizepräsidentin des Bundestags parteiübergreifend Respekt. Die 45-Jährige war beim Umbruch 1989 in DDR als Bürgerrechtlerin aktiv und ist Gründungsmitglied von Demokratie jetzt und Bündnis 90. Erstmals wurde die studierte Theologin 1998 in den Bundestag gewählt, ihre Schwerpunkte sind die Sozial- und Familienpolitik. 2009 wurde die Mutter von zwei Kindern zur Präses der Synode der Evangelischen Kirche gewählt.

Wolfgang Schäuble - das Urgestein der Union

Wolfgang Schäuble ist Urgestein der CDU und hat langjährige Erfahrung in Partei- und Ministerämter. Er war einst der aussichtsreiche und hoch gehandelte Nachfolger Helmut Kohls im Kanzleramt - was dieser allerdings verhinderte. Der promovierte Jurist aus Freiburg wird im Oktober 70 Jahre alt. Seit 2009 ist Schäuble Bundesfinanzminister.

Ursula von der Leyen - ehrgeizig, erfolgreich, unangepasst

Die Niedersächsin Ursula von der Leyen gilt als ehrgeizig und zielstrebig. Dabei scheut die 53-jährige Ärztin auch nicht den Konflikt mit der Union und Kabinettskollegen, wie ihre Positionen zu Betreuungsgeld und Frauenquote zeigen. Im Frühjahr 2010 kokettierte sie noch mit der Rolle als mögliche Kandidatin - wurde jedoch von Merkel ausgebremst.

Klaus Töpfer - der internationale Umweltschützer

Auch der Name des international anerkannten Umweltpolitikers Klaus Töpfer ist wieder im Rennen. Der gebürtige Schlesier hatte für die CDU bereits zahlreiche Partei- und Regierungsämter innegehabt, als er die Bundespolitik 1998 gegen den Posten als Chef des UN-Umweltprogramms UNEP tauschte. Im vergangenen Jahr leitete er die Ethikkommission, die Empfehlungen zum Atomausstieg erarbeitete. Er wäre möglicherweise akzeptabel im Lager von Koalition und Opposition, mit 73 Jahren aber auch ein Kandidat in Rentenalter.

Thomas de Maizière - Merkels Geheimwaffe

Verteidigungsminister Thomas de Maizière gilt als Merkels geheime Reserve und deshalb eigentlich als unabkömmlich in der Bundesregierung. Der promovierte 57-jährige Jurist aus Bonn kann auf jahrelange Erfahrung in Landes- und in der Bundesregierung für die CDU zurückblicken.

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Die Entwicklung der vergangenen Tage und Wochen hat gezeigt, dass dieses Vertrauen, und damit meine Wirkungsmöglichkeiten, nachhaltig beeinträchtigt sind.

Aus diesem Grund wird es mir nicht mehr möglich, das Amt des Bundespräsidenten nach innen und nach außen so wahrzunehmen, wie es notwendig ist.

Ich trete deshalb heute vom Amt des Bundespräsidenten zurück, um den Weg zügig für die Nachfolge freizumachen.

Bundesratspräsident Horst Seehofer wird die Vertretung übernehmen, Bundeskanzlerin Angela Merkel wird auf der so wichtigen Gedenkveranstaltung für die Opfer rechtsextremistischer Gewalt am Donnerstag der kommenden Woche sprechen.

Was die anstehende rechtliche Klärung angeht, bin ich davon überzeugt, dass sie zu einer vollständigen Entlastung führen wird. Ich habe in meinen Ämtern stets rechtlich korrekt mich verhalten. Ich habe Fehler gemacht, aber ich war immer aufrichtig.

Die Berichterstattungen, die wir in den vergangenen zwei Monaten erlebt haben, haben meine Frau und mich verletzt.

Ich danke den Bürgerinnen und Bürgern, die sich für unser Land engagieren, ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bundespräsidialamt und allen anderen Behörden, die ich als exzellente Teams erlebt habe.

Ich danke meiner Familie, vor allem danke ich meiner Frau, die ich als eine überzeugende Repräsentantin eines menschlichen und eines modernen Deutschland wahrgenommen habe. Sie hat mir immer, gerade auch in den vergangenen Monaten, und auch den Kindern, starken Rückhalt gegeben.

Ich wünsche unserem Land von ganzem Herzen eine politische Kultur, in der die Menschen die Demokratie als unendlich wertvoll erkennen und sich vor allem, das ist mir das Wichtigste, gerne für die Demokratie engagiert einsetzen.

Und ich wünsche allen Bürgerinnen und Bürgern, den ich mich vor allem verantwortlich fühle, eine gute Zukunft und schließe Sie alle dabei ausdrücklich mit ein.

Vielen Dank."