Berlin. Bundespräsident Christian Wulff ist auf Staatsbesuch in Italien. Daheim warten nur Spott und neue Vorwürfe. Zwar werden die Enthüllungen kleinteiliger, doch enden sie nicht. Eine Mehrheit der Bürger spricht sich in Umfragen für seinen Rücktritt aus. Und Juristen erörtern die Frage, ob er bei einem Rücktritt noch Anspruch auf Ehrensold (200 000 Euro im Jahr) hätte.

Jetzt überschreitet er den Rubikon. Christian Wulff ist auf Staatsbesuch in Italien. Ein Stück Normalität. Daheim ist sie dem Bundespräsidenten nicht mehr vergönnt. Zum Berlinale-Empfang sagten auffällig viele Künstler ab. „Es wäre mir peinlich“, spottet Regisseur Hans Weingartner, „wenn Herr Wulff mich nach Freikarten für meinen neuen Film fragt.“ Am Vortag stellten Demonstranten einen Stuhl vor Schloss Bellevue ab. Dem ersten Mann im Staat setzt man den Stuhl vor die Tür.

Es war schon die zweite Aktion seit Beginn der Affäre Mitte Dezember. So wenig Respekt war nie. Die Bürger finden Wulff sympathisch – aber nicht ehrlich. Eine Mehrheit spricht sich in Umfragen für seinen Rücktritt aus. Und Juristen erörtern die Frage, ob er bei einem Rücktritt noch Anspruch auf Ehrensold (200 000 Euro im Jahr) hätte.

Wie alles begann

Begonnen hatte alles mit einem anonymen Scheck für einen Hausbau und Wulffs Wut über Berichte. Schon damals war für ihn der Rubikon überschritten. Zwar werden die Enthüllungen kleinteiliger. Die Quelle der Peinlichkeiten aber scheint unerschöpflich zu sein. Am Wochenende wurde bekannt, dass Wulff als Ministerpräsident von Niedersachsen auch das Firmenhandy seines Freundes David Groenewold monatelang genutzt hatte. Es ist derselbe Filmproduzent, der auch eine Bürgschaft für eine Firma erhalten sollte, die nur ein Briefkastenunternehmen blieb. Die Staatsanwaltschaft Berlin befasst sich derweil mit der Überlassung von Luxuskleidern an Wulffs Ehefrau Bettina.

Negative Schlagzeilen sind den Wulffs sicher. In den Talkshows von Günther Jauch und Frank Plasberg sind „Wulff und die Amigos“ das Thema. Wieder muss CDU-Mann Peter Hintze ran. Andere Fürsprecher finden sich nur schwer. Kanzlerin Angela Merkel, Generalsekretär Hermann Gröhe. Und Hintze.

Spott über den Präsidenten

Hinter den Kulissen wird über den Präsidenten vom Stamme Nimm gespottet. Ein Minister rechnet dann vor, was ihm sein Urlaub gekostet hat und fragt, „habe ich keine Freunde?“ Ein Lacherfolg auch das Gedicht von FAZ-Herausgeber Berthold Kohler. Eine Kostprobe aus „Lummerland“: „Ein Insel mit zwei Freunden, die auch schon in München war`n...Sylt nahmen sich auch noch mit.“

Es ist eine Anspielung auf einen Urlaub auf Sylt im Jahr 2007 von Wulff und Bettina Körner, die noch nicht seine Ehefrau war. Beglichen wurde die Rechnung von Groenewold. Wulff will die Kosten in bar erstattet haben. Es ist bei ihm ein gängiges Erklärungsmuster, das aber nicht jeden überzeugt.

„Klassiker der Vorteilsname“

„Lebensfremd“, tönt der Kieler FDP-Politiker Wolfgang Kubicki. Ins Grübeln kommt auch der Bochumer Strafrechtler Klaus Bernsmann. Er führte im „Spiegel“ die Zurückhaltung der Staatsanwälte auf eine Art feudalistischen Respekt vor dem Präsidenten zurück. Die Bagatellgrenze für sozial angemessene Geschenke liege bei 25 Euro. Sich auf Urlaube einladen zu lassen, sei ein „Klassiker der Vorteilsnahme.“

Auch die Politiker sind hin- und hergerissen, weil die Bürger von Wulff auf alle schließen könnten und die Affäre den Blick in eine Grauzone lenkt: Kaum ein Fest in Berlin, das nicht gesponsert wird. Was darf man und welche Einladung ist unkoscher? Gröhe sieht die Gefahr einer Skandalisierung der Kontakte. Für jeden in der Politik sei es wichtig, „nicht nur Freunde in derselben Zunft und der gleichen Partei zu haben“. Man müsse allerdings Privates und Dienstliches klar trennen.