Berlin.. Der Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff ist in NRW parteiübergreifend begrüßt worden. Die CDU lobte ihn, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Die SPD kritisiert Kanzlerin Merkel: Nach zwei gescheiterten Präsidenten stünde es ihr nicht zu, einen weiteren Kandidaten zu benennen. Merkel will sich mit der SPD auf einen Kandidaten einigen.

Der Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff kommt bei den NRW-Politikern gut an. Selbst die CDU bewertete die Amtsaufgabe am Freitag positiv. Politiker von SPD und Grünen in Nordrhein-Westfalen rügten die Rolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) nannte den Amtsverzicht "notwendig und unvermeidlich". Es müsse "jetzt darum gehen, wieder Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das Amt des Bundespräsidenten aufzubauen", sagte Kraft. "Das nächste Staatsoberhaupt muss sich auf einen breiten politischen Konsens stützen können", forderte die SPD-Politikerin.

Laumann: Wulff hat einen klaren Schlussstrich gezogen

CDU-Fraktionschef Karl-Josef Laumann zollte Wulff Respekt und lobte die Entscheidung zum Rücktritt: "Christian Wulff hat einen klaren Schlussstrich gezogen. Er hat erkannt, dass das Amt des Bundespräsidenten in diesen Zeiten den vollen Rückhalt der Menschen in Deutschland erfordert. Dieser Rückhalt ist geschwunden."

"Dann hat die Staatsanwaltschaft in Hannover gestern die Aufhebung der Immunität beantragt. Um das Amt des Bundespräsidenten nicht zu beschädigen, hat Wulff daraus die Konsequenzen gezogen und seinen Rücktritt erklärt. Wulff handelt richtig", sagte Laumann weiter. In den vergangenen Monaten hatte er Wulff den Rücken gestärkt.

FDP-Fraktionschef Gerhard Papke bezeichnete den Rücktritt als "nachvollziehbar und respektabel". Der Liberale zollte Wulff Respekt und forderte: "Jetzt müssen die demokratischen Parteien zügig über einen geeigneten Amtsnachfolger beraten."

Landtag wählt Wahlmänner und -frauen für Bundesversammlung

Der Düsseldorfer Landtag muss nun in einer Sondersitzung Wahlmänner und -frauen für die Bundesversammlung wählen. Der genaue Termin steht nach Angaben eines Landtagssprechers vom Freitag bislang noch nicht fest. Denkbar ist eine Sondersitzung Anfang März.

Als spätester Termin für die Neuwahl des Staatsoberhaupts durch die Bundesversammlung kommt der 18. März infrage. Die nächste reguläre Landtagssitzung in NRW findet erst am 14. März statt.

Bereits nach dem Rücktritt von Bundespräsident Horst Köhler hatte der Landtag des bevölkerungsreichsten Bundeslandes im Juni 2010 kurzfristig 133 Wahlleute bestimmen müssen.

SPD lehnt parteipolitischen Alleingang der Union ab

Merkel erklärte, Wulff habe sich in seiner Amtszeit "voller Energie für ein modernes, offenes Deutschland eingesetzt". Er habe neue Impulse gesetzt und deutlich gemacht, "dass die Stärke dieses Landes in seiner Vielfalt liegt". Er und seine Frau Bettina hätten die Bundesrepublik im In- und Ausland würdig vertreten. Merkel betonte: "Ich danke ihnen beiden dafür."

Damit reagiert Merkel auf Forderungen von SPD und Grüne. „Es darf keinen parteipolitischen Alleingang geben. Deswegen erwarten wir nun von Frau Merkel, dass sie parteiübergreifend zu gemeinsamen und vertraulichen Gesprächen einlädt, um einen überparteilichen Kandidaten zu finden, der die Würde des Amtes wieder herstellen kann“, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, am Freitag in Berlin. Die Grünen-Fraktionschefs Jürgen Trittin und Renate Künast erklärten, sie hätten einen entsprechenden Brief an die Kanzlerin geschickt.

Westerwelle lobt Deutschlands Umgang mit schwierigen Situationen

Gabriel bietet Merkel "offene und faire Gespräche" an

Unmittelbar nach dem Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff hat SPD-Chef Sigmar Gabriel Bundeskanzlerin Angela Merkel "offene und faire Gespräche ohne parteitaktische Vorfestlegungen" bei der Suche nach einem Nachfolger angeboten. "Wir brauchen eine Persönlichkeit, die die Reputation des Amtes wiederherstellt", sagte Gabriel der "Goslarschen Zeitung" und fügte hinzu: "Wir tragen alle mit, die das können." Deshalb sei es auch egal, ob ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin Mitglied einer Partei sei oder nicht: "Es kann auch ein Christdemokrat sein - die Persönlichkeit zählt."

Den Rücktritt von Wulff bezeichnete Gabriel als überfällig. "Er hat verhindert, dass das Amt noch schwerer beschädigt wird, als es bereits ist", sagte Gabriel und forderte einen "Neuanfang für Deutschland". Eine besondere Verantwortung sah er bei Angela Merkel als CDU-Vorsitzende. "Das hat es noch nie gegeben, dass in sechs Jahren Kanzlerschaft dreimal ein Bundespräsident gewählt werden muss", sagte der SPD-Chef.

Horst Seehofer fordert "Achtung vor dem Amt"

CSU-Chef Horst Seehofer hat nach dem Wulff-Rücktritt alle Parteien aufgefordert, nun "mit Achtung vor dem Amt" des Staatsoberhauptes zu handeln. Seehofer betonte am Freitag in München, Wulff habe für seine Entscheidung "ungeteilten Respekt verdient". Mit diesem Schritt rücke Wulff "die Würde und die Bedeutung des höchsten Staatsamtes an die erste Stelle".

Der bayerische Ministerpräsident fügte hinzu: "Niemand hat sich diesen bedauerlichen Gang der Dinge gewünscht. Aber alle sind jetzt dazu aufgerufen, dieser Situation gerecht zu werden." In seiner Eigenschaft als amtierender Präsident des Bundesrates versicherte Seehofer, er werde die Aufgaben des Staatsoberhauptes bis zur Wahl eines Wulff-Nachfolgers "mit Respekt und Achtung wahrnehmen".

Außenminister Guido Westerwelle zollt Wulff seinen Respekt

Außenminister Guido Westerwelle zollt dem Rücktritt von Christian Wulff Respekt. "Ich respektiere die Entscheidung des Herrn Bundespräsidenten", sagte der FDP-Politiker am Freitag bei einem Besuch in der peruanischen Hauptstadt Lima. Wulffs großes Thema sei die Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionen in Deutschland gewesen. Damit habe er sich nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland große Verdienste erworben. "Wir wollen diese Arbeit fortsetzen", sagte Westerwelle. Das sei auch für das Ansehen Deutschlands in der Welt von großer Bedeutung.

Auf die Frage nach dem Einfluss der Wulff-Affäre auf das Deutschland-Bild im Ausland sagte Westerwelle: "Deutschland genießt eine sehr hohes Ansehen in der Welt, auch und gerade, weil wir wissen, wie man mit schwierigen Situationen umgeht." Die demokratischen Institutionen in Deutschland seien zuverlässig. "Das weiß man in der Welt." Die Fortsetzung der Arbeit am Thema der gesellschaftlichen Integration werde weiteres Ansehen bringen.

NRW-Landesgruppen-Chef der SPD spricht Merkel Vorschlagsrecht ab

SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer spricht Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff das Recht auf einen weiteren Vorschlag ab. Die CDU-Chefin habe bereits zwei Kandidaten vorgeschlagen, "die dem Amt nicht gewachsen waren", sagte der NRW-SPD-Landesgruppen-Vorsitzende am Freitag mit Blick auf die Gespräche über einen überparteilichen Kandidaten.

SPD und Grüne hätten in der Vergangenheit mit Gesine Schwan und Joachim Gauck sehr gute Personalvorschläge gemacht, sagte der Bundestagsabgeordnete aus Bochum. Deshalb könnten Sozialdemokraten und Grüne mit "großem Selbstbewusstsein" in die anstehenden Gespräche über einen neuen Bundespräsidenten gehen.

Schäfer: Merkel hat keine moralische und politische Legitimation für einen weiteren Vorschlag

Merkel habe "keine moralische und politische Legitimation" für einen weiteren Vorschlag, sagte der SPD-Politiker. "Politik ist nicht wie Sport, wo man drei Versuche hat, die Latte zu überspringen." 2010 war bereits Horst Köhler überraschen als Staatsoberhaupt zurückgetreten.

Die Linke, die Merkel in ihrer Ankündigung einer parteiübergreifenden Kandidatensuche nicht genannt hatte, forderte mit Nachdruck ein Mitspracherecht. "Die Bundeskanzlerin hat versäumt, die Linke als Gesprächspartnerin zu benennen, aber sie kann sich ja noch korrigieren", erklärten die Parteichefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst sowie Fraktionschef Gregor Gysi. "Um das Vertrauen in das Amt wiederherzustellen, sollte diesmal kein Parteiengezänk stattfinden", betonten sie.

Niedersachsens SPD-Chef wünscht sich eine Frau als Bundespräsidentin

Nach dem Rücktritt von Bundespräsident Christian Wulff wünscht sich Niedersachsens SPD-Landesvorsitzender Stephan Weil eine Frau an der Spitze des Staates. Es wäre eine große Chance, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik nun eine Frau zu wählen, sagte Weil am Freitag in Hannover. Der Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2013 in Niedersachsen bezeichnete es als einen Fehler, dass CDU und FDP 2010 Joachim Gauck als Kandidaten abgelehnt haben. "Die Folge ist eine Krise unseres politischen Systems."

In Niedersachsen müsse nun die politische Aufklärung um die "Grauzone zwischen Regierungsarbeit und wirtschaftlichen Kontakten" voran getrieben werden. "Das laut dröhnende Schweigen des Ministerpräsidenten muss jetzt ein Ende haben". Die SPD werde die Aufklärung konsequent einfordern, kündigte Weil an.

Piraten verlangen weiter Aufklärung der Causas Wulff

Die Piratenpartei verlangt eine schonungslose Aufklärung aller Vorwürfe gegen das Staatsoberhaupt. "Der Verdacht der Vorteilsnahme im Amt wiegt schwer", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende, Bernd Schlömer, am Freitag in Berlin. Er fügte hinzu: "Unabhängig vom Rücktritt muss es zu einer gründlichen Aufklärung der Vorwürfe kommen." Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte zuvor die Aufhebung der Immunität Wulffs beantragt.

Für die NRW-Grünen ist der Rücktritt von Christian Wulff  "ein längst überfälliger Schritt", das erklärte der Vorsitzende der NRW-Grünen, Sven Lehmann."Nicht die Medien oder die Opposition, sondern Wulff selber habe laut Lehmann das Amt des Bundespräsidenten beschädigt. Der wochenlange Schlingerkurs bei der Aufklärung der Vorwürfe gegen ihn sei eines Bundespräsidenten unwürdig gewesen

Wulff hatte am Vormittag seinen Rücktritt erklärt

Der seit Wochen durch Affären angeschlagene Wulff hatte am Vormittag seinen Rücktritt erklärt. Die Staatsanwaltschaft Hannover hatte am Donnerstag die Aufhebung der Immunität des Staatsoberhauptes beantragt, da sie dem Vorwurf der Vorteilsnahme während seiner Zeit als Ministerpräsident in Niedersachsen nachgehen will.

Wulff hatte sich 2010 bei der Präsidentenwahl gegen den ehemaligen Bürgerrechtler in der DDR, Joachim Gauck, durchgesetzt, der für SPD und Grüne ins Rennen gegangen war. Gauck zählt immer noch zu den potenziellen Nachfolge-Kandidaten. (dapd, rtr)