Berlin. .

Schnörkellos verlief Christian Wulffs Leben nie. Dazu passt auch die Zitterpartie seiner Wahl. Ein Porträt.

Aller guten Dinge sind drei. Hat er in Niedersachsen nicht drei Anläufe gebraucht, um Ministerpräsident zu werden? Einfach und schnörkellos verlief Christian Wulffs Leben nie. Aber der Mann hat seine Ziele stets erreicht. Auch jetzt. Seit Mittwoch ist er der Hausherr in Schloss Bellevue. Er hat es geschafft - im dritten Wahlgang. Wulff ist der neue Bundespräsident. Und weil Horst Köhler mit sofortiger Wirkung zurückgetreten ist, trat Wulff das Amt umgehend an. Am Freitag wird er als Staatsoberhaupt vereidigt. Dann kommt es auch zur Begegnung mit Horst Köhler.

Schon in den nächsten Tagen dürften die erste Antrittsbesuche im Ausland anstehen. Und am Freitag sind er und seine Frau als Gastgeber des traditionellen Sommerfests im Garten von Schloss Bellevue gefordert. Er hat keine Zeit, sich politisch zu akklimatisieren oder sich in Ruhe ein Team auszusuchen. Sein Anliegen ist bekannt: Er will den Zusammenhalt stärken, auch die Kluft zwischen Politik und Bürgern überwinden. Die erste Grundsatzrede hat sich der bisherige niedersächsische Ministerpräsident für den 3. Oktober vorgenommen, für den Tag der deutschen Einheit.

Nicht die erste Schramme

Bettina Wulff. Foto: Michael Kappeler/ddp
Bettina Wulff. Foto: Michael Kappeler/ddp © ddp

Seine Wahl war eine Zitterpartie. Nichts für schnell reizbare und erregbare Menschen. Wulff hat einen niedrigen Blutdruck. Er macht aus jeder Situation das Beste. Die erste Schramme war die Wahl nicht. „Er hat immer wieder Niederlagen einstecken müssen“, erzählt sein bisheriger Minister Uwe Schünemann.

Auf eine unbeschwerte Jugend blickt Wulff nicht zurück. Nicht finanziell, Wulff stammt aus kleinen Verhältnissen. Ebenso wenig familiär. Wulff war 16 Jahre alt, als die Mutter an Multipler Sklerose erkrankte. Während seine Altersgenossen feierten, trug Wulff die gelähmte Mutter vom Sofa zum Rollstuhl und ins Bett oder passte auf die Geschwister auf. Nebenbei zettelte der spätere Jurist auch noch einen Unterhaltsprozess gegen den Stiefvater an, der die Familie verlassen hatte. Wulff ist der klassische Aufsteiger, und eigentlich könnte man sich einen Mann mit seiner einer Vita auch ganz gut in der SPD vorstellen. Stattdessen wurde die CDU zu Wulffs Ersatzfamilie. Das darf man ruhig wörtlich nehmen.

Vor ein paar Tagen ist er erst 51 Jahre alt geworden. Wulff ist das jüngste Staatsoberhaupt und zugleich der erste Katholik im Amt seit Heinrich Lübke (1959 bis 1969). Mit ihm und seiner Frau Bettina zieht eine Familie mit Kleinkindern in Schloss Bellevue ein. Sie ist berufstätig und kein Anhängsel, wie einige Christdemokraten am Vorabend der Wahl mitbekamen. Da standen sie Schlange, um sich mit den Wulffs fotografieren zu lassen. Seine Frau machte zwei, drei Fotos mit. Dann wurde es ihr zu bunt. Sie drehte sich um und ging. Er trottete hinterher, klar.

Merkel macht Rivalen zum Präsidenten

Dass die Wulffs die Bewerbung als Duo angingen, darf man getrost annehmen. Ohnehin spannt das Amt den jeweiligen Partner wie selbstverständlich fürs Protokoll ein. Und Bettina Wulff musste man nicht erst gut zureden, die Rolle der Frist Lady zu übernehmen. Merkel ist nach ihren eigenen Worten froh, dass Wulff und seine Frau bereit gewesen sind, „Ja“ zu sagen.

Mit Wulff machte Merkel just den Mann zum Bundespräsidenten, der in der CDU das Potenzial hatte, zu ihrem gefährlichsten Rivalen aufzusteigen. Er ist auf zurückhaltende Art zielstrebig und darin der Kanzlerin nicht unähnlich. Auf den ersten Blick wirken sie fast machtvergessen. Das ist freilich ein Trugschluss.

Wulff ist kein Mahnonkel, kein charismatischer Redner wie sein Gegenkandidat Joachim Gauck. Seine Empfehlung sind seine Jahre als Ministerpräsident in Niedersachsen; die Betonung lag zuletzt auf „Präsident“. Er regierte das Land geräuschlos und konsensorientiert. Über sich selbst sagt Wulff: „Ich habe nie polarisiert. Ich war nie so ein Lautsprecher und habe immer auf die Zwischentöne geachtet.“

1994 versuchte er das erste Mal, in die Staatskanzlei einzuziehen. Bis 2003 sollte es dauern. So viel zu Wulffs Steherqualitäten, zu seiner Geduld und zu seiner Fähigkeit, sich durchzubeißen, Demütigungen auszuhalten, ohne an ihnen zu zerbrechen. Niedersachsen war ihm schon lange zu klein. Im Grunde saß Wulff saß auf gepackten Koffern. Der Umzugswagen für die Wulffs kann kommen. Ihnen steht Schloss Bellevue offen.