Essen. Am Gymnasium fand Lina König keine Stelle. Nun arbeitet sie an einer Förderschule in NRW. Sie bereut die Entscheidung - „ich kämpfe jeden Tag.“

Lina König wollte schon immer Lehrerin werden, am liebsten am Gymnasium. „Ich finde es schön, die Kinder bei ihrer Entwicklung zu begleiten“, sagt die junge Frau aus NRW. Doch ihr Traum ist vorerst geplatzt. Lina König, die eigentlich anders heißt, wurde an eine Förderschule abgeordnet. Täglich arbeitet sie nun an der Belastungsgrenze.

Lesen Sie hier das Protokoll einer jungen Frau, die schon öfter daran gedacht hat, aufzuhören: „Ich habe Angst, dass ich krank werde. Angst davor, dass ich in ein paar Jahren endlich an mein Wunschgymnasium komme und plötzlich merke: Ich kann nicht mehr. Bei der Vorstellung werde ich emotional. Denn Lehrerin zu sein ist mein Traumberuf.

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Lina König aus NRW: Vom Gymnasiallehramt an die Förderschule

Doch anstatt nach meinem Lehramtsstudium wie geplant am Gymnasium zu unterrichten, bin ich als Lehrerin an eine Förderschule abgeordnet worden. In meinem Bezirk sind gerade keine Gymnasialstellen frei. Das dauert noch ein paar Jahre. Aus Panik davor, keine Arbeit zu finden, habe ich die Abordnung angenommen – obwohl ich dafür nicht ausgebildet bin. Mein Alltag funktioniert nach dem Prinzip „Learning by Doing“.

Ich unterrichte Fächer, die ich nicht studiert habe. Dazu kommt, dass viele meiner Schülerinnen und Schüler emotionale und soziale Defizite haben, sie können nur schwer Vertrauen aufbauen. Es kommt oft vor, dass die Stimmung in der Klasse vom einen auf den anderen Moment kippt. Dann fangen die Kinder an, sich zu prügeln oder greifen die Lehrkräfte an.

„Es ist jeden Tag eine Herausforderung, mich selbst zu schützen“

Erst neulich hatte ich so einen Schock-Moment: Ein Schüler aus meiner Klasse war in eine heftige Prügelei verwickelt. Während meine Kollegen dazwischen gegangen sind, bin ich stehen geblieben. Ich war so überfordert. Die intensive Förderung und Betreuung, die die Kinder hier brauchen, kann ich nicht leisten. Ich habe das weder gelernt, noch schaffe ich das charakterlich.

Meine Klasse kann ich niemals aus den Augen lassen, weil ich mich nicht darauf verlassen kann, dass es friedlich bleibt – eine Verantwortung, die ich kaum aushalte. Die Kollegen unterstützen mich zwar sehr und ich kann immer auf sie zählen. Trotzdem ist es jeden Tag eine Herausforderung für mich, mich selbst zu schützen.

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Eine Möglichkeit ist natürlich, aus dem Job auszusteigen. Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Aber ich möchte meinen sicheren Job nicht so einfach aufgeben. Und vor allem möchte ich eine gute Gymnasiallehrerin werden. Dafür kämpfe ich jeden Tag.“

Unter welchen Umständen Lehrerinnen und Lehrer an andere Schulen abgeordnet werden dürfen, ist im Landesbeamtengesetz und im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder geregelt. Demnach dürfen Lehrer an andere Schulen versetzt werden, wenn andernfalls an diesen Schulen aufgrund von Lehrermangel der Unterricht gekürzt werden müsste, erklärt Ayla Celik, Landesvorsitzende der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft.

Welche Lehrkraft an welche Schule abgeordnet wird, werde immer im Einzelfall von der zuständigen Schulaufsichtsbehörde geprüft. Dabei seien laut Celik mehrere Faktoren entscheidend, die angeben, wie lange der Lehrermangel an einer Schule voraussichtlich bestehe. Die Rechtslage erlaube zudem, dass Lehrer auch ohne ihr Einverständnis abgeordnet werden dürfen, so Celik.

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