Ruhrgebiet. Digitalisierung, Schulessen, Unterrichtsqualität: Die Eltern der Region haben in unserem Familien-Check die Schulen bewertet. Fünf Erkenntnisse.

Wie bewerten die Eltern Zustand und Ausstattung der Schulen, was denken sie über den Digitalen Unterricht, das Schulessen, die Atmosphäre und die Unterrichtsqualität. Ein „Zeugnis für die Schulen“ haben die Leserinnen und Leser dieser Zeitung geschrieben. Rund 8300 Menschen aus der Region haben sich an unserem „Familien-Check“ beteiligt. Die Online-Umfrage ist nicht repräsentativ, weil die Teilnehmer nicht als Querschnitt der Bevölkerung ausgewählt wurden. Die Bewertungen sind als Hinweise zu verstehen – und in manchen Fällen als Warnsignale. Dies sind die fünf wichtigsten Erkenntnisse.

Der bauliche Zustand der Schulen in der Region ist schlecht.

Die Bestnote „befriedigend plus“ (2,7) wird nur in Gladbeck und Velbert bei Gymnasien und in Gelsenkirchen bei Grundschulen erreicht. In vielen Städten werden Zustand und Ausstattung insgesamt mit „3-“ bewertet. Gesamt- und Realschulen liegen dabei häufig im Bereich „ausreichend“. Wie kam es zu diesem Sanierungsstau?

„Viele Gebäude sind früher nicht so gebaut worden, dass sie den heutigen pädagogischen Standards entsprechen“, sagt Dennis Neumann, Fachleiter Schule in Dortmund (Gesamtnote Zustand/Ausstattung: 3). „Zum Beispiel war früher Frontalunterricht Standard, jetzt wird häufig in Kleingruppen unterrichtet, wofür Differenzierungsräume gebraucht werden.“ Hinzu kämen der Ganztags-Rechtsanspruch und die Rückkehr zum Abitur nach dreizehn Jahren. „Und seit 2015 erleben wir, dass die Schülerzahlen wieder deutlich steigen – entgegen der Prognosen. Viele Städte haben davor Schulraum abgebaut. Dortmund investiert jedes Jahr zwischen 110- und 130 Millionen Euro in die Schulgebäude. Was auch schwer wiegt, dass die Kapazitäten in der Bauwirtschaft begrenzt sind.“

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Die Gesamtschulen schneiden oft deutlich schlechter ab als Gymnasien, was Zustand, Digitalisierung und Unterrichtsqualität angeht. Realschulen werden meist noch schlechter bewertet.

Eine Stadt, in der es anders läuft, ist Dortmund. Hier liegen die Gesamtschulen beim Digitalen Unterricht (1,9) vor den Gymnasien (2,8), die Atmosphäre ist im Städtevergleich die beste (2,5) und die Unterrichtsqualität (2,2) liegt auf einem Niveau mit den Gymnasien (2,1) – beides Spitzenwerte in der Region.

„Die Gesamtschulen haben hier einen sehr guten Ruf“, erklärt Neumann, „auch weil das Angebot den Nerv der Zeit trifft: Es gibt eine große Erfahrung beim Ganztagsangebot, das Mittagessen gehört standardmäßig dazu, und das längere gemeinsame Lernen spricht viele Familien an. Es soll auch eine neue Gesamtschule gebaut werden.“

Für den Unterricht selbst ist das Land zuständig, aber „gute Rahmenbedingungen“ zu schaffen, das sei Schwerpunkt der Stadt, erklärt Dennis Neumann. Eine gute Unterrichtsqualität ist jedoch kein Zufall, sondern eine Frage der Strategie.

Digitaler Unterricht ist eine Frage des politischen Willens, nicht des Geldes

Ein Zusammenhang zwischen Verschuldung und iPad-Dichte lässt sich keineswegs aus dem Familien-Check ablesen. Im Gegenteil: Das hoch verschuldete Mülheim ist zwar Schlusslicht der Region beim Digitalen Unterricht (3,2), zumindest in der Wertung der Eltern. Aber das finanziell ebenfalls gebeutelte Gelsenkirchen ist Spitzenreiter (2,2). Wie haben die das geschafft?

Die kurze Antwort: Verwaltung und Politiker wollten es so. Die lange: Gelsenkirchen war eine der ersten Städte, die 2019 Geld aus dem Digitalpakt des Landes beantragt hat. Im ersten Schritt brachte das 25.000 Euro je Schule – das entsprach 60 Geräten. Ein Zehntel musste die Stadt selbst dazutun. Und Gelsenkirchen war weiterhin beharrlich unter den ersten, die Förderanträge stellten – vor allem das europäische Programm „React-EU“ war wichtig. Vor recht genau einem Jahr war das Ziel erreicht: Jedes Kind hat nun ein iPad.

Allerdings geht in Gelsenkirchen nicht unbedingt eine besonders gute Unterrichtsqualität damit einher. Note 2,5 über alle Schulformen ist formal Schlusslicht der Region – allerdings liegen die Werte recht nah beieinander. Dortmund dagegen erreicht bei der Unterrichtsqualität Spitzenwerte (2,2) wie auch bei der Digitalisierung (2. Platz).

„Schon im Jahr 2002 gab es den ersten Medienentwicklungsplan.“, erklärt der dortige Fachleiter Schule Dennis Neumann: „Auch darum gibt es in Dortmund bereits über 70.000 iPads für Schüler. Alle Lehrkräfte sind ausgestattet. Fast jeder Klassenraum verfügt über ein interaktives Display, über das man die Inhalte präsentieren kann.“ Aber damit ist es nicht getan.

Es braucht auch Wlan, idealerweise einen Glasfaseranschluss. Die Städte schaffen Software an, Lern-Apps etwa oder ein Digitales Klassenbuch. „Auch ergänzende Ausstattung wie 3D-Drucker, Sensoren, Legoroboter sind förderlich“, sagt Neumann. „Wenn man das alles konzeptionslos angeht, kann man sicher sein, dass es am Ende nicht zusammen funktionieren wird.“ Die Lehrerfortbildung ist zwar in erster Linie Landessache, aber sowohl Gelsenkirchen als auch Dortmund unterstützen dies mit einem eigenen Angebot.

Das Schulessen wird fast durchgehend mit befriedigend bis ausreichend bewertet.

Man muss vorsichtig sein mit Urteilen, wie der Blick nach Bochum zeigt. Die Eltern haben dem Schulessen in der Stadt die Note „befriedigend minus“ gegeben, die Gymnasien schneiden sogar nur mit „ausreichend“ (4,1) ab – Schlusslicht in der Region. Doch entscheidender als die Frage „Schmeckt’s?“ ist vielerorts: „Gibt’s was?“

Denn das System ist im Umbruch. Ein Vertrag mit dem Caterer Stattküche aus Lippstadt ist im Sommer ausgelaufen, eine Ausschreibung für alle 19 weiterführenden Schulen blieb ohne Bewerber. Die Stadt schrieb neu aus, so dass man sich auch für einzelne Schulen bewerben konnte. Vor allem entfiel die Pflicht, Ausgabepersonal bereitzustellen. In sieben Schulen blieb Stattküche Caterer – dort ist man sehr zufrieden. Doch noch immer stehen zwölf weiterführende Schulen in Bochum ohne Schulessen da. Das Personal ist der Haken für einen Bewerber. Die Stadt will dieses nun separat ausschreiben, einstweilen sollen, wo möglich, Ehrenamtliche einspringen.

Zwischenzeitlich gab es Übergangslösungen, doch die kamen nicht immer gut an. An einer Schule meldeten sich zwei Drittel der Kinder ab – auch weil der Preis von 3,80 Euro auf fünf Euro gestiegen war.

Die Lehre daraus: Der Personalmangel schlägt voll durch. Die Teuerung sowieso. Stadtverwaltungen müssen das mitdenken. Wo immer derzeit neue Verträge geschlossen werden, kommt es zu Preissteigerungen für die Eltern. Und wenn die individuelle Schmerzgrenze erreicht ist, wenden sich viele ab. Schulessen wird zur sozialen Frage.

Über die Hälfte aller Eltern macht sich Sorgen wegen „gefährlichen Verkehrs“ auf dem Schulweg.

Das Ruhrgebiet ist dicht bebaut. Insofern mag es nicht überraschen, dass der Verkehr die größte Sorge der Eltern ist, was den Schulweg angeht. Dass sich aber durchgehend mehr als die Hälfte aller Eltern sorgt – mit Ausnahme von Heiligenhaus (35%) – ist doch überraschend. In Gladbeck (66%) und Herne (65%) haben sogar zwei Drittel aller Eltern Bedenken. Gefolgt von Dortmund (61%) und Essen (57%).