Essen. Twitter, Facebook, Blogs & Co.: Im Iran kämpft die Opposition nach dem angeblichen Wahlsieg Ahmadinedschads im Internet um Öffentlichkeit - an der Zensur vorbei. Viel Unterstützung bekommen sie dabei von Usern aus aller Welt. Derweil versuchen die Behörden, den Protest mundtot zu machen.

140 Zeichen des Protests: Der digitale Kommunikationsdienst „Twitter“ wird bei der Vermittlung von Nachrichten der oppositionellen Organisationen im Iran immer wichtiger. „Über das Fernsehen erfahren meine iranischen Verwandten nichts, das Internet ist schon seit vielen Tagen die wichtigste Informationsquelle“, sagt Houssein Khorrami, Mitglied im Essener Integrationsbeirat. Zwar werden nach der SMS-Blockade auch Seiten wie Twitter und Facebook gesperrt, aber Ahmadinedschad-Gegner publizieren wider der Zensur im Netz: „Wer technisch versiert ist, weiß auch wie er die Sperren umgehen kann“, so Houssein Khorrami, der seit 31 Jahren Mitglied der sozialistischen Fadaian Khalgh Partei im Iran ist.

Hauptsache anonym

Wie das funktioniert, erklärt Frank Rieger vom Chaos Computer Club: So versuchten die iranischen Behörden den Zugang ins Netz einzuschränken, indem sie die Zahl der Außenanbindungen – der sogenannten Provider – reduzieren. Nur noch sieben sind es derzeit landesweit, schätzt Rieger. Diese Anbindungen werden dann gefiltert: Alles, was (wie Twitter) nicht genehm ist, wird geblockt. Umgehen könne man diese Zensur, „indem man anstatt über das Twitterportal selbst Nachrichten zu senden, E-Mails oder Messangers benutzt. Außerdem lassen viele über Freunde, die im Ausland wohnen, Neuigkeiten verbreiten.“ Eine andere Methode sei die Nutzung von Anonymisierungsdiensten.

Straßensperre für ausländische Journalisten

Auf diese Weise werden gar vollständige Namen von Todesopfern und Attackierten über die kurzen Twitter-Tweets veröffentlicht. Was authentisch ist und was nicht, ist dabei oftmals schwer nachzuvollziehen. Dennoch sind bei den Nutzern die Stichworte #IranElection oder #Tehran derzeit unter den gefragtesten Suchbegriffen. „Alle Läden etc. sind geschlossen, Banken haben nur bis 13 Uhr geöffnet. Die Geistlichen machen mit beim Streik, bis es eine Neuwahl gibt“, twittert eine Userin auf deutsch über Aktuelles in der iranischen Hauptstadt. Von einer „Straßensperre für ausländischen Journalisten“ berichtet eine andere. Diese Nachricht verbreitet sich über Twitter schon eine gute viertel Stunde bevor die Nachrichtenagenturen die Meldung veröffentlichen: Auf Anordnung iranischer Behörden dürfen ausländische Reporter keine Interviews auf Straßen und Plätzen mehr führen, sondern nur noch am Telefon.

Wie brutal die iranischen Sicherheitskräfte mit den Protestierenden umgehen, wird ebenso in 140 Zeichen verbreitet wie kurze Verhaltenstipps für Demonstrationen gegeben werden. Bilder der blutigen Auseinandersetzungen lassen sich in Videoportalen wie YouTube oder auf Fotoplattformen flickr finden - meist wird auf weiterführende Blogs in persischer Sprache verlinkt. Die in Köln lebende Iranerin Akhtar Ghasemi etwa speist in ihren Blog immer wieder aktuelle Fotos aus dem Iran ein.

"Filmt so viel wie möglich!"

Unterstützung bekommen die Ahmadinedschad-Gegner von Usern aus der ganzen Welt: „Der einzige Weg den Iranern zu helfen, ist Twitter weiterhin online zu halten!”, meint etwa Nutzer Xiong Shui. Aufrufe wie „Filmt so viel wie möglich mit der Handykamera!“ oder „Kämpft gegen die Zensur!“ werden gepostet. Wie die Nachrichtenagentur AP berichtet, wollte Twitter den Dienst am Montag für 90 Minuten zu Wartungszwecken abschalten, verschob das aber um einen Tag auf eine nächtliche Uhrzeit - wegen „der Rolle, die Twitter derzeit als wichtiges Kommunikationsmittel im Iran spielt“, hieß es zur Begründung auf der Webseite.

Twitter-User, die über die aktuellen Entwicklungen im Iran berichten: