Jekaterinburg/Teheran. Journalisten dürfen nicht mehr auf offener Straße im Iran berichten. Staatschef Mahmud Ahmadinedschad hat derweil das unwiderrufliche Ende der Weltmächte ausgerufen. Staatliche Medien haben erstmals Tote bei den Demonstrationen bestätigt.

Wie so eben gemeldet wird hat die iranische Regierung jetzt allen Journalisten ausländischer Medien eine Berichterstattung auf offener Straße verboten.

Während der Iran von den heftigsten Oppositionsprotesten seit Jahren erschüttert wird, hat Staatschef Mahmud Ahmadinedschad im fernen Russland über das Ende der Großmächte philosophiert. Breit grinsend sprach der unter Manipulationsverdacht wiedergewählte Präsident am Dienstag in Jekaterinburg vor der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) und verkündete: «Die kapitalistische Ordnung zieht sich zurück.» Es sei «vollkommen klar, dass die Ära der Weltmächte vorbei ist und nie wiederkommen wird».

Besonders seinen Lieblingsfeind USA nahm der mit einem schwarzen Anzug bekleidete iranische Staatschef aufs Korn. Die USA seien «überwältigt von einer politischen und wirtschaftlichen Krise», rief Ahmadinedschad. Die Proteste Hunderttausender auf den Straßen der iranischen Hauptstadt Teheran gegen seinen Wahlsieg erwähnte er dagegen mit keinem Wort.

Ahmadinedschad traf am Dienstag trotz der Massenproteste zu einem Gipfeltreffen in Russland ein. Er wollte in Jekaterinburg im Ural an einer regionalen Sicherheitskonferenz teilnehmen. Ursprünglich hatte der iranische Präsident seine Ankunft auf dem Gipfeltreffen bereits für Montag angekündigt. In letzter Minute verschob er seine Reise jedoch - offenbar wegen der Massendemonstrationen.

Iranische Medien bestätigen Tote

Derweil haben die staatlichen iranischen Medien erstmals bestätigt, dass bei Zusammenstößen nach einer Großdemonstration in Teheran Menschen ums Leben kamen. Im Rundfunk war am Dienstag die Rede von sieben Toten nach Protesten gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Die Opposition sprach jedoch von wesentlich mehr Opfern. Der islamische Wächterrat erklärte sich unterdessen bereit, angefochtene Wahlergebnisse neu auszuzählen.

Der iranische Rundfunk berichtete, die sieben Opfer seien bei einem Schusswechsel am Montagabend umgekommen. Zuvor hätten mehrere Menschen versucht, «eine militärische Einrichtung anzugreifen». Der iranische Exilpolitiker Mehran Barati-Novbari sprach im rbb-inforadio indes von deutlich höheren Zahlen von Toten und Verletzten, als von der Teheraner Regierung angegeben: Man könne die Namen von 22 Toten landesweit sowie von 136 Verletzten nennen. Der Widerstandsrat sprach von mindestens zehn Toten.

Zu der Großkundgebung auf dem Asadi-Platz waren hunderttausende Anhänger des nach offizieller Lesart unterlegenen Reformkandidaten Mir Hossein Mussawi gekommen. Der Protestzug war fast zehn Kilometer lang. Als sich die Menge nach Einbruch der Dunkelheit aufzulösen begann, versuchte eine Gruppe Demonstranten, das Gebäude einer mit den Revolutionsgarden verbundenen Freiwilligenmiliz am Rand des Platzes in Brand zu stecken und zu stürmen. Daraufhin wurden aus dem Gebäude Schüsse auf die Demonstranten abgegeben.

"Wir müssen diese Lüge beenden"

Mussawi gab sich bei der Kundgebung unnachgiebig und forderte zum weiteren Widerstand gegen den Wahlbetrug auf: «Wir müssen diese Lüge beenden und gegen den Betrug aufstehen.» Er selbst sei bereit, dafür jeden Preis zu zahlen. «Sonst bleibt nichts übrig vom Vertrauen der Menschen in die Regierung und das herrschende System.»

Ein Sprecher des Wächterrats, Abbas Ali Kadchodaei, kündigte am Dienstag an, es würden diejenigen Wahlbezirke neu ausgezählt, deren Ergebnisse strittig seien. Wie viele und welche Wahlbezirke betroffen sind, war zunächst nicht bekannt. Auch wann die Nachzählung beginnen soll, wurde nicht mitgeteilt.

Das geistliche Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Chamenei hatte das Expertengremium islamischer Rechtsgelehrter am Montag mit einer Überprüfung der Wahlergebnisse beauftragt. Mussawi zeigte sich aber skeptisch, dass der Wächterrat das seiner Ansicht nach gefälschte Ergebnis annullieren werde.

Barack Obama äußerte sich besorgt über die Lage im Iran. Es sei Sache der Iraner, über ihre Führung zu bestimmen. Aber «ich bin bin tief besorgt angesichts all der Gewalt, die ich im Fernsehen gesehen habe», sagte Obama. Die demokratischen Abläufe wie freie Meinungsäußerung und das Recht auf friedliche Proteste seien universelle Werte, die respektiert werden müssten, sagte Obama.

Zentralrat der Juden bezeichnet Regime als grausam

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die Bundesregierung und die internationale Staatengemeinschaft zur Unterstützung der Opposition im Iran aufgerufen. Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch erklärte am Dienstag in München, die Führung in Teheran müsse in die Schranken gewiesen werden, «mit allen Mitteln, die der internationalen Völkergemeinschaft dafür zur Verfügung stehen». Knobloch forderte auch, dass gegen die Verletzungen der Menschenrechte im Iran deutlich Stellung bezogen werden müsse.

"Gewalttätige Sondereinheiten, die wahllos auf friedliche Demonstranten einprügeln, verdeutlichen mehr denn je den grausamen und menschenverachtenden Charakter des Regimes in Teheran», hob Knobloch hervor. Sie fügte hinzu: «Wer das eigene Volk auf solch autoritäre und brutale Weise behandelt und zudem seit Jahren anderen Staaten des Nahen Ostens offen mit der Vernichtung droht, hat seinen Platz in der Gemeinschaft zivilisierter Völker verspielt. « Mit «solch unberechenbaren und brutalen Autokraten» dürfe nicht verhandelt werden. (afp/ap)