Berlin. Spätestens seit der Wahl des Bundespräsidenten ist Twitter den meisten Politikern ein Begriff. Schließlich machte das Wahlergebnis dort die Runde, ehe es offiziell verkündet war. Vergleichbares fürchten viele nun auch für die Bundestagswahl. Und denken deshalb über einen Schweigekodex nach.
Bei Bundeswahlleiter Roderich Egeler und Politikern aller Parteien wächst die Sorge über eine unzulässige Beeinflussung der Bundestagswahl durch Kurznachrichten im Online-Dienst Twitter. Im Gespräch mit dem «Spiegel» äußerten sie die Befürchtung, dass so Ergebnisse der Wahlnachfragen am 27. September noch vor Schließung der Wahllokale bekannt werden könnten. Bereits bei der Wahl des Bundespräsidenten im Mai hatten Mitglieder der Zählkommission den Erfolg von Amtsinhaber Horst Köhler über Twitter vorzeitig bekanntgemacht.
Damit die Fernsehanstalten bereits unmittelbar nach Schließung der Wahllokale eine Prognose abgeben können, befragen die Meinungsforschungsinstitute seit vielen Jahren Wähler in ausgewählten Bezirken nach der Stimmabgabe über ihre Entscheidung. Die Ergebnisse dieser Wahlnachfrage dürfen aber keinesfalls vor 18.00 Uhr veröffentlicht werden. Obwohl bei Verstößen dagegen Geldbußen bis zu 50.000 Euro drohen, gilt ein Missbrauch mit Blick auf Twitter als nicht mehr ausgeschlossen. Denn die Institute informieren auch die Parteien traditionsgemäß vorzeitig über die Zahlen.
«Kodex des Stillschweigens» vorgeschlagen
«Es wäre der GAU, wenn die Wählerbefragungen vor Schließung der Wahllokale öffentlich bekannt würden», zitiert das Hamburger Nachrichtenmagazin Bundeswahlleiter Egeler. Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz äußerte die Befürchtung, dann könnten sich Netzwerke bilden, um mit den Ergebnissen der Exit-Polls Wähler noch in letzter Minute zu mobilisieren. Der Bundestagsabgeordnete forderte daher sogar, «über ein Verbot der Wählerbefragungen nachzudenken».
Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär plädierte dafür, alle Eingeweihten auf einen «Kodex des Stillschweigens» zu verpflichten. Der Bundeswahlleiter will in den nächsten Wochen mit den Umfrageinstituten über notwendige Sicherungsmaßnahmen beraten. Sollte die Vertraulichkeit nicht anders gewahrt werden können, sollte «der Gesetzgeber darüber nachdenken, ob die Nachbefragungen der Wähler weiter zugelassen werden», empfahl Egeler.
SPD-Experte Wiefelspütz räumte aber ein, dass die Verabschiedung entsprechender Gesetzesregelungen kaum noch in der zu Ende gehenden Legislaturperiode zu schaffen wären. (ap)