Teheran. Laut einem iranischem Radio sind sieben Menschen bei den Unruhen im Iran getötet worden. US-Präsident Barack Obama zeigt sich äußert beunruhigt und warnt vor einem Blutvergießen. Der unterlegene Präsidentschaftskandidat Mussawi hat sich für eine Wiederholung des Wahlgangs ausgesprochen.

Bei Zusammenstößen nach der Großdemonstration in Teheran gegen die umstrittene Wiederwahl des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad sind nach Angaben des staatlichen Rundfunks sieben Menschen getötet worden. Sie seien bei einem Schusswechsel ums Leben gekommen, nachdem mehrere Menschen am Montagabend versucht hätten, «eine militärische Einrichtung anzugreifen», hieß es am Dienstag im iranischen Radio.

Es war die erste Bestätigung für einen Zwischenfall nach der Großkundgebung am Asadi-Platz, bei der hunderttausende Anhänger des nach offizieller Lesart unterlegenen Reformkandidaten Mir Hossein Mussawi friedlich demonstriert hatten. Der Radiobericht nannte nur wenige Einzelheiten, die Beschreibung der Ereignisse deckte sich jedoch mit einem Zwischenfall, der von Augenzeugen und einem Fotografen der Nachrichtenagentur AP beobachtet worden war.

Als sich die Menge nach Einbruch der Dunkelheit aufzulösen begann, versuchte eine Gruppe Demonstranten, das Gebäude einer mit den Revolutionsgarden in Verbindung stehenden Freiwilligenmiliz am Rand des Platzes in Brand zu stecken und zu stürmen. Daraufhin gaben Personen in dem Gebäude Schüsse auf die Demonstranten ab. Dabei wurde nach Angaben eines AP-Fotografen mindestens ein Mensch getötet und mehrere weitere schwer verletzt.

Am Montag hatten in der Hauptstadt Teheran hunderttausende Anhänger des nach offizieller Lesart unterlegenen Reformkandidaten Mir Hossein Mussawi friedlich demonstriert.

US-Präsident Barack Obama hat sich «tief beunruhigt» über die Gewalt nach der Präsidentenwahl im Iran gezeigt. Der Druck für eine Untersuchung der Vorwürfe der Wahlfälschung dürfe jedoch nicht zu Blutvergießen führen, sagte Obama am Montag in Washington. Gleichzeitig betonte er, es sei falsch, angesichts der beunruhigenden Nachrichten zu schweigen. Er gehe davon aus, dass die iranische Führung die «Unregelmäßigkeiten» bei der Wahl untersuchen werde, sagte Obama am Montag (Ortszeit) in Washington.

Obama bietet direkte Diplomatie an

Obama bekräftigte auch nach der Wiederwahl von Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad sein Angebot einer direkten Diplomatie mit der Islamischen Republik. Harte Diplomatie «ohne Illusionen» über den Iran und die Differenzen zwischen beiden Ländern sei für die nationale Sicherheit der USA von entscheidender Bedeutung, erklärte der US-Präsident.

Bei der Zahl von Verletzten und Toten bei den Demonstrationen ist die Nachrichtenlage weiter unklar. Ein iranischer Fotograf sagte, er habe in Teheran eine Leiche gesehen. Der Demonstrant sei durch eine Schusswunde ums Leben gekommen. Wie ein AFP-Korrespondent berichtete, fielen am Ende der Demonstration mit hunderttausenden Teilnehmern Schüsse, auch Tränengas wurde eingesetzt. Zahlreiche Menschen verließen demnach den Ort der Kundgebung in Panik.

Eine iranische Exil-Organisation, der Nationale Widerstandsrat, sprach dagegen von mehreren Toten und Verletzten. Bei den Protesten in Teheran und anderen Städten seien mindestens zehn Demonstranten getötet worden.

Prüfung des Wahlergebnisses

Der geistliche Führer des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, ordnete eine Prüfung des umstrittenen Wahlergebnisses an. Der Wächterrat sei beauftragt worden, die Betrugsvorwürfe des zweitplatzierten Kandidaten Mussawi «genau» zu prüfen, sagte Chamenei. Wie das iranische Fernsehen berichtete, sollte das Gremium am Dienstag über die Vorwürfe beraten. Ahmadinedschad traf unterdessen zu einem Gipfeltreffen im russischen Jekaterinenburg ein, wie ein Delegationsmitglied berichtete. Der Staatschef hatte die Reise wegen der Proteste verschoben.

Mussawi hatte sich am Montag auf der Großdemonstration in Teheran für eine Wiederholung des Wahlgangs ausgesprochen. «Wir sind bereit, wieder an einer Präsidentschaftswahl teilzunehmen», sagte der Herausforderer von Amtsinhaber Ahmadinedschad bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit den Wahlen am Freitag.

Der unterlegene Kandidat Mir Hossein Mussawi sagte bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit der Wahl vom Freitag zur Menge: «Wir müssen unsere Rechte, die mit Füßen getrampelt wurden, zurückgewinnen. Wir müssen diese Lüge beenden und gegen den Betrug aufstehen.» Er selbst sei bereit, dafür jeden Preis zu zahlen. «Sonst bleibt nichts übrig vom Vertrauen der Menschen in die Regierung und das herrschende System.»

Mussawi hat nur geringe Hoffnung auf Annullierung

Mussawi sagte, er habe nur geringe Hoffnung, dass der Wächterrat das gefälschte Wahlergebnis annullieren werde. Die Demonstranten antworteten mit Sprechchören: «Lang lebe Mussawi!» Ayatollah Ali Chamenei hatte das Expertengremium islamischer Rechtsgelehrter am Montag mit einer Überprüfung der Wahlergebnisse beauftragt. Mussawi kündigte für Dienstag eine weitere Demonstration im Norden Teherans an.

Nach AFP-Schätzungen protestierten in Teheran mehrere hunderttausend Mussawi-Anhänger, obwohl die Kundgebung zuvor untersagt worden war. Zwei Polizisten sprach von 1,5 bis zwei Millionen Teilnehmern.

Der Sohn des des letzten persischen Schahs, Resa Pahlewi, verwies angesichts der Massenproteste auf Parallelen zur Islamischen Revolution 1979, die zum Sturz seines Vaters geführt hatte. Das heutige Klima im Iran rufe Erinnerungen an die Ereignisse vor mehr als 30 Jahren wach, die zur Machtübernahme des heutigen Regimes geführt hätten, sagte Pahlewi dem US-Fernsehsender CNN. Der frühere Thronfolger, der heute in den USA lebt, forderte insbesondere US-Präsident Obama auf, «Solidarität» mit den Iranern zu zeigen.

Aufruf zu Gesprächen über umstrittenes Atomprogramm

Die US-Regierung hat den Iran zur Teilnahme an Gesprächen über das umstrittene Atomprogramm des Landes aufgefordert. Bislang habe Teheran nicht auf die Einladung zu neuen Verhandlungen mit den fünf permanenten UN-Sicherheitsratsmitgliedern und Deutschland geantwortet, sagte die stellvertretende amerikanische UN-Botschafterin Rosemary DiCarlo am Montag.

Die USA hielten an den Mitteln der Diplomatie fest und würden sich an den Verhandlungen beteiligen, um auf der Grundlage gegenseitigen Respekts Ergebnisse zu erzielen, sagte DiCarlo bei einer Sitzung des Sicherheitsrats in New York. Die Verhandlungen wären die ersten Gespräche seit dem Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama im Januar. Obama will mit der diplomatischen Eiszeit gegenüber Teheran brechen und sich direkt an Verhandlungen beteiligen.

Wenige Stunden zuvor hatte der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohammed ElBaradei, den Iran aufgefordert, das US-Verhandlungsangebot anzunehmen. Bei einer Sitzung des IAEA-Direktoriums in Wien sagte ElBaradei, der Iran habe seit einem Jahr Nachfragen und Besuchsanträge ignoriert, die zum Ziel gehabt hätten, «die militärische Dimension des iranischen Nuklearprogramms auszuschließen». Teheran beteuert jedoch, die Atomtechnologie solle nur zivil genutzt werden. (ap/afp)