Teheran. Mit hartem Durchgreifen und rechtlichen Konsequenzen drohen die Revolutionsgarden Bloggern sowie Betreibern von Internet-Seiten im Iran. Mittwoch planen die Anhänger der Opposition erneut Protestmärsche. US-Präsident Obama sieht keinen großen Unterschied zwischen Mussawi und Ahmadinedschad.
Im Iran wird der Druck auf die Medien immer größer. Die Revolutionsgarden, die mächtigsten Streitkräfte des Landes, drohten allen Online-Medien mit einem harten Durchgreifen und rechtlichen Konsequenzen. Iranische Websites und Blogger müssten jegliche Beiträge entfernen, die Spannungen schüren könnten, hieß es in einer Erklärung der Revolutionsgarden. Dessen ungeachtet wurde auf einigen Websites, die der Opposition nahestehen, aber für Mittwochnachmittag zu weiteren Protestkundgebungen in der Hauptstadt Teheran aufgerufen.
Die Webseiten der reformorientierten Kräfte im Iran, Blogs und westliche Netzwerkdienste wie Facebook und Twitter sind im Konflikt wegen des umstrittenen Ergebnisses der Präsidentenwahl zu den wichtigsten Informationsquellen geworden. Die Regierung verbot am Dienstag ausländischen Medien direkt von den Straßenprotesten zu berichten. Reporter dürfen nur aus ihren Büros berichten.
Twitter verschob Wartungsarbeiten
Nachdem es Berichte gab, der Kurznachrichtendienst Twitter hätte auf Wunsch des US-Außenministeriums geplante Wartungsarbeiten verschoben, pocht das Unternehmen auf seine Unabhängigkeit: Die Verschiebung von Wartungsarbeiten inmitten der dramatischen Ereignisse im Iran sei nicht auf Bitten der US-Regierung erfolgt, teilte Twitter-Mitbegründer Biz Stone am Dienstag mit. Vielmehr habe der Dienst zusammen mit seinem Netzanbieter selbst entschieden, dass wegen der derzeitigen Bedeutung von Twitter im Iran eine Unterbrechung zunächst schlecht gewesen wäre. Es sei sinnvoll für Twitter gewesen, die Dienste während dieser von aller Welt verfolgten Demonstrationen aufrechtzuerhalten, erklärte Stone weiter.
Er fügte hinzu, es sei sehr schmeichelhaft zu glauben, dass der gerade zwei Jahre alte Dienst von Twitter auch in den Augen der US-Regierung eine solche Bedeutung habe. «Dennoch ist es wichtig festzustellen, dass das US-Außenministerium keinen Einfluss auf unsere Entscheidungen hat», erklärte Stone weiter. Die Wartungsarbeiten wurden inzwischen durchgeführt, der Twitter-Dienst dafür am späten Dienstagabend (MESZ) für eine Stunde heruntergefahren.
Neue Protestmärsche für Mittwoch geplant
Trotz Demonstrationsverbots haben die Anhänger des unterlegenen iranischen Präsidentschaftskandidaten Mir-Hossein Mussawi für Mittwoch weitere Proteste geplant. Nach Angaben von Teilnehmern der bisherigen Protestmärsche soll am Nachmittag (15.30 Uhr MESZ) auf dem Platz Haft-e Tir im Stadtzentrum erneut eine große Kundgebung stattfinden. Zu dieser neuen Demonstration sei bei dem Protest am Dienstag aufgerufen worden. Mussawi, der zuletzt an seine Anhänger appelliert hatte, nicht genehmigten Demonstrationen fernzubleiben, äußerte sich zunächst nicht zu der jüngsten Ankündigung. Am Montag waren in Teheran mehrere Demonstranten getötet worden.
Am Dienstag hatten erneut zehntausende Mussawi-Anhänger in Teheran gegen die Wahl potestiert. Erstmals gingen auch Anhänger des amtierenden Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad auf die Straßen. Diese Demonstration war von staatlichen Stellen organisiert. Iranische Zeitungen veröffentlichte am Mittwoch Fotos von beiden Protestmärschen. Das Blatt «Ettelaat» brachte große Fotos auf der Titelseite. Ausländischen Medien war die Berichterstattung untersagt worden.
Trauertag für Opfer der Demonstrationen
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Der unterlegene iranische Präsidentschaftskandidat Mir-Hossein Mussawi hat für Donnerstag zu einem Trauertag für die Opfer der Demonstrationen aufgerufen. «Herr Mussawi bittet das iranische Volk, sich in den Moscheen zu versammeln und friedliche Märsche abzuhalten, um die Familien der Märtyrer und die Verletzten der jüngsten Ereignisse zu trösten», hieß es am Mittwoch auf Mussawis Website. Der Politiker selbst wolle auch an einer «Zeremonie» teilnehmen. Am Montag waren in Teheran mindestens sieben Demonstranten getötet worden.
Zwei prominente Journalisten und Anhänger Mussawis wurden am Mittwoch festgenommen. Hamid Resa Dschalaipur und Said Lailas seien aus ihren Wohnungen abgeführt worden, teilten Mitarbeiter und Familienangehörige mit. Der Soziologe Dschalaipur war für Mussawi im Wahlkampf aktiv. Lailas arbeitet als Politik- und Wirtschaftsexperte.
Wächterrat äußerst sich erst in zehn Tagen zum Wahlergebnis
Der vom obersten Geistlichen Führer im Iran, Ayatollah Ali Chamenei, mit der Überprüfung des Wahlergebnisses beauftragte Wächterrat wird nach Auffassung des iranischen Botschafters in Berlin erst in rund zehn Tagen eine offizielle Erklärung zum Ergebnis der Präsidentschaftswahl abgeben.
Im Fernsehsender Phoenix sagte Botschafter Ali Resa Scheich Attar am Dienstagabend: «Herr Mussawi hat gesagt, dass es bei den Wahlen verschiedene Ungereimtheiten gibt, und er hat acht verschiedene Themen erwähnt. Diese Themen hat der Wächterrat jetzt bekommen. Der Wächterrat braucht jetzt etwa zehn Tage, bis alles überprüft wird.»
Botschafter ist gegen Einmischung ausländischer Staaten
Zugleich sprach sich Attar gegen eine Einmischung ausländischer Staaten in die inneren Angelegenheiten des Iran aus. Er wies darauf hin, dass sich in 70 der vergangenen hundert Jahren ausländische Botschaften in die Wahlen seines Landes eingemischt hätten. Dies habe dazu geführt, «dass bei uns eine Revolution zustande kam.»
Weiter ergänzte der Botschafter: «Was ich will ist, dass die ausländischen Staaten sich nicht in unsere Innenpolitik einmischen.» Man könne sicher sein, dass der Iran eine sehr schlechte Erinnerung an diese Einmischungen habe, deshalb werde das Land «weitere Einmischungen niemals erlauben.»
Obama dämpft Hoffnungen auf Besserung
US-Präsident Barack Obama hat Hoffnungen auf einen grundlegenden Politikwechsel im Iran gedämpft. Zwischen dem unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir-Hossein Mussawi und Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad seien die politischen Unterschiede geringer als es scheine, sagte Obama am Dienstag (Ortszeit) dem US-Fernsehsender CNBC.
«Ich denke, es ist wichtig zu verstehen, dass der Unterschied in den grundsätzlichen politischen Fragen zwischen Herrn Ahmadinedschad und Herrn Mussawi vielleicht nicht so groß ist, wie man sagt», sagte der US-Präsident. Wie auch immer eine von Mussawi geforderte Neuauszählung der Stimmen ausfallen werde, «wir werden es im Iran mit einem den USA feindlich gesonnenen Regime zu tun haben».
Das Gesprächsangebot an den Iran will Obama in jedem Fall im Grundsatz aufrecht erhalten. In diesem Punkt sei das Interesse der USA «jetzt nicht anders als vor der Wahl», hatte Obamas Sprecher Robert Gibbs bereits zuvor im Weißen Haus mitgeteilt. Hauptsorge der US-Regierung sei weiterhin, dass der Iran ausländischen Terrorismus unterstütze und eine atomare Aufrüstung verfolge.
SPD-Politiker will nur symbolische Unterstützung
Der SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen hat sich gegen ein Eingreifen von außen im Iran gewandt. «Es ist der Sache dienlicher, es bei einer symbolischen Unterstützung zu belassen», sagte er der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» vom Mittwoch. Ein äußeres Eingreifen wäre jetzt kontraproduktiv. Weiter forderte der SPD-Politiker, Deutschland und die EU sollten deutlich machen, dass sie die derzeitigen Ereignisse sehr genau verfolgten. Der Prozess im Iran könne dazu führen, dass sich das Land von innen wandele, sagte Weisskirchen.
Der iranische Botschafter in Berlin, Ali Reza Sheikh Attar, warnte ebenfalls vor einer Einmischung ausländischer Staaten in die inneren Angelegenheiten des Iran. Er wies im Sender Phoenix am Dienstagabend darauf hin, dass sich in 70 der vergangenen hundert Jahre ausländische Botschaften in die Wahlen seines Landes eingemischt hätten. Dies habe schließlich zur Revolution geführt. Im Iran habe man schlechte Erinnerungen an diese Einmischungen, deshalb werde das Land «weitere Einmischungen niemals erlauben.»
Twitter-User, die über die aktuellen Entwicklungen im Iran berichten: