Berlin/Los Angeles. Die Frage nach der Ursache der verheerenden Waldbrände in Los Angeles treibt die Ermittler um. Das sind die neuen Entwicklungen.
Los Angeles, die Stadt der Engel, liegt in Flammen. Noch immer sind drei der Brände, die seit Tagen in und um die US-Westküstenmetropole toben, nicht gänzlich unter Kontrolle. Wie genau sie ausgelöst wurden, denen mindestens 25 Menschen zum Opfer fielen, ist noch unklar. Es werde in alle Richtungen ermittelt, wie Los Angeles County Sheriff Robert Luna betonte.
Mittlerweile gibt es erste Vermutungen, was die beiden schwersten Waldbrände der Geschichte Südkaliforniens – das Eaton Fire im Westen der Stadt, gefolgt vom Palisades Fire im Osten – angeht.
Palisades Fire in Los Angeles: War es fataler Leichtsinn?
Innerhalb weniger Tage hat der Waldbrand im wohlhabenden Stadtteil Pacific Palisades laut US-Behörden 5000 Gebäude zerstört und rund 9000 Hektar Land versengt. Recherchen der „Washington Post“ zufolge, könnte menschlicher Leichtsinn zu dem Brand geführt haben: In der Region, in der das Palisades Fire am 7. Januar ausbrach, soll die Feuerwehr in der Neujahrsnacht einen Brand bekämpft haben. Das habe die Auswertung von Fotos, Videos, Satellitenaufnahmen, Zeugenaussagen und Funksprüchen der Behörden ergeben.
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Anwohner hätten gegenüber der „Washington Post“ die Vermutung geäußert, dass dieser Neujahrs-Brand von „Idioten“ ausgelöst worden sei, die in den Hügeln über Los Angeles Feuerwerkskörper abfeuerten. Das passiere jedes Jahr, wie ein Anwohner berichtete. „Sie sollten es besser wissen“, so der Mann, der anonym bleiben wollte. „Es herrscht Trockenheit.“
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Obgleich das Feuer aus der Neujahrsnacht als gelöscht galt, könnten starke Winde verbliebene Glutherde wieder angefacht haben, wie die „Washington Post“ unter Berufung auf Experten berichtet. Auf diesem Wege seien schon einige der zerstörerischen Waldbrände des Landes entstanden. Ermittler seien seit wenigen Tagen in dem Gebiet zugange, um Zeugen zu befragen und Beweise zu sichern. Geleitet werden die Ermittlungen vom Amt für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoffe. Da es sich um eine laufende Untersuchung handele, werde man diese nicht weiter kommentieren, hieß es von Seiten der Behörde.
Eaton Fire: Polizei ermittelt an möglicher Ausbruchsstelle
Auch zum Eaton Fire gibt es erste Vermutungen, was die Brandursache betrifft. Im Fokus der Ermittler: ein Strommast im Eaton Canyon nördlich von L. A. Der Brand war am Morgen des 7. Januars (Ortszeit) in der Gegend ausgebrochen und hat bislang rund 5600 Hektar Land und 7000 Gebäude in Schutt und Asche gelegt. Laut einem Bericht der „Los Angeles Times“ gehen die Ermittler derzeit Foto- und Videoaufnahmen von Anwohnern nach, auf denen zu sehen ist, wie das untere Ende eines Strommasts in Flammen steht. Von dort aus könnte das Feuer sich den Canyon hinab in Richtung der darunterliegenden Häuser ausgebreitet habe.
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Wayne Howerton vom California Department of Forestry and Fire Protection, bestätigte gegenüber „The Times“, dass am Canyon ermittelt werde. Außer den Behörden dürfe niemand das Gebiet betreten. Es sei jedoch noch unklar, was dort gefunden worden sei. „Die Flammen brannten genau an der Basis des Strommastes und er explodierte“, berichtete ein Anwohner der „Los Angeles Times“.
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Die Stromleitungen werden vom Energieversorger Southern California Edison (SCE) betrieben. Gegen das Unternehmen liegen seit Montag vier Klagen von Hausbesitzern vor, die ihre Häuser verlassen mussten oder sie in dem Feuer verloren haben. „Wir glauben, dass das Eaton Fire ausbrach, weil SCE seine Stromleitungen, die den Eaton Canyon überspannen, nicht vom Netz nahm“, sagte einer der Anwälte, Richard Bridgford. Ein Kollege fügte an, dass SCE geltende Windwarnungen ignoriert hätte.
Das Unternehmen wies die Vorwürfe zurück. In einem Statement von Sonntag heißt es, eine Analyse habe keine Anhaltspunkte dafür geliefert, dass die SCE-Stromleitungen für das Feuer verantwortlich sein könnten. Ein Vertreter der Southern California Edison erklärte: „Die Ursache des Feuers wird noch ermittelt. Während der zerstörerischen Feuer in Südkalifornien bleiben unsere Herzen bei unseren Gemeinden und wir werden weiterhin alles tun, um sie in dieser schwierigen Zeit zu unterstützen.“
Hurst Fire: War ein elektronisches Problem schuld?
Ein drittes Feuer lodert zurzeit noch im Norden von Los Angeles. Auch hier muss die Ursache noch ermittelt werden. Der Brandforscher Mike Flannigan von der Thompson Rivers University in Kanada mutmaßte in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur AP, dass eine abgestürzte Stromleitung das Feuer entfacht haben könnte.
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Auch in diesem Fall steht der Stromversorger Southern California Edison im Fokus der Ermittlungen. Das Unternehmen hatte mitgeteilt, die Feuerwehr untersuche eine herabgefallene Leitung in Sylmar, einem Stadtteil von Los Angeles. Es sei jedoch bislang nicht klar, ob der Kabelschaden vor oder nach dem Ausbruch des Hurst Fires entstanden sei.
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Wenn in Los Angeles gefährliche Wetterlagen wie die Santa-Ana-Winde angekündigt ist, stellen Stromversorger ihre Leitungen normalerweise vorsorglich ab. Auch im Vorfeld der Waldbrände habe man das getan, hieß es von SCE. Wie die „Washington Post“ unter Berufung auf Netzüberwachungsdaten und Zeugen berichtet, seien aber nicht alle gefährdeten Leitungen abgeschaltet worden. SCE habe die Angaben prüfen wollen.
Mann in Los Angeles festgenommen: Legte er das Kenneth Fire?
Das am Donnerstag, 9. Januar, ausgebrochene Kenneth Fire, das mehr als 1000 Hektar Land verschlang, ist seit einigen Tagen zu 100 Prozent unter Kontrolle. Es hatte unter anderem die Kleinstadt Hidden Hills bedroht, wo Stars wie Kim Kardashian und Will Smith leben. Während die Ursachen der anderen Feuer noch unklar sind, geht die Polizei in diesem Fall von Brandstiftung aus, wie der leitende Beamte Charles Dinsel dem US-Sender News Nation am Freitag sagte.
The Los Angeles Police Department has confirmed to NewsNation that the Kenneth Fire is now being investigated as an arson case, and one person is in custody. @BrianEntin is at the scene with the latest.
— NewsNation (@NewsNation) 10. Januar 2025
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Etwa zwanzig bis dreißig Minuten, nachdem die ersten Flammen zu lodern begonnen hatten, hätten Anwohner eine verdächtige Person festgesetzt und der Polizei übergeben. Über die Identität und das Motiv des mutmaßlichen Brandstifters ist bisher nichts bekannt, unbestätigte Berichte sprechen von einem Obdachlosen in seinen 30ern.
Waldbrandgefahr in Kalifornien hat sich laut Forscher verdoppelt
Doch eine mögliche Zündelei hätte kaum so dramatische Folgen gehabt, wären die Voraussetzungen andere gewesen. Für Theo Keeping, Klima- und Umweltwissenschaftler am Leverhulme Centre for Wildfires, Environment and Society am Imperial College London, kommen drei Faktoren zusammen: „In den letzten drei Monaten hat es nur sehr wenig geregnet, was die Vegetation viel brandanfälliger gemacht hat. Die sehr niedrige Luftfeuchtigkeit hat außerdem Feinbrennstoffe wie Gräser und Blätter auf dem Boden besonders ausgetrocknet.“ Dazu kommen die starken Winde, die die Ausbreitung und Intensität des Feuers begünstigen.
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Und selbst wenn es einmal regnet, senkt das nicht unbedingt die Waldbrandgefahr. Im Gegenteil, Kalifornien erlebte in der jüngeren Vergangenheit auch große Unwetter. Im Frühjahr 2024 starben in dem Bundesstaat mehrere Menschen durch umgestürzte Bäume, Straßen wurden überflutet. Doch gerade solche Wechsel zwischen extremer Dürre und extremem Regen sollen laut einer aktuellen Studie von US-Klima- und Umweltforschern die Waldbrandgefahr sogar noch erhöhen.
Der Grund: In den nassen Phasen gibt es verstärktes Pflanzenwachstum und eine erhöhte Biomasse, die dann während der Dürrephasen austrocknet, „was die potenzielle Intensität nachfolgender Brände durch eine erhöhte Brennstoffbelastung erhöht, insbesondere in nicht bewaldeten Landschaften“, so die Studie. Das Feuer findet also mehr Futter und wird dadurch schneller größer. Der Hauptautor Daniel Swain, Klimaforscher von der University of California, sagte der BBC, dass dieser „whiplash“ (dt. Peitschenschlag) genannte Effekt, das Brandrisiko in Kalifornien verdoppelt hätte.
85 Prozent der Waldbrände in den USA werden durch Menschen verursacht
Dazu kommt die besondere geografische Situation in Los Angeles. „Es gibt sehr dicht besiedelte Bereiche, bewaldete Gegenden und sehr hügelige Gebiete. Da die Hitze mit den Winden aufsteigt, brennt der sehr trockene Brennstoff an einem aufsteigenden Hang und bewegt sich schnell den Berg hinauf“, erklärt Jeffrey Schlegelmilch, Direktor des Nationalen Zentrums für Katastrophenschutz der Columbia Universität in New York.
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Doch das alles sind nur Faktoren, die die Feuer nach der Initialzündung beschleunigen. Wie der National Park Service, berichtet, werden 85 Prozent der Waldbrände in den USA von Menschen ausgelöst. In Deutschland sind es laut der Umweltschutzorganisation WWF sogar 96 Prozent. Meist unabsichtlich, etwa durch eine achtlos weggeworfene Zigarette, gelegentlich durch Brandstiftung.
Forscherin: Wahrscheinlichkeit von Waldbränden wie in Los Angeles steigt
Doch es gibt auch natürliche Ursachen für einen Waldbrand. Zum einen Blitze, die die Brennmasse erhitzen, zum anderen Vulkanausbrüche. Da beide Möglichkeiten auf Los Angeles nicht zutreffen, bleibt nur menschliches Fehlverhalten als Brandursache, begünstigt vom ebenfalls menschengemachten Klimawandel. „Mit der Erderhitzung des Klimawandels wird die Wahrscheinlichkeit von intensiven, sich schnell ausbreitenden Bränden, wie wir sie heute in Kalifornien erleben, weiter zunehmen“, fasst Kaitlyn Trudeau, Senior Research Associate der NGO Climate Central zusammen.
Auch wenn also die konkreten Brandauslöser weiterhin unklar bleiben, sind die meisten Experten sich einig: Ohne den Klimawandel wären die Feuer längst nicht so verheerend und hätten möglicherweise schneller unter Kontrolle gebracht werden können. Und: Aufgrund der geänderten Bedingungen werden solche Katastrophen wohl auch in Zukunft immer häufiger auftreten.
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