Berlin. Während die Waldbrände im kalifornischen Los Angeles weiter toben, zeigt sich immer klarer, wie die Katastrophe soziale Konflikte anheizt.

Verbrannte Straßenzüge, 12.000 zerstörte Gebäude, unzählige verlorene Existenzen und mindestens 24 Tote – so die ernüchternde Zwischenbilanz einer der schlimmsten Feuerkatastrophen in der Geschichte Kaliforniens. Erste Schätzungen rechnen mit Schäden in dreistelliger Milliardenhöhe. Die Aufräumarbeiten könnten sechs bis neun Monate dauern, so Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom.

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Aber ans Aufräumen ist noch gar nicht zu denken, solange die Flammen in Los Angeles weiter lodern: Im wohlhabenden Stadtteil Pacific Palisades im Westen hatten sie Stand Sonntagabend (Ortszeit) knapp 96 Quadratkilometer verschlungen. Rund um den Eaton Canyion im Osten der Stadt waren es 57 Quadratkilometer. Auch das Hurst Fire im Norden der Stadt war zum Wochenstart noch immer nicht gänzlich unter Kontrolle. Der US-Wetterdienst meldete weiterhin „extreme“ Feuergefahr. Für Montag und Dienstag wurden erneut starke Winde vorausgesagt. Von ihnen angefacht, könnten sich die Brände „explosionsartig“ ausbreiten.

Waldbrände in Los Angeles: Kriminelle versuchen sich zu bereichern

Schon jetzt bieten sie nicht zuletzt auch sozialen Zündstoff, denn die Flammen sind nicht die einzige Gefahr für das Hab und Gut der Betroffenen. Immer wieder gibt es Berichte von Plünderungen, bisher wurden rund 30 Verdächtige festgenommen. „Den Leuten sind alle Mittel recht, um die Opfer dieser Tragödie auszunutzen“, bemerkte Los Angeles Police Chief Jim McDonnell. Besonders perfide erscheint der Fall eines 29-Jährigen, der versucht haben soll, in verlassene Häuser einzudringen – getarnt als Feuerwehrmann.

Apokalypse in Kalifornien: Feuersbrunst Eaton Fire zerstört das Haus von Kyoko Canizales und ihrer Familie in Altadena bei Los Angeles
Eine Frau steht vor den Trümmern ihres Zuhauses: Wie ihr ergeht es zurzeit Tausenden Menschen in und um Los Angeles. © action press | Kyoko Canizales

Wie die einen das Leid der anderen ausnutzen, zeigt sich auch in Berichten über explodierende Mietpreise in der Millionen-Metropole. Der Immobilienmakler Jason Oppenheim, bekannt aus dem Netflix-Format „Selling Sunset“, wirft Eigentümern vor, Miet- und Hotelpreise illegal anzuheben, um aus der Katastrophe Profit zu schlagen. Einer seiner Klienten habe eine Immobilie für 13.000 US-Dollar anmieten wollen, wie er „BBC“ berichtete – doch kurz nach der Katastrophe habe der Vermieter plötzlich 10.000 Dollar mehr verlangt.

Kaliforniens Generalstaatsanwalt Rob Bonta wies darauf hin, dass Vermieter damit gegen geltende Gesetze verstießen: „Das ist ein Verbrechen, das mit bis zu einem Jahr Haft und Geldstrafen geahndet werden kann.“ Ein 69-Jähriger berichtete der „BBC“ von seiner Verzweiflung: 20 Jahre lang hatte er zu einem festen Preis in einer Mietwohnung in Pacific Palisades gelebt. Nachdem das Feuer ihm alles genommen hat, müsse er sich mit einer kleinen Rente gegen Zehntausende Wohnungssuchende durchsetzen. „Das verheißt nichts Gutes“, so der Mann.

Viele stehen vor dem Nichts – Reiche sorgen für Shitstorm

Viele Anwohner Los Angeles‘ müssen dieser Tage zittern: Wird ihre Versicherung für die Schäden aufkommen? Wie US-Medien berichten, hatten einige große Anbieter bereits im vergangenen Frühjahr wegen des hohen Waldbrandrisikos den Versicherungsschutz in den nun betroffenen Gebieten eingeschränkt und für bestimmte Neubauten ganz zurückgezogen. Somit könnten manche Hausbesitzer ohne ausreichenden Versicherungsschutz dastehen, die Klärung könnte nach Einschätzung von Experten Wochen oder Monate dauern.

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Damit die Anwohnerinnen und Anwohner schneller Gewissheit bekommen, werden die Straßen nun Gebäude für Gebäude abfotografiert und die Bilder auf einer Website hochgeladen. Mit den Fotos können die Betroffenen auch ihre Versicherungen informieren, heißt es – sofern sie denn eine haben.

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Während weniger privilegierte Familien vielerorts vor dem Nichts stehen, teilten Prominente wie „Tokio Hotel“-Star Bill Kaulitz ihre Evakuierung öffentlichkeitswirksam auf Instagram. Gepackte Luxuskoffer inklusive. Wer es sich leisten konnte und nicht auf die staatlichen Kräfte warten wollte, ließ seine Villa von einer privaten Feuerwehrmannschaft absichern.

Los Angeles fires
Unter den Feuerwehrkräften, die die Waldbrände in Los Angeles bekämpfen, sind auch rund 1000 Häftlinge. (Symbolbild) © Polaris/laif | Polaris/laif

Die Praxis sorgte online für einen wahren Shitstorm: Ein Immobilienmanager aus L. A. hatte mit einem mittlerweile gelöschten Post in den sozialen Medien nach privaten Feuerwehrleuten gesucht. Er „zahle jede Summe“, so der Mann. Eine TikTok-Nutzerin fasste die wütenden Reaktionen auf den Post zusammen: „Wessen Haus gerettet wird, sollte nicht von seinem Bankkonto abhängen.“

Kritik an Mandy Moore: Sie teilte Spenden-Aufruf

Sängerin Mandy Moore handelte sich Kritik ein, indem sie auf Instagram ihr Haus zeigte, das wie durch ein Wunder zum Großteil noch stehe. Moore teilte auch einen Spenden-Aufruf für ihren Schwager, der auf Unverständnis stieß: „Die Ereignisse sind verheerend, aber Naturkatastrophen ereignen sich immer wieder, und meistens treffen sie Menschen, die keine Millionen auf der Bank haben“, schrieb eine Nutzerin auf Instagram unter einen Post von Moore. Der Kommentar wurde hundertfach gelikt. 

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Moore reagierte gereizt: Ein Freund habe die Spendensammlung ins Leben gerufen, schrieb sie. „Und ich teile sie, weil Leute gefragt haben, wie sie ihnen helfen können. Wir haben auch gerade den größten Teil unseres Lebens bei einem Feuer verloren. Also verpi… euch bitte. Niemand zwingt euch, irgendetwas zu tun.“

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Einige Prominente versuchen, den Opfern des Feuers unter die Arme zu greifen. Schauspielerin Jennifer Garner, die nach eigener Aussage eine Freundin in den Flammen verlor, verteilte Essen an Betroffene. US-Superstar Beyoncé (43) ließ über ihre Stiftung „Beygood“ auf Instagram mitteilen, wolle man 2,5 Millionen Dollar (etwa 2,4 Millionen Euro) an Familien in der Gegend um Altadena und Pasadena nördlich von Los Angeles spenden, die ihre Häuser verloren hätten.

Häftlinge löschen Feuer in Los Angeles

Hilfe für alle kommt derweil aus den heimischen Gefängnissen: Laut den kalifornischen Behörden haben sich rund 1000 Häftlinge freiwillig gemeldet und eine mehrtägige Feuerwehr-Ausbildung absolviert. Für jeden Tag im Einsatz erhalten sie einen Obolus von maximal 9,99 Euro pro Tag und zwei Tage Hafterlass. Als Helfer dürfen allerdings nur Häftlinge eingesetzt werden, die eine Gefängnisstrafe von maximal acht Jahren absitzen und nicht wegen Verbrechen wie Vergewaltigung oder Brandstiftung einsitzen.

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Das Programm steht laut „BBC“ schon lange als ausbeuterisch in der Kritik. Auch in den sozialen Medien wird über das Thema debattiert. „Ich dachte, das sei ein Witz“, schreibt ein Nutzer auf X. Andere prangern die „unfairen“ Bedingungen an, unter denen die Häftlinge arbeiten.

Je länger die Feuer wüten, desto eher sind es die Schicksale der Normalsterblichen, die in den Fokus rücken: etwa das eines Mannes und seines Sohnes, die beide im Rollstuhl saßen und nicht rechtzeitig evakuiert werden konnten. Oder das eines 66-Jährigen, der nur mit einem Gartenschlauch bewaffnet den Kampf gegen die Flammen verlor. „Wir brauchen von Mutter Natur eine Pause“, sagte Brice Bennett von der kalifornischen Behörde Cal Fire dem Nachrichtensender „CNN“. „Wir haben die Feuerwehrleute, wir haben das Wasser, wir brauchen mehr Zeit.“