Frankfurt/Main. Die Warnstreiks der Erzieher bringen arbeitende Eltern in die Bredouille: Sie müssen sich andere Betreuungsmöglichkeiten suchen. Sie einfach mit zur Arbeit zu bringen, ist keine wirklich gute Idee, warnt ein Rechtsexperte.

Zahlreiche Kindertagesstätten werden am Mittwoch wegen Warnstreiks der Erzieher geschlossen bleiben. In einigen Städten werden Notdienste angeboten, ansonsten müssen sich Eltern nach alternativen Betreuungsangeboten für ihr Kind umsehen. Welche Rechte und Pflichten Berufstätige haben, beschreibt der Heidelberger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Michael Eckert, der auch Vorstandsmitglied des Deutschen Anwaltvereins (DAV) ist:

Darf ich mein Kind einfach mit zur Arbeit nehmen?

Eckert: Nein. Der Arbeitsplatz ist in der Regel weder geeignet für die Kinder noch muss der Chef dies dulden. Abgesehen davon wäre eine konzentrierte Arbeit in der Regel auch kaum möglich, wenn neben dem Arbeitsplatz die Kinder spielen, quengeln oder ähnliches.

Sinnvoll ist es allerdings immer, mit dem Arbeitgeber zu sprechen. Vielleicht sind ja auch andere Eltern von dem Warnstreik betroffen, und es lässt sich eine gemeinsame Lösung finden.

Wenn ich kurzfristig keine Ersatzbetreuung für mein Kind finde, kann ich dann zu Hause bleiben? Wird mir dieser nicht geleistete Arbeitstag auf den Urlaub angerechnet?

Eckert: Auch hier gilt: Statt Fakten und damit Probleme zu schaffen, sollten Gespräche mit dem Arbeitgeber geführt werden. Vielleicht ist es möglich, kurzfristig einen Tag Urlaub zu erhalten. Dies geht allerdings nicht einseitig, der Urlaub muss vom Arbeitgeber genehmigt werden! Denkbar ist es daneben auch, in Absprache mit dem Arbeitgeber Überstunden abzufeiern oder im Rahmen einer eventuellen flexiblen Arbeitszeit ein positives Arbeitszeitkonto zu reduzieren beziehungsweise sogenannte Minusstunden aufzubauen. In erster Linie sollte aber versucht werden, eine Lösung außerhalb des Arbeitsverhältnisses zu finden, beispielsweise durch eine Betreuung seitens Familienangehöriger oder Nachbarn.

Das Pflegezeitgesetz greift nicht ein, da es sich nicht um einen Pflegefall im eigentlichen Sinne handelt. Das Kind ist ja gesund.

Wenn sich gar keine Lösung finden lässt, muss der Chef auf jeden Fall rechtzeitig, das heißt sofort informiert werden. Er muss disponieren können. Ein Fernbleiben vom Arbeitsplatz führt in der Regel zu einer Abmahnung. Eine Abmahnung setzt aber einen schuldhaften Verstoß gegen vertragliche Pflichten voraus. Am Verschulden kann es fehlen, wenn alle (!) Anstrengungen zur anderweitigen Unterbringung des Kindes fehlgeschlagen sind. Nur dann darf der Arbeitgeber keine Abmahnung aussprechen.

Kann ich kurzfristig Urlaub nehmen, wenn die Erzieherinnen in der Tagesstätte meines Kindes streiken?

Eckert: Jeder Urlaub muss genehmigt werden. Niemand darf eigenmächtig Urlaub nehmen, der vom Arbeitgeber nicht gewährt worden ist. Dies würde zu einer Abmahnung und im Wiederholungsfall zu einer Kündigung führen. Allerdings ist ein Streik der Erzieherinnen ein recht guter Grund, um Urlaub zu beantragen. Der Arbeitgeber könnte diesen nur dann verweigern, wenn dringende betriebliche Gründe entgegenstehen, das heißt wichtige Arbeiten anstehen und so kurzfristig keine qualifizierte Vertretung organisiert werden kann.

Wenn ich wegen der Suche nach einer Ersatzbetreuung zu spät zur Arbeit komme, droht mir dann eine Abmahnung oder eine andere arbeitsrechtliche Sanktion?

Eckert: Da der Warnstreik der Erzieherinnen bereits bundesweit angekündigt worden war, muss hier auch rechtzeitig Vorsorge getroffen werden. Man kann nicht erst am Morgen des Streiks auf die Suche nach einer Ersatzbetreuung gehen.

Wer sich zu spät um eine Ersatzbetreuung kümmert und daher verspätet am Arbeitsplatz erscheint, verstößt gegen arbeitsvertragliche Pflichten (zur pünktlichen Arbeitsaufnahme) und kann abgemahnt werden. Auch hier gilt aber: Notfalls den Arbeitgeber sofort anrufen und informieren, damit dieser zumindest planen kann. Am Schlimmsten ist es, einfach ohne vorherige Mitteilung zu spät zu kommen. Dann ist die Abmahnung schon programmiert.

Wenn ich mangels anderweitiger Betreuungsmöglichkeiten nach Absprache mit dem Arbeitgeber zu Hause bleiben muss, erhalte ich dann trotzdem mein Gehalt?

Eckert: Nein. Dies wird in § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt: Zwar ist in diesem Fall die Arbeitsverhinderung nicht vom Arbeitnehmer verschuldet, es handelt sich aber nicht um einen «in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund». Der angekündigte Warnstreik betrifft vielmehr eine Vielzahl von Kindertagesstätten und damit Eltern. Hierfür kann der Arbeitgeber nicht in die Haftung genommen werden. Entweder erfolgt in Absprache mit dem Arbeitgeber eine Verrechnung mit Urlaubstagen oder die Vergütung für einen Tag wird vom Monatsgehalt abgezogen. Auch hier gilt es, den Arbeitgeber möglichst schnell (telefonisch) zu unterrichten und gegebenenfalls eine einvernehmliche Regelung zu treffen. (ap)