Essen. Ab Freitag wird gestreikt: Mit 89,9 Prozent haben sich die Erzieherinnen und Sozialarbeiterinnen im öffentlichen Dienst dafür entschieden. 4000 Streikende in 26 Städten erwartet die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi allein in NRW. Im Ruhrgebiet sind zehn Kommunen betroffen.

In zehn Städten des Ruhrgebiets, darunter Bochum, Dortmund und Duisburg, bleiben heute Kindertageseinrichtungen in städtischer Trägerschaft geschlossen. In Dortmund sind es alle 108 städtischen Kitas, in Duisburg alle 78. Die Eltern wurden laut Dienstleistungsgewerkschaft Verdi am Dienstag informiert. Für besonders harte Fälle soll es Betreuungs-Notgruppen geben.

Gestreikt wird für mehr Geld, vor allem aber für einen Gesundheitstarifvertrag. Es geht um Lärmbelastung, orthopädische Probleme wegen der kleinen Stühle und des vielen Hebens und um Überlastung durch Arbeitsverdichtung. In einem Gesundheitstarifvertrag soll festgeschrieben werden, dass die Arbeitsplätze der Erzieherinnen auf eben diese Gesundheitsgefährdungen untersucht und entsprechende Veränderungen veranlasst werden.

Laut wie ein Düsenjet

Lärmbelastung in Kindergärten lässt sich nämlich reduzieren, ohne Kinder zu knebeln. „Durch schallschluckende Deckenverkleidungen, dämpfende Vorhänge bzw. Raumteiler und Lärmampeln, die signalisieren, wenn es allzu laut ist”, erläutert Harald Giesecke, Fachgruppenleiter in der Verdi-Bundesverwaltung, auf WAZ-Nachfrage. Auch für orthopädisch verheerende Mini-Stühle gebe es Alternativen: Spezialstühle für Erzieherinnen oder normal-hohe Tische mit Tripp-Trapp-Stühlen für die Kinder. In skandinavischen Ländern seien solche gesundheitserhaltenden Einrichtungen üblich, betont Giesecke.

Das Problem: So eine Umrüstung kostet Geld. Und genau das haben die Kommunen nicht, ebenso wenig wie die kirchlichen Träger, deren Arbeitsbedingungen nicht wesentlich anders als in städtischen Kindergärten sind, die aber nicht dem Tarifvertrag öffentlicher Dienst unterliegen und deshalb nicht mitstreiken dürfen.

Der Krankenstand bei Erzieherinnen ist hoch, fast so hoch wie der von Krankenschwestern. Tendenz steigend. Ebenso wie der Altersdurchschnitt der Beschäftigten: zwischen 40 und 50 Jahre alt sind die meisten Fachkräfte.

2700 Euro brutto am Ende des Berufslebens

2100 (Berufsanfänger) bis maximal 2700 Euro verdient eine Erzieherin bei der Stadt in Vollzeitarbeit brutto. Rund 60 Prozent von ihnen arbeiten aber in Teilzeit, teils mit unfreiwillig sehr geringer Stundenzahl und entsprechend geringem Verdienst, sagte Jürgen Reichert vom Verdi-Landesbezirk der WAZ. Der Gund: Kitas wollen mit Teilzeitverträgen flexibel auf die von Eltern gebuchten Stunden reagieren. Ziel des Streiks ist hier eine deutliche Anhebung der Einkommen durch neue Eingruppierungen. Ein anderer Personalschlüssel (weniger Kinder je Betreuer) kann nicht erstreikt werden. Er unterliegt der Gesetzgebung, nicht Tarifverträgen.

Bundesweit bis zu einem Drittel der Kitas betroffen

Bundesweit ist etwa ein Drittel aller Kindertageseinrichtungen in städtischer Trägerschaft, potentiell also vom Streik betroffen. In Großstädten ist der städtische Anteil höher. Kirchliche Träger haben eigene arbeitsvertragliche Vereinbarungen, freie Träger orientieren sich bei ihren Tarifen zum Teil an den Abschlüssen im öffentlichen Dienst.

Der Streik ist unbefristet. Elten müssen sich also auf eine längere Durststrecke einstellen. Allerdings sollen punktuell Notgruppen für Eltern angeboten werden, die kein familiäres Netz haben.