Witten. Ein zweijähriges Kind ist wegen Cannabis in der Notaufnahme gelandet. Der Vater schildert dramatische Stunden - und kritisiert die Behörden.

  • Ein zweijähriger Junge aus Witten landete in der Notaufnahme, nachdem er die Haschkekse seiner Mutter gegessen hatte
  • Diese bekam dafür eine Bewährungsstrafe
  • Der Kindsvater kann das Urteil nicht fassen - und lebt weiterhin in Angst

Der Fall hat viele Emotionen ausgelöst. Ein Zweijähriger ist in der Notaufnahme des Wittener Marien-Hospitals gelandet, nachdem er die herumliegenden Haschkekse der Mutter gegessen hat. Die Alleinerziehende ist dafür vor rund einer Woche wegen gefährlicher Körperverletzung und Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht zu einer Bewährungsstrafe von 17 Monaten verurteilt worden. Viele Kommentatoren in den sozialen Medien empfinden das Urteil als zu milde - so auch der Vater des mittlerweile vierjährigen Jungen.

Er möchte seine Sicht schildern. Um die Identität der Kinder zu schützen, verzichten wir wie auch im Gerichtsbericht auf die Nennung von Namen oder anderen identifizierenden Details. „Dieses Urteil ist kein Abschluss für mich“, sagt Thomas, der eigentlich anders heißt. „Wir leben weiter in Angst.“

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Kinder leben seit Vergiftung des Sohnes beim Vater

2020 trennte sich der gebürtige Wittener von der nun verurteilten Mutter seiner beiden Kinder. Man einigte sich zunächst darauf, dass der wenige Monate alte Sohn und die ältere Schwester weiterhin bei der Mutter in ihrer gewohnten Umgebung leben sollten. Erst seit dem Vorfall im März 2023, bei dem der jüngere Sohn eine lebensgefährliche Cannabis-Vergiftung erlitt, leben die Kinder beim Vater. Er hat mittlerweile auch das alleinige Sorgerecht zugesprochen bekommen.

Schon vorab, so schildert es der Kindsvater, hatte er sich immer wieder ans Jugendamt gewandt und auf die problematische Lage hingewiesen. Noch im Februar 2023 habe er beim Jugendamt vorgeschlagen, dass die Kinder künftig im Wochenwechsel bei der Mutter und ihm leben sollten. Doch bis zu dem Vorfall ist aus seiner Sicht nicht angemessen auf die Hinweise reagiert worden. Er habe sich von den Behörden alleingelassen gefühlt. „Es muss erst etwas Schlimmes passieren, damit gehandelt wird“, ärgert er sich.

Siebenjährige Schwester fand den bewusstlosen Bruder

Zu harmlos sei der Fall seines Sohnes bislang dargestellt worden, findet der Vater. So habe nicht etwa die Mutter bemerkt, dass es dem damals knapp drei Jahre alten Jungen schlecht ging, sondern die vier Jahre ältere Schwester. Diese weckte daraufhin die Mutter. „Meiner Meinung nach hat sie damals mit ihren sieben Jahren ihrem Bruder das Leben gerettet“, ist sich Thomas sicher.

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Denn im Urin des Jungen wurde ein Cannabinoid-Wert von 314 Nanogramm pro Milliliter nachgewiesen. Im Normbereich sind Werte unter 50. Das seien die höchsten Cannabiswerte, die es in Deutschland je gegeben habe, sagte eine Mitarbeiterin des Wittener Jugendamtes bei einer Anhörung vor dem Familiengericht. Die Situation sei „dramatisch“ gewesen. Das Kind sei mit einer Kochsalzlösung mehr oder weniger „durchgespült“ worden.

„Das Schlimmste, was mir bisher im Leben passiert ist“

Mehrere Tage verbrachte der Vater mit seinem Sohn auf der Intensivstation. „Er war wirklich völlig weg, hat nur auf Schmerzreize reagiert“, erinnert sich Thomas. „Da malt man sich die schlimmsten Sachen aus, fragt sich, ob er jemals wieder aufwachen wird und wenn ja, in welchem Zustand“, so der 38-Jährige. „Das war das Schlimmste, das mir bisher im Leben passiert ist - und ich hab schon einiges erlebt.“

Erst nach drei Tagen sei sein Sohn wieder zu sich gekommen, habe angefangen, wieder selbstständig zu trinken und zu essen. Noch zwei Wochen lang habe das Kind immer wieder Schreiattacken bekommen, vor allem nachts. Ob der Junge Langzeitschäden davontragen wird, ist völlig offen. „Und dann zeigt seine Mutter im Prozess nicht einmal Reue. Das ärgert mich wirklich.“

Mutter hat Umgangsbesuche oft abgesagt

Nicht nur deshalb ist das Urteil des Jugendschöffengerichtes, vor dem der Fall seines Sohnes verhandelt wurde, für ihn nicht nachvollziehbar. 17 Monate auf Bewährung bekam die Kindsmutter. Berücksichtigt wurde im Strafmaß auch eine Vorverurteilung aus dem November 2023. Dabei hatte die Frau die Schwester von Thomas, also die Tante ihrer Kinder, in einer Disko massiv mit einer kaputten Flasche angegriffen. „Und trotz allem darf sie weiter einfach draußen herumlaufen“, empört sich Thomas.

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Sorgen macht sich der 38-Jährige dabei vor allem um die Kinder. „Ich lasse meine Tochter zum Beispiel nicht allein zur Schule gehen, auch wenn das nur ein paar hundert Meter sind.“ Auch draußen vor dem Haus dürfe die mittlerweile Neunjährige nicht spielen. Denn Thomas fürchtet, dass plötzlich die Mutter auftauchen könnte.

Mutter erscheint unangekündigt am Wohnort der Kinder

Zum Hintergrund: Seit die Kinder beim Vater leben, hat die Mutter ein Umgangsrecht. Das war aufgrund des schlimmen Vorfalls aber auf Besuche unter Aufsicht begrenzt. Doch immer wieder hat die Mutter diese Termine auch kurzfristig abgesagt, so steht es im Gerichtsbeschluss zum Sorgerecht.

Der Übertragung des Sorgerechts auf den Vater hatte die Wittenerin erst zugestimmt, um dann kurz darauf Beschwerde dagegen einzulegen. Bei der anschließenden Verhandlung tauchte sie aber nicht auf. Dafür immer wieder unangekündigt am neuen Wohnort ihrer Kinder. „Wir müssen jetzt einfach alle mal zur Ruhe kommen, vor allem die Kinder“, sagt Thomas. „Doch eigentlich fragen wir uns nur: Was passiert als nächstes?“

Nicht beim Prozess dabei

Gerne hätte der Vater am Prozess gegen seine Ex-Partnerin teilgenommen. Doch nach eigenen Angaben erfuhr erst im Nachhinein aus der Presse von Verhandlung und Urteil.

Ob er möglicherweise als Nebenkläger hätte auftreten können, ist derzeit nicht endgültig geklärt. Die Anwältin des Vaters hat Akteneinsicht gefordert. Fest steht aber: Das Urteil ist rechtskräftig, die Staatsanwaltschaft hat es nicht angefochten.

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