Witten. Mittags am ehemaligen KZ-Außenlager und abends im Ruhr-Gymnasium: Die Wittener haben den Gedenktag würdig begangen - mit vielen Erinnerungen.

  • Der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar begann in Witten mit einer Kranzniederlegung am ehemaligen KZ-Außenlager Buchenwald.
  • Abends füllten das Publikum die Aula des Ruhr-Gymnasiums bis auf den letzten Platz.
  • Gehörlose Zeitzeugen schildern ihre Erfahrungen in der Nazi-Zeit.

Die Aula des Ruhr-Gymnasiums ist beinahe zu klein, so groß ist das Interesse an diesem Abend. Neben zahlreichen Schülerinnen und Schülern sind Menschen jeglichen Alters an die Synagogenstraße in Witten gekommen, um - wie zeitgleich an so vielen Orten in Deutschland - der Opfer des Holocaust zu gedenken. Zu Gast: eine 90-jährige Zeitzeugin, die die Gäste mit ihrer ungewöhnlichen Geschichte sehr berührt.

Denn das Ruhr-Gymnasium und die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Witten hatten unter dem Leitsatz „Aber ich lebe“ anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor genau 80 Jahren dazu eingeladen, sich zu erinnern und nicht zu vergessen. Mit dem Leid von Gehörlosen im Dritten Reich stand diesmal ein bislang wenig beachtetes Thema im Mittelpunkt.

Kranzniederlegung an der KZ-Außenstelle in Witten

Gemeisames Gedenken am Montag, dem 27. Januar 2025 an die Opfer des Nationalsozialismus
Gemeinsames Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus am ehemaligen KZ-Außenlager Buchenwald in Witten-Annen: Schülerinnen und Schüler nahmen am Montagmittag (27.1.) an der Kranzniederlegung teil. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Weitere Stühle müssen zunächst hereingetragen werden, ehe Schulleiter Dirk Gellesch die Gäste begrüßt: „Zu einem Abend, der nicht einfach ist.“ Auch Bürgermeister Lars König ist berührt vom Andrang und schöpft daraus Hoffnung für die Zukunft, wie er verdeutlicht. Der ehemalige Schüler des Ruhr-Gymnasiums hatte bereits am Mittag an der Gedenkstätte des ehemaligen KZ-Außenlagers in Annen einen Kranz niedergelegt.

Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen: Gedenkfeier 80 J. Befreiung Auschwitz. Mit Zeitzeugen-Bericht.
Zeitzeugin Ria Heinemann (r.) mit Pfarrerin Heike Bundt in der Aula des Ruhr-Gymnasiums in Witten. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Mit der Gehörlosen Ria Heinemann ist eine Zeitzeugin vor Ort, die mittels Gebärdensprache eindrücklich schildert, wie die Sterilisation von gehörlosen Menschen in der Zeit des Nationalsozialismus ihr Leben beeinflusst hat - und dies noch heute tut. Es ist ein emotionaler Vortrag, der das Publikum nachdenklich stimmt. Zwei Gebärdensprachdolmetscher übersetzen, so dass auch die von Pfarrerin Christine Brokmeier begleitete Gehörlosengemeinde der Erzählung folgen kann.

Lesen Sie auch

Als Ria Heinemann 1935 in Hamm zur Welt kam, galt das Leben gehörloser Menschen als unwert. Ihre Eltern waren beide gehörlos. Ihr zwei Jahre älterer Bruder Anton sei bei der Geburt gestorben, sagte man ihren Eltern. Ria kam daher nicht im Krankenhaus, sondern zu Hause zur Welt. Als das Mädchen zwei Jahre alt war, wurden ihre Eltern zwangssterilisiert. Dasselbe Schicksal ereilte ihren späteren Ehemann im Alter von zehn Jahren. Obwohl Ria sich immer Kinder gewünscht hat, heiratete sie ihn. Bis heute jedoch vermisst sie eigenen Nachwuchs und Enkelkinder.

Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen: Gedenkfeier 80 J. Befreiung Auschwitz. Mit Zeitzeugen-Bericht.
Iwona Bialek Painczyk singt am Samstag, 25. Januar 2025 bei der Gedenkfeier 80 Jahre Befreiung Auschwitz in der Aula des Ruhrgymansiums in Witten. Foto: Vladimir Wegener / FUNKE Foto Services © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Sängerin Iwona Bialek-Painczyk und ihre Gruppe begleiteten den Abend musikalisch mit traditioneller Klezmermusik. Dazu passt auch die von Schülerinnen und Schülern des Ruhr-Gymnasiums erstellte Präsentation mit Motiven aus der Graphic Novel „Aber ich lebe!“. In dem Buch geht es um vier Kinder, die den Holocaust überlebt haben. Pfarrerin Christine Brokmeyer dankte zum Schluss allen Beteiligten und forderte das Publikum auf, „sich ein weiches Herz zu bewahren“.

Weitere Nachrichten aus Witten lesen Sie hier.