Witten. Im neuen Jahr gibt es in Witten differenzierte Hebesätze. Das soll Vorteile für private Hausbesitzer haben. Bald flattern die Bescheide ins Haus.
- Der Wittener Rat hat nach langer Debatte die differenzierten Grundsteuer-Hebesätze beschlossen.
- Mitte Januar können Immobilienbesitzer mit den Bescheiden rechnen.
- Auch wer Widerspruch einlegen will, muss trotzdem erstmal zahlen.
Nach fast zweistündiger Debatte hat es der Rat am Montagabend (16.12.) in seiner letzten Sitzung des Jahres endgültig entschieden. Witten bekommt differenzierte Grundsteuer-Hebesätze. Damit ist klar: Die Stadt knackt nun die Rekordmarke von „1000“. Allerdings werden private Immobilienbesitzer geringer als Eigentümer von gewerblichen („nicht bebauten“) Grundstücken belastet.
SPD und CDU sowie Linke und UWG votierten für den differenzierten statt den von der Verwaltung bevorzugten einheitlichen Hebesatz. Insgesamt gab es eine Mehrheit von 34 Stimmen. 14 Ratsmitglieder, darunter Stadtklima, FDP, Bürgerforum und AfD, lehnten einen weiteren Anstieg ab. 15 enthielten sich. Eine Mehrheit fand außerdem der kurz zuvor gemeinsam formulierte Beschlussvorschlag, die Regelung nach einem Jahr zu prüfen und, falls erforderlich, neu festzusetzen.
Neue Wittener Hebesätze entsprechen dem Vorschlag des Landes
Künftig gelten folgende Hebesätze: 1110 Prozentpunkte werden für Wohngrundstücke fällig, 1896 für Nicht-Wohngrundstücke wie etwa gewerbliche Flächen. Die Zahlen entsprechen dem Vorschlag des Landes für differenzierte Hebesätze in Witten. Der von der Stadt genannte Einheitswert von 1302 Prozentpunkten fand keine Zustimmung - wie bereits die Diskussion vor einer Woche im Haupt- und Finanzausschuss erahnen ließ..
Vorausgegangen war der Entscheidung im Rat erneut eine ausgiebige Debatte. Die Fraktionen nutzten die Redezeit, um noch einmal ihre Standpunkte zu verdeutlichen. Dabei geriet so mancher Politiker mit Blick auf die vermutlich vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar sowie die Kommunalwahl im September bereits in Wahlkampfstimmung.
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Allen voran beschwor Stadtklima-Chef Michael Hasenkamp als Gegner jeglicher Steuererhöhungen die Ratsmitglieder, mit dem Geld der Menschen anders umzugehen. „Wenn wir den Weg so weitergehen, steuern wir in eine Katastrophe.“ Er ist sicher: „Nach der Kommunalwahl wird sowieso alles anders.“ Das Stadtklima hatte den ersten und einzigen Antrag gestellt, die Grundsteuer nicht zu erhöhen - erfolglos.
Wittener FDP für einheitlichen Steuersatz
Auch AfD-Chef Matthias Renkel würde den Grundsteuerhebesatz am liebsten abschaffen oder zumindest bei den aktuell 910 Prozentpunkten belassen. „Wir sind in Witten spitze beim Abknöpfen von Steuern“, kritisierte er. Dabei müssten die Bürger doch entlastet werden.
Jan Pohl von der FDP sah die Unternehmen als Verlierer. Schließlich seien sie es, die Geld erwirtschaften. Wenn auch „schweren Herzens“, so würden sich die Liberalen doch für einen einheitlichen Hebesatz aussprechen. „Witten darf nicht die teuerste Stadt im östlichen Ruhrgebiet werden“, betonte Harald Kahl vom Bürgerforum, das zwar gegen eine steigende Steuerlast stimmte, aber nicht vollkommen überzeugt klang.
„Mieter müssen schon bei Nebenkosten tief in die Tasche greifen“
Ulla Weiß (Linke) verwies darauf, ebenso wie SPD-Chef Uwe Rath, dass man mit der Entscheidung für unterschiedliche Hebesätze der Forderung des Bundes der Steuerzahler sowie des Mietervereins folge. „Mieter müssen schon bei Nebenkosten tief in die Tasche greifen.“ Eine Vermögenssteuer einzuführen, „das würde viele Probleme lösen“, so Weiß. Kurz und knapp plädierte Uwe Rath für eine Differenzierung: „Wohnraum muss bezahlbar bleiben.“
CDU-Fraktionschef Volker Pompetzki hält eine einheitliche Bewertung der Grundstücke für ungerecht. „Dabei werden die Lebensumstände der Nutzer überhaupt nicht berücksichtigt. Immobilien dienen oft als Altersvorsorge.“ Bei Unternehmen dagegen sei die Grundsteuer gar kein Thema. Da gehe es eher um steigende Energiekosten, die Probleme bereiten. Schließlich ließ Pompetzki es sich nicht nehmen, erneut zu betonen: „Wir lassen keinen Keil zwischen uns und den Bürgermeister treiben.“ Lars König stand hinter dem Beschlussvorschlag der Verwaltung.
Bürgermeister sendet Videobotschaft
Der Bürgermeister wendete sich nach der Ratssitzung in einer Videobotschaft (https://youtu.be/w9iSIjvChv4) an die Wittener. Die „am heißesten und kontroversesten diskutierte Frage der vergangenen Wochen“ sei nun beantwortet, so König. Die neuen Steuersätze treten ab Januar in Kraft. „Leider gibt es keine Einzelfallgerechtigkeit.“ Er hoffe, dass die Entscheidung vor Gericht standhalte, falls es Widersprüche hagelt.
Das hofft auch der Kämmerer, der sich inhaltlich nicht mehr in die Debatte einschaltete. Nur so viel: „In 44 Jahren Ratsdebatten war dies die bemerkenswerteste, was den Inhalt der Wortmeldungen angeht.“
Bescheide kommen Mitte Januar
Mitte Januar bekommen die Bürger ihre neuen Grundsteuerbescheide. Im Umschlag steckt laut Stadt auch ein Beiblatt, das noch einmal die „gesetzliche Notwendigkeit der Veränderung erläutert“. Kämmerer Matthias Kleinschmidt appelliert an die Bürger, die geforderte Summe auch zu zahlen, wenn sie Widerspruch einlegen wollen. „Widerspruch ist kein Zahlungsaufschub.“
Die Stadt erklärt die Berechnung der Grundsteuer: Der vom Finanzamt festgelegte Messbetrag wird mit dem Hebesatz multipliziert, den der Rat jetzt beschlossen hat. Beispiel: Der Grundsteuermessbetrag liegt bei 95 Euro, der Hebesatz bei 1110 Prozent. Dann beträgt die zu zahlende Grundsteuer 1054,5,90 Euro im Jahr (95 x 1110 : 100).
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