Witten. Eine neue NRW-Liste weist Witten bei der Grundsteuer B mit 1300 Prozent aus. Ein Politiker sorgt damit auf Facebook für Aufregung. Zu Recht?

Ein Facebook-Post sorgt in Witten für Aufruhr. Es ist nur ein Satz, den Michael Hasenkamp vom Stadtklima auf seinem Account veröffentlicht hat: „Unfassbar: BM König, SPD, CDU und Grüne wollen die Grundsteuer um 43 % auf 1.300 % erhöhen“. Die Bürger in der mit einem ohnehin hohen Hebesatz gebeutelten Ruhrstadt reagieren von sarkastisch bis genervt. Doch der Satz ist so nicht ganz korrekt, sagen andere. Und eine politische Entscheidung noch nicht gefallen.

Längst wirft die umstrittene Grundsteuerreform im kommenden Jahr ihre Schatten voraus. Die NRW-Finanzverwaltung hatte im Juni erstmals die „fiktiven aufkommensneutralen Hebesätze“ für alle Kommunen bekanntgegeben. Sie sollen den Städten helfen, nach der Reform die gleichen Einnahmen aus der Grundsteuer zu erzielen wie bisher. In Witten, wo der Hebesatz der entscheidenden Grundsteuer B aktuell bereits bei 910 Punkten liegt, würde dann der Sprung auf über 1000 Prozentpunkte drohen.

Witten zählt in der NRW-Liste weiter zu den Spitzenreitern

Tatsächlich weist eine aktualisierte Liste der Finanzverwaltung von September Witten in diesem Bereich mit 1302 Punkten aus. Damit zählt die Stadt weiter zu den Spitzenreitern. Höhere Hebesätze verzeichnen in NRW laut dieser Liste nur Hagen (1319), Altena (1368) und Bönen (1422). Die Grundsteuer B ist relevant für Einfamilien- und Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohnungseigentum. Neu auf den Weg gebracht wurde die Möglichkeit für die Kommune, differenzierte statt einheitliche Hebesätze für Wohn- und Gewerbegrundstücke anzuwenden.

„Ja, der Hebesatz, den das Land bestimmt, wird sich erhöhen“, sagt CDU-Fraktionschef Volker Pompetzki. Allerdings müsse das nicht zwingend bedeuten, dass Wohnungseigentümer nun stärker belastet werden. Denn bei einem differenzierten Satz (statt des Einheitswerts von 1302) würden Hausbesitzer „besser“ wegkommen - mit immer noch rekordverdächtigen 1100 Punkten, während für unbebaute Grundstücke oder Gewerbe 1896 fällig würden. „Der Rat muss am 16. Dezember entscheiden, ob er die Einheitsregelung will oder die differenzierte“, sagt Kämmerer Matthias Kleinschmidt.

Auch vielen Hausbesitzern und Vermietern, hier eine Wohnsiedlung an der Danziger Straße in Witten, bereitet die Grundsteuerreform Kopfzerbrechen.
Auch vielen Hausbesitzern und Vermietern, hier eine Wohnsiedlung an der Danziger Straße in Witten, bereitet die Grundsteuerreform Kopfzerbrechen. © FUNKE Foto Services | Hans Blossey

Er bestätigt aber, dass nicht zwangsläufig in jedem Fall mehr bezahlt weden muss. „Es geht nach oben wie nach unten“, sagt Kleinschmidt. Das, was jemand zahlt, ergebe sich aus dem Bescheid des Finanzamtes. „Und auf diesen Messbetrag rechnen wir dann unserern Hebesatz an.“ Zwei Beispiele:

Bei einem Messbetrag von 100 und dem bisherigen Hebesatz von 910 zahlen Hausbesitzer bisher 910 Euro Grundsteuer. „Sinkt der Messwert künftig auf 50 und multipliziert man ihn mit einem neuen Hebesatz von 13,2 (1302), kommen Sie nur noch auf etwas über 600 Euro“, rechnet der Kämmerer vor. Steige der Messbetrag jedoch auf 200, ergebe sich bei einem neuen Hebesatz von 1302 ein Betrag von über 2000 Euro. Kleinschmidt: „Daran sieht man, es gibt alles dabei.“

Wittener Politik muss über neuen Hebesatz entscheiden

Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hatte zur bundesweiten Änderung der Bewertungsgrundlagen geführt. Bei der Frage, wie viel Grundsteuer im Einzelfall zu zahlen ist, kommt es neben dem Hebesatz und der Steuermesszahl nun auch auf den Grundstückswert an.

Ungerecht sei das System trotzdem, darin zumindest sind sich die Politiker einig. Und es lasse die Kommunen im Regen stehen. „Es gibt noch ganz viele Einsprüche“, so CDU-Fraktionschef Pompetzki über die derzeit laufenden interfraktionellen Beratungen. „Aber das muss in diesem Jahr noch beschlossen werden“, sagt er und gibt zu bedenken: „Wir müssen einen genehmigungsfähigen Haushalt aufstellen.“

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Auch Michael Hasenkamp, Vorsitzender der Freien Wählergemeinschaft Stadtklima, weiß, dass sich vermutlich ein Minus im Haushalt ergeben würde, wenn der Hebesatz bei 910 Prozent bliebe. Dennoch erachtet er schon diesen Wert für zu hoch. „Wo soll das hinführen?“, fragt er. Es sei falsch, solche Steuern als Einnahmequelle zu verwenden und die Schraube weiter hochzudrehen. „Das schädigt das Ansehen des Wohnstandortes Witten.“

Für die Stadt geht es um viel Geld - bei rund 30.000 Grundstücken um mehr als 30 Millionen Euro Steueraufkommen. Kämmerer Matthias Kleinschmidt hatte zuletzt vor den differenzierten Hebesätzen gewarnt, deren rechtliche Rahmenbedingungen noch unklar seien. Der Verband Wohneigentum dagegen fordert die Stadt auf, diese reduzierten Grundsteuerhebesätze zu beschließen. Reinhard Stöcker, Vorsitzender des Kreisverbands Witten, warnt: „Andernfalls steigt die Grundsteuer fürs Wohnen hier ab 2025 um 17,3 Prozent.“

Man darf gespannt sein, wie die weiteren Diskussionen in den politischen Gremien verlaufen. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Die städtische Vorlage für den Rat wird am 22. November erwartet.

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