Witten. Mit 13 stand Wolf Codera erstmalig auf der Bühne. Doch seine Karriereweg war steinig. Zuweilen hing das Leben des Musikers am seidenen Faden.
Gleich mit einem Dreierpack feiert der Wittener Kultmusiker Wolf Codera (63) rund um Weihnachten sein 50-jähriges Bühnenjubiläum. Beim Gespräch an einem spätsommerlichen Herbstvormittag vorm Café Leye an der Bahnhofstraße erzählt der Saxophonist, dass seine Karriere kurios begann: mit der LP einer Feuerwehrkapelle.
Zum Gespräch erscheint Wolf Codera im Stil der verstorbenen Country-Legende Johnny Cash: ganz in Schwarz, Sonnenbrille inklusive. Er hat die Langrille mitgebracht, die sein Leben für immer verändern sollte. Der Jazzer liebte den entspannten Sound der Band Firehouse Five Plus Two: „Dieses Feeling ist, wie ich im Nachhinein festgestellt habe, meins geworden.“
Wittener Musiker bringt Saxophon und Klarinette zum Interview mit
Die abgegriffene Plattenhülle zeigt die Combo in historischen Uniformen der US-Wehr. Einer der Dixie-Jazzer auf dem Cover hält ein Sopransaxophon ist der Hand. Das Instrument ist, im Gegensatz zu den übrigen Saxophonen, rohrförmig. „Meine Eltern hielten das Instrument für eine Klarinette.“
Sarkoidose
Sarkoidose wird auch Morbus Besnier-Boeck-Schaumann oder kurz Morbus Boeck genannt. Sie ist laut Online-Lexikon Wikipedia eine häufige, Knötchen bildende (sogenannte granulomatöse) Erkrankung mit verstärkter zellulärer Immunantwort.
Vorrangig betroffen sind die Lymphknoten und das Lungengewebe. Es kann aber so gut wie jedes andere Organ ebenso befallen sein. Die Ursache dieser Erkrankung ist bisher unbekannt.
Wolf Codera hat gleich beide Instrumente mitgebracht. Auf dem Bistrotisch vorm Café liegen eine schwarze Klarinette, ein schlichtes Anfängerinstrument aus Kunststoff, und ein Sopransaxophon in glänzendem Goldton. Während des Gesprächs wird der Künstler immer wieder mal eines der Instrumente an die Lippen setzen, um seine Klangvorstellungen zu demonstrieren. Wer nicht glauben will, muss hören.
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Hören wollen ihn viele, bei Stadionkonzerten in Bochum oder Essen oder wie kürzlich beim Gospelkirchentag in Essen. „Mein Auftritt“, sagt der Vielharmoniker stolz, „war das einzige offizielle Bezahlkonzert.“ Karten für privat wirkende Wohnzimmerkonzerte wie am Pfingstmontag im Café Leye gelten als heiße Ware. Wolf Codera muss sich etwas einfallen lassen, damit wenigstens ein Teil seines Publikums aus neuen Gästen besteht.
Die Karriere des Jungen aus Durchholz indes begann in Grundschuljahren. Weil es in der Gemeinschaftsgrundschule im Dorf keinen Musikunterricht gab, musste Wolf Codera nach Bommern. Er stieg ganz klassisch mit einer Blockflöte in C ein: „Damals habe ich die Grifftechnik fürs Saxophon gelernt.“
Sein erster Auftritt, mit 13, fand ebenfalls in Bommern statt, in einer Keramikscheune. „Es war eine Vernissage“, erinnert sich Wolf Codera. „Ich habe Stücke wie den ,St. Louis Blues‘ gespielt.“ Sie klangen eher nach Klassik als nach Jazz. Wolf Coderas Publikum liebte ihn dafür. War sein Weg in die Profi-Szene vorgesehen?
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Von wegen. Der Zahnarzt-Sohn studierte Medizin. Und dann, mit Anfang 20, geriet er in eine Lebenskrise. Skirennen, Tennis, Musik – alles passé. Wolf Coderas Akku war leer: „Ich war zwischenzeitlich so leukämisch, dass die Leute dachten: Das wird nichts mehr.“ Der Künstler muss seither mit der Diagnose Sarkoidose leben. Cortisongaben hin, Klinikaufenthalte her – was hat ihm das Leben gerettet? Wolf Codera: „Ich weiß es nicht. Besser wurde es durch eine Heilpraktikerin aus Schwerte, die andere Ideen hatte. Sie hat meine Symptome gelindert.“
Freundschaft zu Klezmer-Weltstar Giora Feidman
Ausgerechnet in der Krise ergaben sich neue Chancen. Wichtig für Wolf Coderas Leben war Klezmer-Legende Giora Feidman: Der Klarinettist („Schindlers Liste“) wandert zwischen stilistischen Welten. Lebensklug ist er obendrein. Giora Feidman erkannte das künstlerische Potenzial von Wolf Codera in einer Zeit, als der Wittener orientierungslos war: „Ob Sport oder Musik – früher habe ich das gemacht, um den Mädels zu gefallen. Giora Feidman hat mir gesagt, wenn jemand so spielen kann wie Du und zu anderen sagt, macht Ihr das mal, dann ist das Frevel.“
Er sah sogar Wolf Coderas Krankheit als Zeichen. Der Saxophonist nahm ihm den Rüffel nicht übel. Vielmehr änderte der Ratschlag sein Leben. Wolf Codera sagt wie zu sich selbst: „Du hast eine zweite Chance bekommen, nutze sie.“ Da wusste er noch nicht., dass später eine Krebsdiagnise folgen würde. Giora Feidman stand ihm als Freund zur Seite. Als der Klezmer-Star 70 wurde, spielten beide Musiker gemeinsam auf der Bühne.
Opas Schieblehre hilft bei Arbeiten im Bastelraum
Sein Bühnenjubiläum feiert der experimentierfreudige Wittener Tausendsassa mit drei unterschiedlichen Konzerten. Am 15. Dezember gastiert der Musiker mit einem Weihnachtskonzert in Wittens Erlöserkirche, am 21. Dezember steht ein Mitsingkonzert in Wittens Ardeyhotel, und am 27. Dezember folgt ein Gig, der ein weihnachtliches Überraschungsgeschenk wird: „Ich liebe es, Erwartungen zu enttäuschen.“
Wolf Codera tüfelt noch an der Liste der Gastmusiker und am Programm. Nebenher tüftelt er auch im Bastelraum. So hat er beispielsweise sein Hauptinstrument Sopransaxophon technisch weiterentwickelt. Wolf Coderas handwerkliches Talent ist ein Erbe seines Großvaters. Er leitete einst das Gussstahlwerk in Witten. „Seine Schieblehre habe ich heute noch.“
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