Witten. 50 Jahre Folkclub Witten: Die Einrichtung besaß Kultstatus in der heimischen Musik-Szene. Ein Grund dafür war ausgerechnet ein Grafiker.
Der Wittener Folkclub war einst Kult. Sein Einfluss auf die Szene reichte weit über die Stadt hinaus. Am 25. September jährt sich die Gründung des Folkclubs zum 50. Mal. Ein wichtiger Unterstützer war Detlef Loth, inzwischen 69 Jahre. Dabei hatte der ehemalige Annener weniger mit Musik, dafür umso mehr mit der Optik zu tun.
Aber der Reihe nach. In den 70er-Jahren galt Volksmusik bei jungen Leuten als uncool. Das Genre war für sie politisch belastet. Stattdessen war angloamerikanische Volksmusik beliebt, aus England, Irland, Schottland und aus den USA, zuweilen auch aus Frankreich. Folk-Hits schwappten nach Deutschland. Musiker wie Hannes Wader & Co. fingen da an, wo Pete Seeger und Bob Dylan aufhörten. Fans wollten ihre musikalischen Helden auf der Bühne sehen – auch in Witten.
Der erste Folkabend in Wittens Pestalozzischule
Am 25. September 1974 war es so weit: Zum ersten Mal präsentierte der neue Folkclub Witten einen Konzertabend mit akustischer Musik in der Pestalozzischule. Dieses Datum gilt als Gründungstag der legendären Einrichtung um Hildegard Doebner (1928-2000). Mitstreiter wie Ulli Pütz, Michael Lohrengel, Bernd Dussin und auch ihre Kinder Rolf und Anke warben für handgemachte und authentische Musik.
Das Konzept kam an. 1975 kamen zu den wöchentlichen Treffs freitagabends in der Alten Zeit die sommerlichen Festivals auf dem Hohenstein dazu. Der Erfolg des Folkclubs lebte von Mundpropaganda, aber auch von einer passenden Optik. Und da kam Detlef Loth ins Spiel.
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Der Grafiker sorgte mit seinem freundlichen Plakatmotiv für die Folktreffs von 1976 und 1977 für eine einladende Optik. „Manch ein Musikliebhaber fand die großformatige Zeichnung so gut, dass sie viele Jahre in seinem Jugendzimmer hing – gleich neben Che Guevara“, erinnert sich ein Wittener an seine Jugendjahre.
Außer für den Folkclub entwarf Loth ein Plakat für die Studiobühne Marburg, machte Illustrationen und veröffentlichte für das Jahr 1978 einen erfolgreichen Buch-Kalender („Eines schönen Tages“). Schließlich malte er vor 45 Jahren das Cover der Langspielplatte „Surprise“ des Dortmunder Singer-Songwriters Udo Heitkemper. Auf dem Album der kleine Plattenfirma Knöterich aus Annen spielte Loth sogar auf drei Liedern Congas und Bongos. Hauptberuflich war Heitkemper Sonderschullehrer. Inzwischen ist er pensioniert.
Fotorealistisches LP-Cover auf Augenhöhe mit Dylan und Stones
Heitkemper heute: „Detlefs fotorealistisches Cover hat seitdem einen Ehrenplatz in meinem Plattenschrank – gleich neben den Vinyls von den Stones und Bob Dylan.“
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Dabei war Detlef Loth gar kein ausgebildeter Zeichner, sondern ein begnadeter Autodidakt mit einer besonderen Strichtechnik. Wie kam der Kontakt zum Folkclub zustande?
„Über Bekannte hatte die damalige ,Folkmutter‘ von mir gehört und bat mich zu einem Gespräch, um mit mir über ein Plakat für ein kommendes Folk-Festival zu sprechen. Irgendwie kannte man sich ja vom Sehen und Hören, denn für mich und viele andere war der Folk-Club mittlerweile eine feste Institution geworden, zu dem man immer wieder ging, um gute Musik zu hören“, erzählte Loth im Gespräch mit der Redaktion.
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Wittener Grafiker wurde Weltenbummler
Anfang der 80er-Jahre verließ Loth das Ruhrgebiet, ging zunächst nach West-Berlin. „Um dem Dienst an der Waffe aus dem Weg gehen zu können, suchte ich den damals gültigen Schutzraum dieser eingeschlossenen Stadt“, berichtete Loth. Eine Schreinerlehre platzte gleich in der Probezeit, die Mitarbeit in einem Kneipenkollektiv erwies sich als „soziale Herausforderung“. Loth, der Wandervogel, pendelte zwischen Deutschland und Ghana. Zuletzt lebte und arbeitete Loth in Lübeck: als Lehrer in einer Waldorfschule. Im Ruhestand arbeitet er jetzt als Integrationshelfer in der Waldorfschule, gärtnert und spielt gerne Zungentrommel. Und die Heimat?
„Als ich nach vielen Jahren Abwesenheit wieder das erste Mal die Orte meiner Kindheit und Jugend in Witten aufsuchte, war ich erstaunt und erschüttert, wie sich diese Orte verändert haben beziehungsweise verändert worden sind“, sagte Loth. „Ich könnte heute nur in den Randbezirken, wie zum Beispiel Bommern, in ruhiger Wohnlage wohnen.“
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