Oberhausen. Der Klassiker der Oberhausener Kabarettshows „Nachgewürzt“ wagte nach Corona das Doppelpack – und forderte Ruheständler zum Banken-Protest auf.
Auch Klassiker hatten es schwer in Zeiten der Pandemie. Seit 2008 veranstaltet das Zentrum Altenberg in Oberhausen unter dem programmatischen Titel „Nachgewürzt“ alle zwei Monate seine beliebte Kabarettshow mit Live-Musik. Während der Corona-Zeit behalfen sich die Künstler mit Live-Streams und waren nun stolz, zum ersten Mal wieder eine Doppel-Show am vergangenen Freitag und Samstag wagen zu können und – am ersten Tag – mit 180 Gästen ein ausverkauftes Haus zu haben.
Die drei Ruhrgebiets-Künstler Benjamin Eisenberg (Bottrop), Christian Hirdes (Bochum) und Matthias Reuter (Oberhausen) präsentieren in „Nachgewürzt“ regelmäßig einen satirischen Rückblick auf den politischen und gesellschaftlichen Wahnsinn der letzten Zeit und laden sich wechselnde Gäste ein, diesmal Helmut Hoffmann, alias Hans-Herrmann Thielke, aus Hamburg.
Viele Veranstalter wie Kevin Kerndl vom Zentrum Altenberg merken, dass vor allem die Stammgäste langsam zurückkehren. So wie die Freunde Tanja Hartmann, Uwe Baumert, Stefan Galonska und Nicole Ulmer, die bereits mehrere Male in der Show waren, nun zum ersten Mal in der Post-Corona-Zeit. Sie kommen immer wieder, weil, so Uwe Baumert, „die Shows immer wunderbar aktuell sind und die Themen auf den Punkt bringen.“
„Nachgewürzt“ im Zentrum Altenberg: Scholz als Actionfigur, Pistorius aufs T-Shirt
Benjamin Eisenberg, eher mit dem kabarettistischen Säbel statt Florett auf der Bühne, tritt mit Olaf-Scholz-Augenklappe vor das Publikum und macht sich über das Namensänderungsgesetz der Ampel-Koalition lustig, indem er wenig subtil einen wohnungssuchenden ausländischen Mitbürger als Herrn Müller nachspielt. Politikern rät er zu einem besseren Marketing und präsentiert Fotos, wie erfolgreich Merchandising-Artikel von Putin und Trump verkauft werden. Die visuellen Vorschläge des Künstlers: Olaf Scholz als Action-Figur, Boris Pistorius im Stile Che Guevaras auf einem T-Shirt oder Hubert Aiwanger mit dem geteilten Konterfei auf dem Gesäß einer Lederhose, dazwischen käme ohnehin nur heiße Luft raus.
Mit dem Lied „Herr Förster überfällt eine Bank“ spricht Matthias Reuter dem Publikum, geschätztes Durchschnittsalter 60+, aus dem Herzen. Auf der wahren Geschichte des Spaniers Carlos San Juan basierend, wiegelt er ausdrücklich zum effizienten Widerstand gegen den fehlenden Respekt gegenüber Älteren im Online-Banking-Wahn auf: Einfach die Bank lahmlegen! Das geht ganz einfach: 500 Rentner gehen jeden Tag mit ihrem Sparbuch zur Bank und zahlen 5 Euro ein. In Münzen, in ihrem Tempo.
Musik-Kabarett in Oberhausen: Rockiges für die Generation Rolling Stones
Christian Hirdes singt über toxisches Männlichkeitsgebaren, kongenial mit der Melodie des 1963-Cliff-Richard-Schlagers „Rote Lippen soll man küssen“ und der Anspielung auf den spanischen Fußball-Verbandspräsidenten Luis Rubiales, der eine Spielerin nach dem WM-Sieg auf den Mund küsste. Doch die Melodie bleibt ein singulärer Ausrutscher, denn die Musik des Abends im Zentrum Altenberg ist weit entfernt von Schlagern. Die Band mit Holger Hahn, Jan Bierther und Philipp Ernsting spielt Rockiges, bei dem die Generation Rolling Stones sich wiederfindet und im Takt der Gitarrenriffs mit den Füßen wippt.
Schon das Äußere von Hans-Hermann Thielke, der im wahren Leben Helmut Hoffmann heißt, ist spektakulär unspektakulär. Im Strickpullunder über dem weißen Hemd mit Krawatte und strengem Seitenscheitel spielt er seine Paraderolle als deutscher Postbeamter, der seine Fähigkeiten in einer Humor-Fortbildung erlernte. In einem einzigartig strengen Ton macht er sich über die Bürokratie lustig und beschreibt, wie auf dem Postamt nach dem Überschreiten des Diskretionsabstandsstandstreifens, quasi im Schalternahbereich, ein tageszeitlich angepasster Gruß vor dem Bedienungsvorgang auszuführen ist. Natürlich gab es für ihn in den letzten Jahren mp3-Masken und Homeoffice für einen Schlachtbetrieb. Das Gegenteil von Künstlicher Intelligenz ist bei der Kunstfigur Thielke die „Intelligenz mit natürlichem Antlitz“, die aber „jeder vierte Deutsche nur vortäuscht“.
Die drei Lokalmatadoren stehen heute im Schatten des Gastes Hans-Hermann Thielke. „Das war das Highlight des Abends“, darin sind sich auch die Gäste Uwe Baumert und Tanja Hartmann einig, „weil man ihn aus dem Fernsehen kennt und er das Publikum wirklich einfängt.“ „Es kommen Wendungen“, ergänzt Nicole Ulmer, „,die man nicht erwartet.“ Die Gäste sind begeistert von dem über zweistündigen Programm. „Das hat sich gelohnt!“ lautet das uneingeschränkte Lob von Tanja Hartmann nach der Veranstaltung. Stefan Galonska ergänzt im Namen aller: „Kurzweilig wie immer!“
>>> Im November gibt es die Jubiläums-Show
Das nächste Programm „Nachgewürzt“ im Zentrum Altenberg findet am 17. und 18. November um 20 Uhr statt. Die Kabarettisten feiern dann mit der 75. Veranstaltung ein Jubiläum.
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