Witten. Azubis in der Landwirtschaft sind so selten wie die blaue Mauritius. Leonard Liedmann aus Witten hat sich dennoch getraut. Er erzählt, warum.
Die Landwirtschaft hat einen schweren Stand. Der Klimawandel. Die Energiepreise. Die Bürokratie. Kein Wunder, dass Azubis auf dem Acker so selten sind wie die blaue Mauritius. Vor kurzem noch schlug die Landwirtschaftskammer NRW Alarm. 1000 Ausbildungsplätze, hieß es, seien noch frei. Leonard Liedmann aus dem Wittener Ortsteil Gedern weiß das. Doch all das hindert den 19-Jährigen nicht daran, Landwirt zu werden, Gemüsebauer. Im Gespräch erzählt er, was ihn antreibt.
Leonard sitzt am elterlichen Küchentisch. Über eine Antwort, warum er Bauer werden will, muss er nicht lange nachdenken. „Landwirtschaft ist eine Branche, die recht vielseitig ist. Du hast viele Möglichkeiten, Sachen auszuprobieren.“ Herausforderungen meistern: Das ist dem angehenden Jungbauern wichtiger als vielleicht die Aussicht aufs große Geld in einem anderen Beruf. „Von Kind auf hat mir Landwirtschaft immer Spaß gemacht“, sagt der junge Mann. Er hätte sich gegen die Bewirtschaftung der heimischen Scholle entscheiden können – hat es aber nicht getan.
19-Jähriger packt Probleme bei der Wurzel
Inzwischen ist der junge Mann im zweiten Lehrjahr. Auf einem riesigen Biohof im niederrheinischen Niederkrüchten hat er gelernt, Probleme buchstäblich bei der Wurzel zu packen, von der Rotkohlernte bis zum Zwiebelsortieren. Später durfte der Azubi osteuropäische Erntehelfer anleiten: Vertrauensbeweis seines Ausbildungsbetriebs.
Leonard lernte, dass es nicht nur ums Ackern geht, sondern auch ums Wirtschaften. Das Team vom Niederrhein produziert auf 320 Hektar Nutzfläche für die Industrie, für den Lebensmittelhandel, teilweise wird die Ware tiefgekühlt geliefert. Der Handel verlangt Menge, Garantiemenge. „Landwirtschaft wird sehr intensiv betrieben“, hat der 19-Jährige in Niederkrüchten gelernt. „Teilweise gibt es zwei Kulturen pro Jahr.“
Großer Betrieb mit großen Mengen
Großer Betrieb mit großen Mengen: Das klingt so, als habe das digitale Zeitalter dort längst begonnen. Das stimmt aber nur teilweise. Sicher, großes landwirtschaftliches Gerät wird per GPS-Satellit aus dem All gesteuert. Andererseits hat der Ausbildungsbetrieb „nicht einmal eine Zeitstempelsystem für die Mitarbeiter“, wie Leonard Liedmann beiläufig anmerkt.
Die zweite Station seiner Ausbildung hat ihn zu einem Saatgutveredler in Welver in der Soester Börde geführt: für ihn ein Kontrastprogramm. In einem Gewächshaus schlägt das Saatgut Wurzeln. Dazu kommt eine Versuchsfläche, um zu testen, wie veränderte Gemüseaussaat wächst, welche Düngemittel und Spritzmittel nötig sind und wie gut die Ernte ausfällt: „Das sind alles Sorten, die noch nicht auf dem Markt sind.“ Und welche Rolle spielt der Klimawandel?
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Unbestritten ist: Die Durchschnittstemperaturen steigen, im Ruhrtal wie andernorts. Zugleich sind Schwankungen zwischen Dürre- und Regenjahren größer als noch vor wenigen Jahrzehnten. „Wir haben lieber trockenes als nasses Wasser“, stellt Leonard mit Blick aufs Gemüse fest, „weil wir in trockenen Jahren die Felder bewässern können. Das ist einfacher zu steuern“.
Über Dauerregen freuen sich nur Unkraut, Pilze und Insekten. Dazu kommt, dass sich Gemüsewurzeln bei reichlich Niederschlag kaum ausbilden – die Pflanzen müssen sich nicht anstrengen, um an Wasser zu kommen. Das allerdings wird zum Problem, sobald eine Trockenphase anbricht.
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In diesem Jahr sah es zunächst nach einer Katastrophe im Gemüsebeet aus. Doch der recht trockene August hat dafür gesorgt, dass die Saat in Gedern gut aufgegangen ist. Fürs Foto stellt sich Leonard Liedmann in die kleine Ackerfläche – zwischen Möhren und Rote Beete, Rotkohl und Endiviensalat.
Verkauft wird das frisch geerntete Gemüse im väterlichen Hofladen der „Kornkammer“. Zwischen Acker und Verkaufsraum liegen nur ein paar Schritte. Mehr Regionalität geht nicht. Feinschmecker wissen genau das zu schätzen. Wie sieht’s denn mit Leonard Liedmanns Kochkünsten aus? Der Junior lacht: „Ich war auf der Waldorfschule. Da habe ich Kochen gelernt. Doch es ist bei Grundkenntnissen geblieben.“
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