Witten. Das Wäsche-Fachgeschäft wird zehn Jahre alt und hat einen Preis bekommen. Ist die Lage an der unteren Bahnhofstraße ein Nachteil? Keineswegs.

  • Bei der Busenfreundin gibt es BHs mit individuellen Maßen, etwa einem Brustumfang von 65 bis 130 cm
  • Ein Schwerpunkt ist Brustprothetik für Frauen nach Brustkrebs-Operationen
  • Lage an der unteren Bahnhofstraße ist kein Nachteil

Stolz hat Lena Tuszynski den Bilderrahmen mit der Urkunde ins Schaufenster gestellt. Als „Top 10 Dessous Fachgeschäft“ wurde die „Busenfreundin“ an der Bahnhofstraße 50 in Witten kürzlich ausgezeichnet. Das sei „ein Stimmungsbooster nach einem schwierigen Jahr“, so die 41-Jährige. Seit zehn Jahren kann sie sich mit ihrem Sortiment behaupten, aber gerade das Jubiläumsjahr sollte das schwerste für die engagierte Händlerin werden.

In der Busenfreundin gibt es neben Wäsche und Badeanzügen auch sogenannte Brustprothetik für Frauen nach Brustkrebs-Operationen sowie BHs, die man in Filialen wie Hunkemöller oder H&M nicht findet: etwa bis Körbchengröße N. Der große Unterschied zu anderen Dessousgeschäften aber sei: „Bis uns kaufen die Frauen Unterwäsche für sich selbst“, sagt Lena Tuszynski. Es gibt deswegen kein klassisches Weihnachtsgeschäft oder raffinierte Rabattaktionen. Die BHs überzeugen von selbst: Weil sie bequem sind und meist ohne zwickende Bügel auskommen.

Kunden kommen meist über Google

Das war 2014: Edelgard und Lena Tuszynski eröffnen das Fachgeschäft „Busenfreundin“ an der Bahnhofstraße in Witten. Tochter Lena ist zu diesem Zeitpunkt mit ihrem ersten Kind schwanger.
Das war 2014: Edelgard und Lena Tuszynski eröffnen das Fachgeschäft „Busenfreundin“ an der Bahnhofstraße in Witten. Tochter Lena ist zu diesem Zeitpunkt mit ihrem ersten Kind schwanger. © Walter Fischer | Walter Fischer

Als Lenas Mutter Edelgard, eine gelernte Krankenschwester, das Geschäft 2014 eröffnete, haben die beiden vor allem „Hilfsmittel“ - ähnlich wie in einem Sanitätshaus - verkauft. Inzwischen wandern mehr „normale Dessous“ über den Ladentisch. Ein bisschen bedauert Lena Tuszynski, dass im Brustzentrum des Marien-Hospitals so wenig auf den örtlichen Fachhandel hingewiesen werde. Ihre Kundinnen, die aus dem ganzen Umland nach Witten kommen, entdecken die „Busenfreundin“ meist erst über Google.

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So erklärt es sich auch, dass ein Geschäft an einer Ecke Bestand haben kann, in der es wenig Laufkundschaft gibt. Tuszynski hat schon öfter darüber nachgedacht, die untere Bahnhofstraße zu verlassen. Aber ein bezahlbares Ladenlokal zu finden, das die Auflagen eines Sanitätshauses erfüllt - etwa eine behindertengerechte Toilette und einen ebenerdigen Eingang - ist eben nicht einfach.

Die „Busenfreundin“ in Witten wird 10 Jahre alt. Das Wäschegeschäft führt Lena Tuszynski.
Die „Busenfreundin“ in Witten wird 10 Jahre alt. Das Wäschegeschäft führt Lena Tuszynski. © FUNKE Foto Services | Sebastian Sternemann

Untere Bahnhofstraße: „Ich fühle mich hier wohl und sicher“

Lena Tuszynski stört es auch, dass der mittlere Teil der Bahnhofstraße mit seinen vielen Multi-Kulti-Geschäften so einen schlechten Ruf hat. Sie sagt: „Das sind alles inhabergeführte Läden und die Leute kümmern sich.“ Die Fußgängerzone hier werde sauber gehalten und sei mit Blumen geschmückt. „Einige dieser Geschäfte gibt es schon seit Jahren. Ich fühle mich hier wohl und sicher“, betont die Geschäftsfrau. Trotzdem werde sie einmal die Woche - und zwar allein von den Wittenerinnen - gefragt: „Wie kommen Sie denn hier klar?“

Die Inhaberin der „Busenfreundin“ macht offenbar vieles richtig: Sie betreut ihre Homepage und den kleinen Webshop selbst, verkauft also online. Mutter und Tochter Tuszynski machen Hausbesuche, etwa zur Kompressionsversorgung. Manche Leute, etwa mit Lymphödem, seien so wenig mobil, dass sie nicht mehr vor die Tür könnten. Neben Edelgard Tuszynski (70) und ihrer Tochter arbeiten drei Angestellte in dem kleinen Unternehmen, und zaubern Büstenhalter aus den Regalen, die man woanders schlecht findet. So gibt es BHs mit ganz individuellen Maßen. Der Brustumfang von 65 bis 130 cm kann kombiniert werden mit den Körbchengrößen AA bis J, mitunter sogar K, L, M und N. Der absolute Renner sind in diesem Jahr übrigens „Bralettes“: eine Art Bustier mit breitem Verschluss.

Eine Krise reiht sich an die andere

Doch obwohl der Laden allein dank vieler treuer Stammkundinnen gut läuft, sind neue Investitionen kaum möglich. „In den letzten Jahren hat sich eine Krise an die andere gereiht“, sagt die Ladeninhaberin und zweifache Mama. „Im Moment kalkuliere ich die Kosten so, dass ich gerade überleben kann.“ Neben hohen Steuerabgaben schlagen in diesem Jahr die Rückzahlungen der Corona-Hilfen zu buche. Dafür musste Lena Tuszynski erneut einen Kredit aufnehmen. „Das lässt mich unruhig schlafen“, sagt die Wittenerin. „Das ganze System ist falsch. So viele kleine Unternehmen werden ihrer Energie und Kreativität beraubt und an diesem Punkt abgewürgt.“

Das zehnjährige Jubiläum feiert das Dessousgeschäft an der Bahnhofstraße/Ecke Breddestraße am Samstag, 28. September. Geöffnet ist dann von 10 bis 16 Uhr. Es gibt einen Sektempfang und ein Gewinnspiel.

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