Witten. Mehr als jeder zweite Wittener Betrieb ist unzufrieden. Das liegt etwa am Baustellenmanagement. Hohe Steuern lassen Spedition an Wegzug denken.
Mehr als die Hälfte der Unternehmerinnen und Unternehmer ist mit dem Wirtschaftsstandort Witten unzufrieden. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer Mittleres Ruhrgebiet (IHK). Nur zehn Prozent der Befragten sind demnach „sehr zufrieden“, immerhin 36 Prozent „zufrieden“ mit der Ruhrstadt.
Die IHK hatte vor rund einer Woche zum dritten Wirtschaftsforum in Haus Witten geladen, mehr als 100 Unternehmerinnen und Unternehmer kamen. „Das Engagement der Wirtschaft in Witten für ihre Stadt ist wirklich enorm“, sagt Hans Hierweck, IHK-Regionalbetreuer für Witten. Die Veranstaltung sei komplett ausgebucht gewesen. Zu Beginn habe man gefragt, wer alteingesessener Wittener sei. „Und eine Vielzahl von Händen hat sich gehoben“, so Hierweck. „Die Unternehmerinnen und Unternehmer identifizieren sich sehr stark mit ihrem Standort.“
Unternehmerinnen und Unternehmer in Witten identifizieren sich stark mit dem Standort
Und dennoch zeigte sich bei der in Haus Witten durchgeführten Umfrage die Unzufriedenheit der Firmenlenker. So benoten etwa auch 30 Prozent von ihnen die Mobilitätssituation in der Stadt mit „mangelhaft“, nur vier Prozent empfinden sie als „sehr gut“. „Das Thema Baustellenmanagement treibt viele Unternehmer um“, weiß Michael Bergmann, IHK-Hauptgeschäftsführer. „Allein die sehr lange Sanierungsphase der Pferdebachstraße hat viele Nerven gekostet, und derzeit gibt es immer noch eine Vielzahl an Baustellen im Stadtgebiet.“
Um mehr Fachkräfte gewinnen zu können, fordern die Unternehmen zudem mehr bezahlbare Wohnungen und weniger Bürokratie. Und ebenso eine bessere und vor allem schnellere Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen in der Stadtverwaltung. Der auch bei der Stadt herrschende Fachkräftemangel reiche den Unternehmern hierfür nicht als Erklärung, sagt Bergmann.
Fehlende Gewerbeflächen: Speditionsfirma WTK denkt über Wegzug nach
Auch fehlen in Witten weiterhin Gewerbeflächen - auch das ein Thema, das manchem Unternehmer graue Haare wachsen lässt. So wie Jörn Stratmann vom Wittener Transport Kontor (WTK). Schon 2019 startete das Speditions-Unternehmen mit der Suche nach einer neuen, deutlich größeren Fläche. Denn am jahrzehntealten Firmensitz am Hevener Neddenburweg platzte WTK sinnbildlich aus allen Nähten. 2021 konnte man dann endlich wachsen - durch Zukauf eines Nachbargrundstücks. Aber das reicht nicht.
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„Wir versuchen seit zig Jahren zu expandieren“, ärgert sich Stratmann. An den WTK-Standorten Duisburg und Hagen etwa sei es möglich gewesen, sich vor Ort zu erweitern. Auch in der Nähe von Leipzig habe man einen „Riesenstandort“ eröffnet. „Ich hätte das lieber in Witten gemacht“, sagt Jörn Stratmann, Sohn von Unternehmens-Mitbegründer Günther Stratmann. „Aber wenn wir hier nicht mehr wachsen können, dann geht es eben nicht“, sagt der 64-Jährige nicht ohne Frust.
Zweieinhalb Jahre für einen Antrag auf Nutzungsänderung
Auch er hat schon seine Erfahrungen mit der Schwerfälligkeit der hiesigen Behörden gemacht, die so viele Unternehmer bemängeln. „Irrsinnig lange“ würden die Genehmigungsverfahren dauern. „Sehr mühsam“ sei die Kommunikation mit der Verwaltung. So habe ein Nutzungsänderungsantrag für eine seiner Hallen mehr als zweieinhalb Jahre gedauert. „Bis dahin hatte ich den entsprechenden Auftrag verworfen“, sagt Stratmann.
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Ein Dauerbrenner sei auch der sehr hohe Grundsteuerhebesatz, sagt IHK-Experte Hierweck. Er sei für viele Unternehmen eine große Belastung. „Wir haben von einigen Start-ups gehört, dass sie sich vergrößern und sich deshalb lieber in umliegenden Städten niederlassen, wo es günstiger ist“, so der 39-Jährige. Doch gleiches gilt auch für die Alteingesessenen: „Die Grund- und Gewerbesteuern werden erhöht und erhöht. Das führt dazu, dass ich ganz intensiv darüber nachdenke, Witten als Standort aufzugeben“, sagt Speditions-Chef Stratmann. Es wäre ein Abschied nach über 50 Jahren Firmengeschichte am Gründungsort Witten.
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