Neviges. Die Wöllners lernten sich auf dem Schulhof kennen. Für beide war es Liebe auf den ersten Blick. Eher unromantisch war dann der Heiratsantrag.

Wie selten dieses Ehejubiläum ist, hat Tochter Tina in Velbert erst kürzlich in einem Geschäft erfahren. „Ich wollte eine Gratulations-Karte für meine Eltern kaufen. Die Verkäuferin sah mich nur groß an und meinte: Gnadenhochzeit? Dafür gibt es nichts.“ 70 Jahre verheiratet, eine Liebe lebenslang. Das scheint nicht vorgesehen zu sein in der Karten-Branche. Lucie und Ekkehard Wöllner aus Velbert-Neviges feiern heute, am 21. August 2024, diesen großen Tag im Kreis ihrer Familie. Vor 70 Jahren, am 21. August 1954, gaben sich der technische Leiter (93) und die gelernte Buchhalterin (90) das Ja-Wort. Und wenn Ekkehard Wöllner (93) mit herrlich jungen und strahlend blauen Augen sagt: „Ich war in der Oberprima, sie ging auf die gleiche Schule. Wir haben uns in der Pause gesehen, wie das eben so ist. Mir gefiel einfach alles an ihr“, dann hat man keine weiteren Fragen.

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Ein Geschenk der Töchter ist dieses Foto-Kissen, das die Wöllners ungefähr im Jahr ihrer Hochzeit zeigt.
Ein Geschenk der Töchter ist dieses Foto-Kissen, das die Wöllners ungefähr im Jahr ihrer Hochzeit zeigt. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Aber ein klein wenig Nachbohren sei erlaubt. Ja, als er die Schülerin Lucie damals im Gymnasium im thüringischen Langensalza zum ersten Mal sah, das sei schon Liebe auf den ersten Blick gewesen. Und ja, „sie war sehr hübsch“. Zu sehen auf dem Sofa-Kissen, das die beiden Töchter Tina (66) und Anette (62) ihren Eltern einst zu einem anderen Ehejubiläum schenkten: Das Kissen zeigt ein Foto des damals sehr jungen Jubel-Paares. „Das muss ungefähr im Jahr der Heirat gewesen sein, vielleicht auch etwas früher“, sagt Tina Wöllner. Und wie sah die Feier aus? Schallendes Gelächter bei den Wöllners, doch dazu später.

Von Neuss über Wuppertal nach Velbert gezogen

Besuch vom Bürgermeister

Zur Gnadenhochzeit des Ehepaares Wöllner gratuliert am Mittwoch, 21. August, auch Bürgermeister Dirk Lukrafka persönlich in der Hügelstraße.

In Velbert gibt es nach Information der Stadt insgesamt zwölf Paare, die im Zeitraum 21. August bis zum 28. Mai 2025 70 Jahre und länger verheiratet wären.

Dass sich der gebürtige Bremer und seine im damaligen Ostpreußen geborene Frau in einem Gymnasium in Thüringen kennenlernten, hängt mit den Schrecken des Zweiten Weltkrieges zusammen. „Ich hab den Krieg bei meinen Großeltern in Thüringen überlebt, meine Frau kam mit ihrer Familie damals aus dem Osten.“ Man sah sich immer mal wieder, ging gemeinsam aus, „getanzt wurde mit Kapelle“, erinnert sich Ekkehard Wöllner schmunzelnd. Nach dem Abitur absolvierte er zunächst in der Wartburgstadt Eisenach bei BMW eine Maschinenschlosser-Lehre, „1951 bin ich dann rüber in den Westen, ich war politisch nicht auf Linie“. Zunächst allein zurück in die Geburtsstadt Bremen, zog Ekkehard Wöllner kurz darauf wegen einer Stelle im Bereich Landmaschinenbau nach Neuss. „Meine Frau kam 1954 in den Westen nach, in jenem Jahr haben wir auch in Neuss geheiratet.“

Seine Enkelin habe ihn noch vor Tagen gefragt, wie denn der Antrag wohl ausgesehen habe, erzählt der rüstige 93-Jährige amüsiert. „Es gab gar keinen Antrag, wir haben einfach geheiratet, weil man doch sonst keine Wohnung bekommen hätte.“ Klammheimlich wurde dann am zweiten Weihnachtstag, ebenfalls in Neuss, kirchlich geheiratet „Nur mit dem Pfarrer, ganz klein, so war das damals.“

Die Braut kochte selbst das Hochzeitsmahl

Wie damals die Hochzeitsfeier nach der standesamtlichen Trauung aussah, das ist eine im Familienkreis immer wieder gern erzählte Geschichte. „Papa, das musst du erzählen, das ist so lustig“, sagt Tochter Tina amüsiert. „Damals waren die Vermieter – für die 52 Quadratmeter-Wohnung zahlten wir 60 Mark Miete – auch Trauzeugen. Sie sollten außerdem das Hochzeitsmahl ausrichten, so war es abgemacht. Doch die Frau, das stellte sich erst da heraus, konnte überhaupt nicht kochen. Also hat sich meine Frau kurzerhand selbst hingestellt.“

40-jähriges Dienstjubiläum bei Erbslöh

Das Jahr 1954 war in vieler Hinsicht ein entscheidendes für das junge Paar, das erst heiraten durfte, nachdem der Bräutigam bei seinem Schwiegervater in spe schriftlich um Erlaubnis gebeten hatte: Die Braut stand damals kurz vor ihrem 21. Geburtstag, war also noch nicht volljährig. Im selben Jahr hatte auch ein Bekannter Ekkehard Wöllner gefragt, ob er sich vorstellen könne, die Branche zu wechseln, also weg vom Landmaschinenbau. „Ich war dann ab 1954 bei Erbslöh in der Qualitätssicherung, erst drei Jahre in Wuppertal, 1957 wurde dann das Werk hier in Neviges an der Siebeneicker Straße gebaut.“ Der 93-Jährige lächelt: „Ich hatte das Glück, meine Stelle 40 Jahre bis zur Rente zu behalten.“ Einst hatte er die Abteilung Qualitätssicherung mitaufgebaut, sie später auch geleitet.

Mit 91 Jahren noch regelmäßig zum Yoga

Gute Jahre seien das bei Erbslöh gewesen, im Jahr 1974 zog die vierköpfige Familie in das neu erbaute Eigenheim an der Hügelstraße. „Hier fühlen wir uns bis heute sehr, sehr wohl“, erzählt der rüstige Senior, der lange Zeit im Posaunenchor der Wuppertaler Friedenskirche spielte und mit 91 Jahren noch regelmäßig zum Yoga ging. „Mit meiner Frau zusammen habe ich das 50 Jahre lang bei der Volkshochschule gemacht, was meinen Sie, wie viele Yogalehrer wir verschlissen haben“, meint er vergnügt. „Jetzt mache ich nur noch das da, jeden Tag zehn Minuten“, dabei zeigt er auf den Heimtrainer, auf dem er täglich ordentlich strampelt. Jahrelang traf er sich mit einer Clique jeden Sonntag zum Lauftreff in Tönisheide, zog auch mit Enkel Daniel so manche Runde. Der Sport hielt ihn fit, noch immer pflegt der 93-Jährige den Vorgarten selbst, erntet seinen eigenen Salat und manchmal Zucchini. „Ich hab mir ein Hochbeet bauen lassen, das Bücken klappt nicht mehr so gut.“

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Im Ruhestand die ganze Welt bereist

Dass er sich jetzt rührend und liebevoll um seine Frau kümmert, die leider nicht mehr ganz so rüstig ist, das ist für Ekkehard Wöllner selbstverständlich, darüber muss man kein Wort verlieren. Dankbar blicken beide zurück, „wir sind nach der Rente viel gereist, Südafrika, New York, Singapur, waren immer unterwegs, nie zweimal an einem Ort. Nur zum Schluss Fuerteventura, da waren wir dreimal.“ Die Reiselust habe sich vererbt, sagt Tochter Tina lächelnd, sie selbst, ihre Schwester Annette und auch die Enkel Daniel, Julia, Louisa und Pia seien gern auf Achse. Doch zu diesem besonderen Familienfest, da kommen sie am Wochenende alle nach Neviges, gratulieren zu einer lebenslangen Liebe.