Mülheim. In uriger Kulisse lädt Julian Mikeleit als „Kalle-Jule“ zum Gespräch. Seine Gäste? Mülheimer Unternehmer, Führungspersönlichkeiten und Künstler.

Hatten Sie vielleicht kürzlichen einen Bierdeckel im Briefkasten? Darauf abgebildet ein Herrenzimmer, handschriftlich notiert am Rand: eine Telefonnummer. Diese Tatsache an sich wäre schon ungewöhnlich genug. Wer oder was dahinter steckt, ist noch überraschender. Denn hier wirbt Kalle-Jule für seine „Talentkiste“, seinen Pott-Podcast aus und über Mülheim(er). Wir haben uns im Herrenzimmer vor dunkler Holzvertäfelung und in grün-samtenen Sesseln erklären lassen, was es damit auf sich hat.

Schließt sich die hölzerne Tür des Herrenzimmers hinter einem, befindet man sich in einer anderen Welt. Es sieht nicht nur aus wie damals bei Oma in den 80er, 90er Jahren, auch der Geruch kitzelt Erinnerungen wach. Ist das abgestandener Zigarettenrauch oder sind das die staubigen Ausdünstungen der alten Möbel? Vieles hier wirkt vertraut, der Bezug des geschwungenen Sofas, der samtiger aussieht, als er sich anfühlt, die viereckige Glaskaraffe, hier gefüllt mit Wasser statt Likör, der aufgeständerte Aschenbecher, der zwischen den Sesseln steht. In dieser Atmosphäre, die Gemütlichkeit vermitteln und Geborgenheit spüren lassen will, führt Kalle-Jule die Gespräche für seinen Pott-Podcast, „einen intimen Schnack“, wie er es nennt.

Kunstfigur Kalle-Jule fragt: Was treibt die Mülheimer jeden Tag aufs Neue an?

Ihn interessiere, was die Menschen antreibe, woran sie glauben, wovor sie Angst haben. Und auch wenn Kalle-Jule eine Kunstfigur ist, überzeichnet daherkommt, betont im Ruhrpott-Slang spricht und sich im ballonseidenen Jogginganzug kleidet – sein Anliegen, mit den Menschen, mit Mühlheimerinnen und Mülheimern ins - tiefgehende - Gespräch zu kommen, ist Julian Mikeleit durchaus ernst.

Der Mülheimer Julian Mikeleit hat die Kunstfigur Kalle-Jule erschaffen. Der waschechte Ruhrpottler führt im Herrenzimmer Gespräche, vorzugsweise mit Unternehmern, Führungspersönlichkeiten oder Künstlern, die dann als Podcast erscheinen.
Der Mülheimer Julian Mikeleit hat die Kunstfigur Kalle-Jule erschaffen. Der waschechte Ruhrpottler führt im Herrenzimmer Gespräche, vorzugsweise mit Unternehmern, Führungspersönlichkeiten oder Künstlern, die dann als Podcast erscheinen. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Tabus will er ansprechen, aus der Angstecke herausholen. Etwa über den Tod möchte er offen sprechen, denn der jage offenkundig vielen Angst ein, gehöre aber schließlich unumstößlich zum Leben dazu. Als ehrenamtlicher Sterbebegleiter bei der Hospizbewegung in Duisburg ist Julian Mikeleit an der Seite palliativer Patienten und deren Angehöriger - sofern es welche gibt. „Manchmal hab ich auch einen Schlüssel zu der Wohnung, wenn der Mensch alleine lebt.“ Der bewusste und würdige Umgang mit dem Tod liege ihm sehr am Herzen.

Mut und Offenheit, über tabuisierte Themen wie den Tod zu sprechen, schaffe neue Stärke und habe die Kraft, die Gesellschaft auf neue Weise miteinander zu verbinden, ist Mikeleit überzeugt. Denn was der Mülheimer in den vergangenen Jahren immer mehr spürt, ist, dass die Herausforderungen gewachsen sind und Krisen gerade Unternehmen, Künstler und Selbstständige treffen. Hier bedürfe es neuer Vorbilder, um Werte wieder stärker in den Fokus zu rücken. Kalle-Jule spricht davon, wie wichtig es sei, das Herz wieder auftanken zu können.

Gespräche im Mülheimer Herrenzimmer: Wie lebt ein Analphabet?

Zu Kalle-Jule zu werden, in die Ballonseide oder wahlweise in den braunen Frottee-Bademantel zu schlüpfen, den Schnurrbart zu richten, und sich „wat“ und „dat“ nicht länger zu verkneifen, das verwandele ihn auch innerlich, gewährt Julian Mikeleit einen Einblick. Noch bevor sich die hölzerne Tür zum Herrenzimmer öffnet und wir in einem ganz normalen Wohnzimmer stehen, hatte der 44-Jährige erzählt: „Man hat mir schon gesagt, dass ich dann direkter bin. Das Schüchterne von Julian fällt dann ab.“

Kunstfigur Kalle-Jule in seinem als Herrenzimmer ausgestatteten Aufnahmestudio in Mülheim.
Kunstfigur Kalle-Jule in seinem als Herrenzimmer ausgestatteten Aufnahmestudio in Mülheim. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Zu der Offenheit, die Markenzeichen der Gespräche in seinen Podcasts ist, trage auch bei, dass manches, was zwischen den grünen Samt-Sesseln gesprochen wird, auch hier bleiben könne, nach dem Willen des Gastes später lieber nicht im Podcast zu hören ist - oder gerade doch solches zur Sprache kommt, was zuvor nicht an die große Glocke gehängt worden war. Wie bei seinem Kumpel Thomas, den er schon lange kenne und ihn schließlich zu einem Schnack ins Herrenzimmer einlud. Erst hier und nach Jahrzehnten offenbarte sich, dass der inzwischen als Heizungsbauer tätige Freund von Kalle-Jule Analphabet ist. „Wie hat er das so weit geschafft?“ Fragen wie diese lässt der Gastgeber seinen Besucher dann beantworten.

„ Man hat mir schon gesagt, dass ich dann direkter bin. Das Schüchterne von Julian fällt dann ab.“

Julian Mikeleit über seinen Rollenwechsel zu Kalle-Jule

Mülheimer Ladenbetreiber von „Lumpenjunge“ war bereits Gast im Podcast

Gäste auf dem Sessel mit den gehäkelten Blümchenkissen waren bereits auch Markus Gees, der in Broich das Geschäft „Lumpenjunge“ mit Vintage-Mode für Männer führt, und Sabine Tischler, die an der Kirchstraße den Handarbeitsladen „Wollfühlraum“ betreibt. Auch mit ihnen gingen die Gespräche tiefer, blickt Julian Mickeleit zurück. „Mit Markus habe ich darüber gesprochen, wie er den schweren Start seines Ladens, der mit einer Explosion und Feuer begann, weggesteckt hat und was ihn jeden Tag aufs Neue antreibt. Im Gespräch mit Sabine ging es auch um die schwere Krankheit ihrer Tochter.“

Seine Talentkiste, wie sein Podcast überschrieben ist, soll eben jene Juwelen bergen, die sich in Mülheim (und Umgebung) verstecken. „Besonders am Herzen liegt mir, die beeindruckenden Persönlichkeiten aus der Region sichtbar zu machen, Gespräche auf Augenhöhe zu führen - über die schönen Seiten des Lebens, aber auch über Schicksalsschläge.“ Als Mülheimer mit Leib und Seele hat Kalle-Jule - der als Kunstfigur übrigens im Angesicht eines total ausgelaugten Spiegelbildes seines Ideengebers Julian während dessen Corona-Infektion geboren worden war - natürlich einen absoluten Wunschkandidaten, den er liebend gerne in seinem Herrenzimmer empfangen würde: Helge Schneider. „Wenn ich etwas mit Mülheim verbinde, dann ist es Helge Schneider. Ich bin ein großer Fan.“ Das glaubt man ihm aufs Wort.

Mülheimer „Plattenjunks“ sind die nächsten Gäste im Pott-Podcast

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Wer indes schon zugesagt hat, sei Thomas Lenk, der Chef der Rewe-Läden, sowie die Betreiber des Ladens „Plattenjunks Recordstore“. Sie werden die nächsten sein im Herrenzimmer mit seinen beigefarbenen Gardinen und den gelbstichigen Lampenschirmen. Warum gerade die beiden? Kalle-Jule muss nicht lange überlegen, warum er die Einladung ausgesprochen hat: „Die leben ihren Traum. Und ich will sie fragen: Wie habt ihr dat geschafft?“

Die Talentkiste, für die sich Julian Mikeleit weitere Gesprächsgäste wünscht, ist im Übrigen nicht nur zu hören (etwa auf Spotify), Videos in kurzer Version sind auf Instagram und TikTok zu sehen, die Langversionen kann man über YouTube abrufen - „übrigens gratis und nicht als Abo“, wirbt Kalle-Jule.

Kontakt und Infos: kalle-jule.de

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