Herne. Ein Wanne-Eickeler Kiosk wie in der Filmkulisse: Mehmet Can Özbey hilft in den Ferien seinen Eltern - und entwickelt ehrgeizige Ziele.

Autos rauschen auf der Hammerschmidtstraße vorbei. Einige Fahrer schauen zur gelb gefliesten Fassade des „Happy Shop“ hinüber. Die Trinkhalle im Erdgeschoss des Mietshauses wirkt so, als seien die 70er Jahre hier konserviert worden. Getränke, Süßwaren, Zeitschriften und die berühmte gemischte Tüte. Wir klingeln. Die Glasscheibe wird zur Seite geschoben. Ein junges Gesicht lächelt die Kunden freundlich an. Mehmet Can Özbey hilft hier seinen Eltern. Wir treffen den 14-Jährigen spontan – eine von vielen Zufallsbegegnungen auf unserer großen Wanderung durch die Stadt.

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Geschichten vom Leben aus dem Leben

WAZ-Reporter Arne Poll und Fotograf Uwe Ernst wandern durch Herne und Wanne-Eickel und treffen spontan Menschen von der Straße. Wie sind ihre Geschichten? Warum leben Sie gerade hier? Was lieben Sie an ihrer Stadt? Die Tour startete im Oktober am Kanal in „Unser Fritz“ und dauert, soweit die Füße tragen. Wo lohnt sich besonders ein Besuch? Schreiben Sie an arne.poll@funkemedien.de

Weitere Folgen:

1. Bernd Gembries (59) über Wanne-Eickel: „Einer der schönsten Flecken Erde“.

2. Nina Wende (31) wartet auf ihr Baby: „Ein komisches Gefühl“.

3. Alexander Barg (49) baut Kanäle: „Manchmal sehe ich gar kein Tageslicht“

4. Amar Almoklef (27) wacht über die Waschanlage: „Das ist mein Traumberuf“

5. Shirin Kopietz (26) liebt Fisch und ihren Job bei Lichte: „Ich habe einfach total Spaß daran“

6. Mehmet Can Özbey (14) hilft seinen Eltern im Happy Shop: „Das ist schon ein schöner Name“

Happy Shop: Kiosk seit 20 Jahren im Familienbesitz

Ja, klar. Die Eltern im Hintergrund sind einverstanden, dass Mehmet seine Geschichte erzählt. Mehmet fragt aber lieber mal kurz nach. „Ich helfe meinen Eltern beim Arbeiten in den Ferien“, erzählt der Schüler. Die Familie betreibe den Kiosk schon seit gut 20 Jahren unter dem Namen. „Das ist schon ein schöner Name, Happy Shop“, sagt Mehmet.

Was geht am besten? „Bier, Süßigkeiten, Getränke“, sagt Mehmet. Viele Menschen schauen kurz rein, nehmen eine Süßigkeit mit. Im Sommer verkauft sich Eis besser als im Winter. Dann werden auch mal die gelben Markisen ausgerollt. Unter dem Vordach, das von der ebenfalls gelb gefliesten Säule gestützt wird, bleibt aber immer ein trockenes Plätzchen.

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In den Ferien den Eltern helfen

„Wenn ich Ferien habe, helfe ich meinen Eltern gerne“, sagt Mehmet. Dann sei er gerne hier. Es gibt viel zu tun, einzuräumen, Brötchen zu belegen und natürlich zu verkaufen. Während der Schulzeit sei nicht so viel Zeit fürs Helfen, betont Mehmet. Der 14-Jährige macht klar, dass er das Lernen wirklich ernst nehme.

Der gelbe Kiosk, der heute unser Zufallshalt ist, ist Kult. Er schaffte es schon in Ruhrgebiets-Bildbände. Nur die Geschichte der Betreiber kennt dagegen bislang kaum jemand. Die Özbeys passten fürs Feuilleton vielleicht nicht so sehr ins Klischee der Kult-Oma hinter der Verkaufstheke.

Eine perfekt Kulisse, die man im Theater nicht schöner bauen könnte

Für die Familie Özbey ist die „Bude“ in erster Linie Lebensunterhalt, ein Unternehmen. Der Kiosk ist ein klassischer Nahversorger, wenn die anderen Geschäfte längst geschlossen haben. Für Handwerker gibt‘s einen Kaffee und belegte Brötchen. Einmal kurz halten, ein Päusken an der Fensterbank... So geht‘s hier ganz oft am Tag.

Das Bild des Kiosks ist so stimmig. Die Kulissenbauer im nicht weit entfernten Mondpalast hätten die Trinkhalle nicht schöner in ein Ruhrgebietsstück zimmern können. Die verblichenen Markisen, die Aufkleber, die obligatorische Stufe vor dem Fenster... An der Wand hängt der stilechte Kaugummi-Automat, Leuchtreklame, Eiswerbung – alles so wie gemalt.

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Freizeit: Fußball, Lernen und viel Pflichtbewusstsein

Mehmet besucht die 9. Klasse der Gesamtschule Wanne-Eickel. Nach dem Abschluss wolle er eine Ausbildung machen, „eher im kaufmännischen Bereich“, sagt er. Im Kiosk hat er schon gelernt, wie man mit Geld umgehen muss. Das mache ihm Spaß. Mehmet zeigt sich pflichtbewusst, dass er eine solide Ausbildung hinlegen muss, um Geld zu verdienen.

In seiner Freizeit spiele er Fußball und lerne (!) viel. „Manchmal gehe ich auch mit Kollegen raus“, sagt Mehmet. Gibt‘s dann auch Rabatt für die Freunde am Kiosk? Mehmet zögert etwas und lacht. „Manchmal...“