Herne. Einer Herner Schule steht ein hartes Jahr bevor: Sie muss in Räume einer anderen Schule ausweichen. Was sich mit neuer Schulleitung ändern soll.
Mit langem Atem möchte die neue Schulleiterin der Gesamtschule Wanne-Eickel einiges bewirken. Dabei ist „die Neue“, Christine Wippermann, wohl eher als „alter Hase“ zu bezeichnen, arbeitet sie doch bereits seit 18 Jahren als Lehrerin an der Gesamtschule an der Stöckstraße, war zuletzt Stellvertreterin von Schulleiterin Katharina Rodermund. Deshalb weiß die 60-Jährige bei ihrem Amtsantritt ganz genau, worauf sie sich als neue Schulleiterin einlässt: „Ich mache das sehr bewusst und mit sehr viel Lust“, sagt sie.
Dabei sind die Voraussetzungen an der Gesamtschule Wanne-Eickel nicht gerade einfach. Beim neuen Schulsozialindex, den das NRW-Schulministerium Anfang 2024 präsentierte, erhielt die Gesamtschule Wanne-Eickel bei möglichen Noten von 1 bis 9, die höchste Einstufung, wodurch ihr ein besonderer Förderbedarf attestiert wird. Indikatoren waren hierbei beispielsweise der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit nicht deutscher Familiensprache aber auch die Kinder- und Jugendarmut im Einzugsgebiet der Schule.
Startchancen-Programm soll Gesamtschule Wanne zehn Jahre helfen
„Was die Schule besonders macht, ist die Schülerschaft“, betont Wippermann. „Wir können es uns nicht mehr leisten, irgendwelche Schüler zurückzulassen. Meine Vision ist es, hier jede Schülerin und jeden Schüler unabhängig von den Eltern zu fördern.“ Dabei hofft sie unter anderem auf positive Effekte aus dem Startchancen-Programm des Landes, in das die Herner Gesamtschule aufgrund des Schulsozialindex‘ aufgenommen wurde und nun zehn Jahre zusätzlich gefördert wird.
Ob sich dadurch ein sehr großes Problem lösen lässt, mit dem die Schule schon seit langem kämpft, ist fraglich: die Raumknappheit. „Die Schule ist gebaut worden, als der Gedanke der Gesamtschule ganz anders gelebt wurde“, so Wippermann. Nun brauche man andere Möglichkeiten, Platz für Differenzierungsräume beispielsweise. Sie stehe deswegen schon in Verhandlungen mit dem Schulträger.
Kurzfristig wird sich die räumliche Situation sogar noch verschlechtern. „Die Container kommen zu den Herbstferien weg“, sagt Wippermann. Lange hatte die Gesamtschule Wanne-Eickel auf Klassenraummodule gewartet, um der Platznot entgegenzuwirken. Nun sollen am gleichen Ort neue Container aufgestellt werden, die besser den Zweck als Klassenraum erfüllten. Dazu müssten Wasseranschlüsse und auch Internet dorthin verlegt werden. Zehn bis zwölf zusätzliche Klassenräume sollten so entstehen, so Wippermann. „Das würde uns schon deutlich flexibler machen.“
Ein halbes Jahr, so die Prognose, müssten als Ausweichmöglichkeit Räume des benachbarten Gymnasiums Wanne genutzt werden. „Dieses Jahr wird wahrscheinlich nicht ganz so geschmeidig ablaufen“, fürchtet sie deshalb. Längerfristig würde sich Wippermann einen Anbau wünschen – oder noch besser eine Reduzierung der Zügigkeit, aber das sei angesichts der Schülerzahlen mittelfristig unrealistisch.
Dass man als Schulleiterin der Gesamtschule einen langen Atem braucht, um etwas zu bewirken, sei ihr bewusst. „Das ist ein riesengroßes System und man darf nicht denken, dass man im Hauruck-Verfahren etwas ändern kann.“ Aber vieles habe sich schon verbessert. So habe sich die Einzäunung des Schulgeländes sehr positiv auf die Drogenproblematik ausgewirkt. Es habe sich mit der Aufstellung der Zäune ein Schalter umgelegt.
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Auch das Thema Gewalt, das in der Schule zuletzt immer wieder zum Problem wurde, solle in diesem Jahr angegangen werden, kündigt die neue Schulleiterin an. 20 Lehrkräfte erhielten ein „Coolness-Training“, um „mit neuer Autorität mit den Schülerinnen und Schülern umzugehen“, beschreibt es Wippermann. Dazu zähle, selbst cool zu bleiben und nicht zurückzuweichen, aber auch die Schülerinnen und Schüler dabei zu unterstützen. Außerdem erarbeite die Schule ein Schutzkonzept.
Ihr ist aber auch wichtig zu betonen: „Unsere Schule besteht nicht nur aus Gewalt.“ An dem Ruf müsse und wolle sie dringend arbeiten. „Unsere Kolleginnen und Kollegen machen einen Bombenjob und der Ruf stimmt insofern nicht mit dem überein, was hier geleistet wird.“ Die Abschlusszahlen seien sehr gut. Obwohl meist nur ein bis zwei Kinder mit Gymnasialempfehlung an die Schule wechselten, gingen 20 bis 30 Schülerinnen und Schüler in die Oberstufe. „Viele Schüler schaffen auch einen mittleren Abschluss, also einen Realschulabschluss, obwohl die Prognose viel schlechter war.“ Diese Zahlen, die sie künftig auch erheben möchte, wären der handfeste Beweis für die gute Arbeit vor Ort und dass die Gesamtschule Wanne-Eickel auf dem richtigen Weg sei.
Zur Person
- Christine Wippermann ist 60 Jahre alt und Lehrerin für Biologie und Chemie. Sie lebt in Dortmund, hat drei Hunde und drei Katzen und ist Imkerin mit eigenen Bienen. Außerdem verreist sie gerne.
- Wippermann hat zwei Kinder und ein Enkelkind.