Herne. Mit der Schockdiagnose Lungenkrebs wurde Katharina Muschiol vor drei Jahren konfrontiert. Wie die Hernerin nun mit der Erkrankung lebt.

Diese Diagnose hat auch bei der Hernerin Katharina Muschiol einen Schock ausgelöst: Krebs! In ihrer Lunge war ein Tumor in der Größe eines Ü-Eis gewachsen. Das war vor drei Jahren. Inzwischen ist sie - nein, nicht geheilt. Sie lebt mit dem Krebs als eine chronische Erkrankung. Sie selbst bezeichnet sich als Wunder. Der WAZ hat sie die Geschichte dieses Wunders erzählt.

Die begann mit Rückenschmerzen, die die damals 35-Jährige unablässig plagten („im Nachhinein weiß ich, dass das ein Symptom für den Tumor war, der auf die Wirbelsäule gedrückt hat“). Damit nicht genug: Nach einer Erkältung im Sommer hatte sie durchgängig drei Monate einen Husten, ebenfalls ein Symptom. Doch all das wusste Katharina ja nicht, sie absolvierte eine wahre Ärzte-Odyssee:

Ärzte-Odyssee: Erst die Frage nach dem Puls führte auf die richtige Spur

Katharina Muschiol beim Besuch in der WAZ-Redaktion: „Ich bin ein Wunder und dankbar dafür.“
Katharina Muschiol beim Besuch in der WAZ-Redaktion: „Ich bin ein Wunder und dankbar dafür.“ © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

So war sie beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt, weil der Verdacht bestand, dass die Ursache für die Beschwerden die Nasennebenhöhlen sind. Gegen die Rückenschmerzen verpasste ihr Hausarzt ihr eine Spritze und schickte sie nach Hause, das gleiche Spiel beim Orthopäden. „Doch die Wirkung der Spritze war nach zwei Tagen wieder gleich Null.“ Auch Physiotherapie brachte gar nichts. Deshalb sagte sie ihrem Hausarzt, dass da mehr sein muss - so begann eine intensive Suche. Eine Lungenfachärztin wurde schließlich fündig, allerdings erst über einen Umweg: Sie wollte Katharina - sie möchte lieber mit ihrem Vornamen angesprochen werden - zunächst ein Cortison-Spray für sensible Bronchien verschreiben, bis Katharina die entscheidende Frage stellte: „Geht dann auch mein Puls runter?“ Die Ärztin reagierte sofort und ließ ein Röntgenbild machen, auf dem der Tumor klar zu erkennen war.

Beim Anblick des Röntgenbilds fiel sie in ein großes Loch - das sich darin äußerte, dass sie zunächst zur Arbeit gefahren ist. Ganz pflichtbewusst. „Ich stand total neben mir.“ Ihr erster Gedanke war, dass sie noch Verträge einem Kollegen übergeben muss. „Und dann habe ich mit meinem Teamleiter erstmal eine Zigarette geraucht. Doch am nächsten Morgen bin ich als Nichtraucherin aufgestanden.“ Wer jetzt denkt, dass das Rauchen der Auslöser für den Tumor gewesen ist, liegt falsch. Die Erklärung: Bei ihr handelte es sich um einen Tumor, den hauptsächlich Nichtraucher entwickeln.

„Wir haben mit der Familie überlegt, in welches Hospiz ich gehe“

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Einen Tag später kam sie ins Krankenhaus - wo man ihr sagte, dass sie eine Palliativpatientin sei. Was etwa genauso niederschmetternd war wie die Diagnose selbst. Dazu muss man wissen: Der Tumor galt als inoperabel und hatte bereits in die Nebenniere und in die Lymphknoten gestreut. „Wir haben mit der Familie überlegt, in welches Hospiz ich gehe.“ Was sie bis heute nicht versteht: Die Klinik hat sich danach nicht mehr bei ihr gemeldet. So landete sie über eine Bekanntschaft in der Uni-Klinik in Köln, bei Prof. Dr. Jürgen Wolf. Der startete sofort die Chemo-Immuntherapie - und das Wunder, denn: Die Therapie wirkte „fantastisch“. Katharina hatte keine Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Appetitlosigkeit, sie aß sogar Chips währenddessen. Viel wichtiger: Nach vier Zyklen war der Tumor deutlich geschrumpft. In einer Operation wurde er schließlich komplett entfernt. „Das war mein großer Wunsch, ich habe mich immer dreckig mit dem Tumor gefühlt“.

Die Immuntherapie muss Katharina nun lebenslang fortführen

„Ich habe inzwischen keine aktiven Krebszellen mehr in meinem Körper“, erzählt Katharina. „Ich bin nicht geheilt, ich bin nicht krebsfrei, ich habe aber auch keine aktiven Krebszellen.“ Das verhindere die Immuntherapie, die müsse sie allerdings lebenslang fortführen - Krebs als chronische Krankheit. „Ich fahre alle drei Wochen ins MVZ am Anna-Hospital und hole mir meine Immuntherapie, es ist Routine geworden.“ Inzwischen hat sich ein herzliches Verhältnis zu den Ärztinnen uns Schwestern entwickelt. Der Weg ins Anna ist kurz, Katharina lebt in Holsterhausen.

Trotz dieser Routine: Katharinas Leben hat sich schon stark verändert, Pläne und Wünsche lassen sich nicht mehr umsetzen und erfüllen. Kinder wird sie nicht bekommen, auch wenn sie einen Partner finden sollte. „Die Verantwortung kann ich nicht übernehmen.“ So bleibe sie für viele Kinder Tante Kathi.

Katharina ist schnell erschöpft, kann sich maximal eine Stunde lang konzentrieren

Und seit dem 1. Mai ist sie in Rente. Die ist zwar zunächst zeitlich begrenzt, doch Katharina geht davon aus, dass sich das nicht mehr ändern wird und sie nicht in ihren Beruf in der Immobilienbranche zurückkehren kann. Die Erkrankung wird nicht verschwinden, aktuell kann sie sich maximal eine Stunde lang konzentrieren. „Dann brauche ich schon ein Nickerchen. Ich bin schnell erschöpft. So normal ich aussehe, versteckt im Hintergrund gibt es eben solche Dinge.“ Kaharina hört aber nicht nur selbst in sich hinein, all diese Themen bespricht sie mit ihrer psychoonkologischen Therapeutin. „Ich merke, dass ich das brauche und dass es mir gut tut.“

Katharina Muschiol Herne
Es geht wieder was - sprichwörtlich: Katharina Muschiol hat inzwischen in Südtirol einen mehr als 2000 Meter hohen Berg bestiegen. © Tobias Bolsmann | WAZ

Doch es geht schon noch was, Katharina. Im wahrsten Sinne des Wortes. In Südtirol hat sie inzwischen einen mehr als 2000 Meter hohen Berg bestiegen. „Das war natürlich irre anstrengend, aber ich wollte da unbedingt hoch.“ Im Gegensatz zu vielen anderen Betroffenen hat sie den Krebs nie als Gegner betrachtet, den sie bezwingen muss, „ich wollte es einfach loswerden“. Sie betrachtet sich selbst als Mutmacherin und Aufklärerin, weil sie nun für andere da ist. „Der Krebs bekommt bei mir im Alltag nicht mehr die große Aufmerksamkeit.“ Er hat keine Kontrolle mehr über sie, sie kontrolliert ihn mit der Immuntherapie. „Ich bin ein positives Beispiel dafür, dass Menschen den Mut nicht verlieren sollen. Weil mein Verlauf wirklich grandios ist.“

>>> ENGAGEMENT FÜR DIE PLATTFORM „YES WE CAN-CER“

Katharina Muschiol trifft sich regelmäßig mit anderen Betroffenen - den Begriff „Selbsthilfegruppe“ mag sie dafür nicht verwenden -, daneben engagiert sie sich auch für die Plattform „Yes We Can-cer“, die zur Funke Mediengruppe gehört. Vor wenigen Wochen hat sie bei einem Expertentalk in Köln ihre Geschichte erzählt, und den Termin für die „YesCon“, nach eigenen Angaben Deutschlands größte Krebs-Convention, die am 9. und 10. Mai in Berlin stattfindet, hat sie längst notiert.