Gladbeck. Gabriele Wegner arbeitet seit 14 Jahren ehrenamtlich im Hospiz-Verein, war kurz im Kinderhospiz tätig. Warum das für sie wie ein Geschenk ist.
„Ich wusste, dass sie nicht mehr lange hat.“ Gabriele Wegner sitzt auf einem beigen Sofa im ambulanten Hospiz-Verein in der Gladbecker Innenstadt. Sie legt die Hände ineinander, schaut kurz zur Seite. Dann erzählt sie von der ersten Frau, die sie beim Sterben begleitete. Anfang 60 war sie, zwei Monate Lebenszeit hatte ihr der Arzt noch gegeben. „Leider hat sich das bewahrheitet.“ Das ist jetzt über 14 Jahre her – seitdem begleitet sie ehrenamtlich Menschen, bevor diese für immer die Augen schließen. Sie erzählt, warum das für sie ein Geschenk ist.
Die Gladbeckerin hat einen ungewöhnlichen Weg hinter sich: Einst Versicherungskauffrau, heute Hospizbegleiterin. „Das hätte ich mir früher nie vorstellen können“, sagt sie. Doch vor 14 Jahren kam der Wendepunkt: Eine Freundin überlegte, ein Hospiz zu gründen. „Das war wie ein innerer Ruf. Ich wusste plötzlich: Das will ich machen“, sagt die 64-Jährige. Die Pläne der Freundin verliefen zwar im Sande, doch Wegner ließ die Idee nicht los. Als sie in der Zeitung von einem Ausbildungskurs las, meldete sie sich kurzerhand an – gemeinsam mit ihrem Mann.
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Ehrenamtliche im Gladbecker Hospizdienst: „Es geht nicht nur um den Tod“
„In der Ausbildung für Ehrenamtliche lernt man zum Beispiel, wie man einer sterbenden Person begegnen kann“, so Wegner. Doch was das wirklich bedeutet, habe sie erst in der Praxis verstanden. „Es gibt keinen Plan, nach dem man vorgehen kann. Jede Situation ist anders, jeder hat andere Bedürfnisse.“ Häufig gehe es nicht nur um das Sterben selbst. Viele Menschen möchten über ihr Leben sprechen, über das, was sie erreicht haben oder was bleibt.
Andere nutzen die Gespräche auch, um Ängste zu teilen, die sie vor ihren Angehörigen verbergen, weil das Thema Tod oft ein Tabu bleibt. „Viele möchten darüber sprechen, wissen aber nicht, mit wem.“ Hier kommen die rund 50 Ehrenamtlichen des ambulanten Hospizdienstes Gladbeck ins Spiel, die in diesem Jahr etwa 45 Menschen begleitet haben. Denn sie sind dafür da, sich auf die Wünsche einzulassen. „Manche möchten auch einfach nur zuhören – dann erzähle ich zum Beispiel von meinem Tag“, sagt Gabriele Wegner.
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Trotz der Schwere ihrer Arbeit überwiegen für die Ehrenamtliche die schönen Momente: „Viele denken, wir sitzen nur da und weinen. Aber das stimmt nicht. Es gibt so viele Augenblicke voller Lachen, Erinnerungen oder einfach stiller Verbundenheit.“ Aber traurige Momente gehören eben dazu: Vor Kurzem musste sie sich von einer Frau verabschieden, die sie eineinhalb Jahre lang betreut hatte. „In dem Moment war es schwer, aber es ist wichtig, innerlich loszulassen.“
Ambulanter Hospiz-Verein Gladbeck
Der Hospiz-Verein Gladbeck ist an der Horster Straße 8 in der Innenstadt zu finden. Im vergangenen Jahr feierte der Verein 25-jähriges Bestehen. Seit Kurzem gibt es dort die Oase der Begegnung. Dort finden Betroffene und Angehörige Unterstützung und Beratung. Jeden Dienstag und Donnerstag von 10 Uhr bis 12 Uhr und von 15 Uhr bis 17 Uhr wird es das Angebot zunächst geben. Um eine Anmeldung unter 02043 - 98 71 355 oder mail@hospiz-verein-gladbeck.de wird gebeten. Der Hospiz-Verein sucht auch immer Ehrenamtliche. Informationen gibt es auf der Homepage: www.hospiz-verein-gladbeck.de
Der Verein ist auf Spenden angewiesen: Stadtsparkasse Gladbeck, IBAN: DE85-4245 0040 0000 0684 11, BIG: WELADED 1 GLA
„Sterben ist etwas Intimes, Persönliches“
Besonders berührt Gabriele Wegner das Vertrauen, das ihr entgegengebracht wird. Denn obwohl sie für die Menschen, die sie betreut, zunächst eine Fremde ist, darf sie in den letzten Wochen, Tagen oder Stunden ihres Lebens an ihrer Seite sein. „Ich darf erleben, wie Sterben geht. Das ist ein großer Vertrauensbeweis.“ Der Sterbeprozess sei etwas sehr Intimes und Persönliches.
Die Unterstützung durch Hospiz-Mitarbeiter entlaste aber nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Angehörige. Denn es gehe auch darum, die Menschen aufzuklären, bei Bedarf den Kontakt zum palliativen Netzwerk herzustellen oder sie in ihrer Trauer zu unterstützen. Ehrlichkeit sei dabei essenziell: „Es bringt nichts, jemandem etwas vorzumachen.“
„Ich darf erleben, wie Sterben geht. Das ist ein großer Vertrauensbeweis.“
Stattdessen sei es wichtig, die Perspektive zu verändern: Mit einer lebensverkürzenden Diagnose kann man nicht mehr gesund werden, aber man kann die restliche Zeit lebenswert machen. „Es soll ein würdevoller Abschied ermöglicht werden und jeder Mensch soll spüren, dass er in dieser schwierigen Zeit nicht alleine ist“, sagt Wegner. Auch ihre eigene Sicht auf den Tod habe sich durch ihre Arbeit gewandelt: „Ich setze mich stärker mit meiner eigenen Vergänglichkeit auseinander, verstehe besser, was passiert und sehe Sterben als etwas Normales an.“
Hospizmitarbeiterin: Arbeit im Kinderhospiz besonders belastend
Wegner hat vor allem ältere Menschen begleitet, meist zwischen 80 und 90 Jahren. Eine besondere Herausforderung war ihre Zeit im Kinderhospiz. „Kinder sind unglaublich ehrlich und leben im Moment“, sagt sie. Doch junge Menschen auf ihrem letzten Weg zu begleiten, sei emotional besonders belastend. „Ich wusste, das kann ich nicht lange machen.“
Sich Grenzen setzen, das sei bei dieser Arbeit besonders wichtig. „Man kann sich jederzeit eine Pause nehmen.“ Regelmäßige Supervisionen und der Austausch mit Kollegen helfe dabei, Erlebnisse zu verarbeiten und nicht mit nach Hause zu nehmen. Ihr Ehemann, der lange Sterbende begleitet hat und nun im Vorsitz des Hospiz-Vereins ist, sei ihre größte Stütze. Was sie antreibt? „Ich bekomme so viel zurück“, sagt die Ehrenamtliche. „Wenn sich jemand freut, dass ich da bin und auch wiederkomme, ist das ein Geschenk.“
Ihr Umfeld reagiere unterschiedlich. „Häufig höre ich: ‚Das könnte ich nicht aushalten‘“, erzählt sie. Doch viele sind auch neugierig und fragen, wie genau so etwas abläuft. Gabriele Wegner lächelt: „Wenn ich erkläre, dass es nicht in erster Linie um den Tod geht, sondern um die Zeit davor, verändert sich oft ihre Sichtweise.“ Denn Sterben, sagt sie, sei so normal wie das Leben selbst.
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