Gladbeck. Die Ampel-Koalition in Berlin ist gescheitert. Das wird in Gladbeck unterschiedlich beurteilt. Alle stellen sich auf kurzfristigen Wahlkampf ein.
Für viele war die Frage nicht mehr nur ob, sondern wann die Ampel-Koalition zerbrechen wird. Am Mittwochabend war es dann so weit, an einem Tag, der eigentlich von den Wahl-Ergebnissen in den USA geprägt war. So bewerten Politiker in Gladbeck den Ampel-Bruch.
Dustin Tix hat das Ampel-Aus null überrascht, nicht „nach den letzten Tagen“. Der Gladbecker SPD-Chef und Bundestagskandidat sagt: „Um ehrlich zu sein, waren wir die Streitereien, Meinungsverschiedenheiten und das unkonstruktive Verhalten der FDP satt.“ Er spreche nicht nur für seine Person, sondern auch für viele Menschen, die er getroffen habe.
SPD-Chef findet, ein Bruch der Ampel wäre vermeidbar gewesen
Tix findet es „richtig, dass der Kanzler einen Schlussstrich gezogen hat“, auch wenn der Gladbecker zugibt: „Die Nachricht war ein Schock.“ Aber: „Die Menschen haben ein Recht darauf, solide, zuverlässig und geräuschlos regiert zu werden.“ Sein eigener Anspruch, so der Sozialdemokrat, sei, „Themenbezogen und fokussiert zu arbeiten“. Sein Eindruck sei, dass genau das nicht geschehen sei.
„Am Ende hat bei einer Partei die Kraft für Kompromisse nicht gereicht“
„Ich bin häufiger in der Bevölkerung darauf angesprochen worden“, so Dustin Tix. Es sei ja kein Geheimnis, dass die Unzufriedenheit mit der Ampel-Koalition groß ist. Dabei, betont der Gladbecker Sozialdemokrat, habe sie doch „einiges an Gesetzen vorangebracht“.
„Viele haben am Anfang der Koalition nicht zugetraut, dass sie überhaupt drei Jahre hält“, berichtet Tix. Sein Eindruck: „Am Ende hat bei einer Partei die Kraft für Kompromisse nicht gereicht.“ Wobei für den Gladbecker klar ist: „Lindner ist der Verursacher des Bruchs.“ Der hätte nach Tix‘ Einschätzung „nicht sein müssen“. Doch: „Lindners Wirtschaftswendepapier war schon provokant. Wir und die Grünen waren interessiert, den Bundeshaushalt, der 450 Milliarden Euro umfasst, zu beschließen. Dafür hätte es eine gute Möglichkeit gegeben.“
Tix: Es ist richtig, dass Kanzler Scholz die Vertrauensfrage stellt
Dass es in der Bundes-FDP rumore, zeige beispielsweise das Verhalten des Ministers Volker Wissing: Er tritt bei den Liberalen aus, bleibt in der Regierung.
Tix wertet es als folgerichtig, dass Kanzler Scholz am 15. Januar die Vertrauensfrage stellt: „Mit Grün wird es bis dahin weitergehen, das ist richtig so.“ Der Gladbecker Sozialdemokrat findet: „Es bringt nichts, nur zurückzublicken. Ich sage als Kandidat für den Bundestag, dass ich Lust habe, Dinge zu bewegen.“ Er möchte sich vor allem im Bereich Wirtschaft engagieren, „damit die Dinge besser werden“.
SPD-Kandidat möchte sofort mit Haustürbesuchen starten
Vorgezogene Neuwahlen im März, das heiße „zwei Wahlkämpfe innerhalb weniger Monate“. Das kann Tix nach eigener Bekundung nicht erschüttern, werde die Planung eines Wahlkampfes schließlich ungefähr ein Jahr vor dem Termin begonnen. Der SPD-Kandidat werde sofort mit seinen Haustürbesuchen anfangen.
Überrascht hat Christine Dohmann, stellvertretende Vorsitzende der FDP Gladbeck, das Aus der Ampel am Mittwochabend ebenfalls nicht. Spätestens seit der Veröffentlichung des „Lindner-Papiers“ habe sich der endgültige Schnitt angedeutet. Es sei aber auch klar gewesen, dass die Forderung von Olaf Scholz nach dem Aussetzen der Schuldenbremse mit der FDP nicht zu machen sei. „Finanzen sind das Markenzeichen der FDP“, so Dohmann. Das Verhalten von Christian Lindner könne sie daher gut nachvollziehen. Im Gegensatz zu dem von Verkehrsminister Volker Wissing, der nach dem Ampel-Aus aus der FDP ausgetreten ist. „Es fehlen mir die Worte dazu, was Herr Wissing da tut. Ich halte das nicht für klug.“ Das Ansehen ihrer Partei werde durch einen solchen Schritt weiter beschädigt.
„Wir brauchen jetzt einen Kandidaten für den lokalen Wahlkreis. Da sind wir aktuell in Vorbereitungen“
Eine vorgezogene Neuwahl hat auch Auswirkungen auf den Wahlkampf der Parteien vor Ort. „Wir brauchen jetzt einen Kandidaten für den lokalen Wahlkreis. Da sind wir aktuell in Vorbereitungen“, kündigt Christine Dohmann an. Den Wahlkampf nun schnell umzusetzen, sieht sie nicht als Problem. „Wir haben auch schon mal einen Landtagswahlkampf in wenigen Wochen absolviert.“ Aber: „Ein Winterwahlkampf ist natürlich für alle Wahlkämpfer nicht so angenehm, wenn wir bei Regen und niedrigen Temperaturen in der Fußgängerzone stehen.“
FDP glaubt weiter an den erneuten Einzug in den Bundestag
Dass ihre Partei überhaupt wieder in den Bundestag einziehen wird, trotz des Debakels um das Ampel-Aus und schlechter Umfragewerte für die FDP, da ist sich Christine Dohmann gewiss. Aber: „Es wird ein ganz harter Wahlkampf für uns. Doch wir sind gute Wahlkämpfer.“ Die Situation für die FDP sei aktuell sehr schwierig. „Da müssen wir versuchen, wieder herauszukommen.“
Das Aus der Ampel hält die stellvertretende FDP-Vorsitzende aber für einen richtigen Schritt. Eine Hängepartie bis zu den regulären Wahlen im September wäre nicht besser gewesen. „Unsere Wahl-Chancen sind nun besser, als aus der Ampel heraus.“ Zu Beginn habe sie die Ampel noch für ein gutes Projekt gehalten, mit dem man hätte viel erreichen können. Doch es habe sich anders entwickelt. Und Deutschland brauche gerade jetzt eine stabile Regierung.
Gladbecker Grünen-Chef hätte sich gewünscht, dass es weitergeht
Der Gladbecker Grünen-Vorsitzende Bernd Lehmann hätte sich gewünscht, die Koalition in Berlin hätte sich noch einmal zusammengerauft. „Ich hätte es lieber weiter bis zur nächsten regulären Bundestagswahl versucht, obwohl ich andere Positionen als die FDP habe und die FDP andere als ich.“ Doch Politik lebe nun einmal von Kompromissen.
„Wir haben gezeigt, dass wir harte Schritte mitgehen können, die so sicher nicht Teil unseres Programms gewesen wären“
Gerade die Grünen hätten in dieser Regierung gezeigt, dass sie dazu in der Lage gewesen seien, so Lehmans Auffassung. „Wir haben gezeigt, dass wir harte Schritte mitgehen können, die so sicher nicht Teil unseres Programms gewesen wären.“ Vor allem der Zeitpunkt des Bruchs ärgert ihn. Es sei dadurch nicht einmal gelungen, einen Haushalt zu verabschieden. Vor dem Hintergrund appelliert der Gladbecker Grünen-Chef an die Staatsverantwortung der Opposition, was den Haushalt und auch die Ukraine-Hilfen angeht.
Kritik an ständigem Streit auf offener Bühne
Kritik kommt von Lehmann am Erscheinungsbild der Koalition. Streit hätte hinter verschlossenen Türen ausgetragen werden müssen, findet er. Er glaubt übrigens nicht, dass es eine neue Regierung einfacher habe. Er verweist gar auf die letzte große Koalition. Das seien letztlich auch drei Partner gewesen, mit CDU, SPD und CSU und gerade mit Horst Seehofer und der CSU habe es da auch immer wieder Schwierigkeiten gegeben.
Vor Ort stellt sich Lehmann derweil auf Neuwahlen ein. Er habe bereits Kontakt mit den Grünen in Dorsten und Bottrop aufgenommen. Nun gehe es darum, schneller als geplant zu beraten, wer im Wahlkreis als Direktkandidat für die Grünen antreten soll.
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CDU: Jetzt haben wir zwei Wahlkämpfe vor uns
Auch Dietmar Drosdzol, Vorsitzender der CDU Gladbeck, sagt: „Wir haben mit dem Bruch der Ampel-Regierung gerechnet.“ Jetzt „haben wir also anstelle eines Wahlkampfes nun zwei vor uns“. Sicherlich eine Herausforderung, das werde nicht einfach, da diese Situation Kräfte binde. Aber: Das schaffe die CDU Gladbeck.
Für den CDU-Mann steht außer Frage: „Ursächlich haben die Grünen das Aus der Ampel herbeigeführt. Christian Lindner war eigentlich derjenige, der versucht hat, sachlich zu bleiben und die Finanzen im Blick zu behalten.“ Die Grünen hingegen wollten „rein ideologisch“ handeln. Drosdzol zitiert den Parteikollegen und Landrat Bodo Klimpel: „Er hat wiederholt gesagt: ,Wo die CDU das Geld in der Hand hat, geht‘s den Menschen gut!‘ Kanzlerin Merkel hat nicht alles richtig gemacht, aber wir hatten ein gutes Leben.“
CDU-Chef sieht den Auslöser des Ampel-Endes bei den Grünen
Ob die Christdemokraten auf die aktuelle Situation eingestellt sind? „Wie will man sich vorbereiten?“, fragt Drosdzol zurück. Und erklärt: „Dann hätten wir im Vorfeld alles doppelt vorhalten müssen.“ Das stellt sich der Gladbecker CDU-Vorsitzende nicht unter einer „sinnhaften Verwendung der Ressourcen“ vor.
„In einer Minderheitsregierung können sie nicht so viel Mist machen“
Dietmar Drosdzol meint: „Man sollte jetzt ganz ehrlich zu sich selbst sein.“ Bedeutet: Nicht länger zögern, sondern Neuwahlen ansetzen, „das sollte jetzt sofort passieren, so schnell wie möglich“. Andererseits, so der Gladbecker Christdemokrat: „In einer Minderheitsregierung können sie nicht so viel Mist machen.“
Der CDU-Chef räumt ein: „Wir hatten ja gehofft, dass die Ampel noch bis zum regulären Wahltermin hält.“ Eben, damit die aktuelle Gemengelage vermieden bleibt. Zu den ungünstigen Umständen gesellt sich nämlich noch ein anderer Aspekt: die Präsidentschaftswahlen in den USA. Den Gewinner, Donald Trump, bezeichnet Dietmar Drosdzol als „eigensinnigen, speziellen“ Charakter: „Mal sehen, wie Deutschland mit ihm klarkommt.“
„Die Bedingungen für die Unternehmen auch in Gladbeck haben sich verschlechtert. Überbordende Bürokratie und im internationalen Vergleich zu hohe Steuersätze setzen den Unternehmen zu“
Die CDU Gladbeck macht die Bundesregierung für die nunmehr zwei Jahre anhaltende Wachstumsschwäche verantwortlich. Peter Rademacher, wirtschaftspolitischer Sprecher der christdemokratischen Ratsfraktion: „Die Bedingungen für die Unternehmen auch in Gladbeck haben sich verschlechtert. Überbordende Bürokratie und im internationalen Vergleich zu hohe Steuersätze setzen den Unternehmen zu.“ Die Rezession ziehe Steuerausfälle nach sich, die die Kommunen zu spüren bekämen. Zurückgehende Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuereinnahmen wirkten sich deutlich negativ auf den städtischen Haushalt aus.
CDU Gladbeck schließt sich der Forderung ihres Bundesvorsitzenden Friedrich Merz an
Unverständlich bleibt den Gladbecker Christdemokraten die angestrebte Vertrauensfrage des Bundeskanzlers erst im Januar 2025. Der Stadtverbandsvorsitzende Drosdzol bekräftigt: „Wir schließen uns uneingeschränkt der Forderung von Friedrich Merz an. Es gibt keinen Grund, eine so wichtige Entscheidung lange hinauszuzögern. Deutschland braucht angesichts der zahlreichen Herausforderungen schnell eine handlungsfähige Regierung.“ Aus CDU-Sicht: „Schnellstmöglich Neuwahlen!“
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