Gladbeck. Immer mittwochs geht‘s ab sofort bei Rewe in Gladbeck-Zweckel so leise wie möglich zu. Denn Musikbeschallung und Co. können Stress verursachen.

Musik aus, Geräuschpegel runter: Wer künftig mittwochs ab 16 Uhr seine Einkäufe im Zweckeler Rewe-Markt an der Feldhauser Straße erledigt, der wird einen etwas anderen Supermarkt erleben. Einen ruhigeren nämlich. Inhaber Frank Hendricks und sein Team haben die „Stille Stunde“ eingeführt. Eine inklusive Maßnahme, die Menschen einen möglichst stressfreien Gang entlang der Regale ermöglichen soll. Vor allem Menschen, die mit Reizüberflutungen gar nicht gut umgehen können.

Jennifer Köhler ist Marktleiterin bei Rewe in Zweckel. Sie hat einen autistischen Sohn (5) und weiß daher, wie sehr „normale Geräusche“ auch stressen können.
Jennifer Köhler ist Marktleiterin bei Rewe in Zweckel. Sie hat einen autistischen Sohn (5) und weiß daher, wie sehr „normale Geräusche“ auch stressen können. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Jennifer Köhler ist Marktleiterin in dem Zweckeler Supermarkt, und sie hat einen fünfjährigen Sohn mit Autismus. Dass ein Einkauf auch in heftigen Stress ausarten kann, weiß die junge Mutter aus eigener Erfahrung. „Die lauten Durchsagen, die Musik, die Kassengeräusche. Für meinen Sohn ist das der pure Horror, eine Alltagssituation, mit der er einfach nicht umgehen kann“, sagt sie. Als es um die Einführung der „Stillen Stunde“ an ihrem Arbeitsplatz ging, musste Jennifer Köhler deshalb nicht lange überzeugt werden.

Gladbecker Rewe-Markt weitet die „Stille Stunde“ sogar noch aus

Und auch für ihren Chef Frank Hendricks ist es ein Schritt in die richtige Richtung, hin zu mehr Rücksichtnahme und letztendlich auch Inklusion. Natürlich, sagt er, werde es niemals gelingen, in einem Supermarkt eine Atmosphäre der absoluten Ruhe zu schaffen.

Aber die Geräusche abzustellen, beziehungsweise zu reduzieren, bei denen es geht, das will man bei Rewe in Zweckel ab sofort immer mittwochs ab 16 Uhr praktizieren. Und das nicht nur für 60 Minuten, sondern tatsächlich bis zum Ladenschluss um 22 Uhr.

Frank Hendricks hat in seinem Supermarkt in Gladbeck-Zweckel die „Stille Stunde“ eingeführt.
Frank Hendricks hat in seinem Supermarkt in Gladbeck-Zweckel die „Stille Stunde“ eingeführt. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

Und wie still geht‘s nun tatsächlich zu im Supermarkt? Klar, die Musikbeschallung fällt mittwochs komplett weg. Durchsagen und akustische Werbung, sagt Hendricks, werde es ebenfalls nicht geben. Und das „Biep“ der Scanner an den Kassen werde man so leise wie möglich stellen. Ganz abschalten ließe es sich nicht, weil es ja auch ein Kontrollgeräusch für die Mitarbeiter an der Kasse sei.

Ausnahmen in der Weihnachtszeit

Das Einräumen von Regalen, das Hin- und Herschieben von Paletten mit Waren – auch das wolle man an den Mittwochnachmittagen möglichst vermeiden. Ausnahmen von der Regel werde es in dem Punkt aber wohl immer mal notgedrungen geben. „In der Weihnachtszeit zum Beispiel wird das wohl nicht ganz ohne Einräumen funktionieren“, so Hendricks. Eigentlich gehört zum Konzept der „Stillen Stunde“ auch noch das Dämmen der Beleuchtung. Nun verfüge sein moderner Supermarkt aber bereits über ein Lichtsystem, das sich nach der Helligkeit draußen richtet, sagt der Geschäftsmann.

Wie das neue Einkauferlebnis ankommt, werde man sehen, meint Frank Hendricks. Bislang sei die Reaktion in den sozialen Netzwerken zur Einführung der „Stillen Stunde“ in dem Zweckeler Supemarkt überwiegend positiv.

Kunden, die die Zeit nutzen werden, wird es höchstwahrscheinlich einige geben. Denn nicht nur für Autisten bedeutet der normale Shoppinggang Stress. Auch Menschen mit ADHS, MS, Depressionen und Long Covid werden den ruhigen Einkauf wohl zu schätzen wissen. Und wer unter Kopfschmerzen oder, schlimmer noch, Migräne leidet, der wird wahrscheinlich ebenfalls ab sofort den Mittwochnachmittag für seine Erledigungen ins Auge fassen.

>> Städtische Wirtschaftsförderung unterstützt bei Einführung der „Stillen Stunde“

Die Einführung der „Stillen Stunde“ wird von der städtischen Wirtschaftsförderung unterstützt. Die Initiative sei „ein Zeichen dafür, wie Wirtschaft und Stadt Hand in Hand daran arbeiten, Gladbeck lebenswerter für alle zu gestalten“, sagt Özcan Zopi, Amtsleiter Wirtschaftsförderung und Liegenschaften. Die Stadt unterstütze deshalb Gladbecker Einzelhändlerinnen und Einzelhändler, ähnliche Maßnahmen zu ergreifen.

Weitere Informationen dazu gibt es bei der Wirtschaftsförderung. Ansprechpartnerin ist Kim Daniela Gerdes, Kim.Gerdes@stadt-gladbeck.de, 02043/99- 2962.

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