Gladbeck. Der beschwerliche Weg zur Familie: Für Kinderlose ist eine Adoption eine Chance. Was man darüber wissen muss, erklärt eine Expertin aus Gladbeck.
Ein Kind, das ist für viele Paare ein Herzenswunsch – den Mutter Natur aber nicht immer erfüllt. Eine Adoption stellt da für manche Menschen, die gerne Eltern wären, eine Chance dar. Aber wer ein Kind annehmen möchte, sollte einiges wissen. Anja Spikowius, Expertin in Gladbeck, klärt auf, wie Adoptionswillige am besten vorgehen und mit welchen Problemen sie zu rechnen haben.
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Die städtische Sachgebietsleiterin für Adoptionen stellt klar: „Es gibt mehr Interessenten als Kinder.“ Wobei sich die Frage stellt, welche Ursachen dazu führen, dass Mädchen und Jungen nicht bei den leiblichen Eltern aufwachsen. Anja Spikowius weiß: „Die Gründe sind sehr persönlich. Einige der Erziehungsberechtigten sind überfordert, haben vielleicht schon mehrere Kinder. Es gibt wirtschaftliche Gründe, oder die Mutter ist minderjährig.“
Es gibt viele Gründe, warum Eltern Kinder zur Adoption freigeben
Frauen, die gerade entbunden haben und ihr Baby zur Adoption freigeben wollen, wollten ihr Neugeborenes meistens gar nicht sehen, um keine emotionale Bindung entstehen zu lassen. Die betreffenden Frauen „müssen eine Absichtserklärung unterzeichnen und sie binnen einer Acht-Wochen-Frist von einem Notar beglaubigen lassen“, erklärt die Expertin.
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Sie weiß: „Für die abgebenden Eltern ist diese Situation eine schmerzvolle Entscheidung.“ Aber auch für die potenziellen Adoptionseltern sei diese Wartezeit nur schwer erträglich. Durchschnittlich dauere das Prozedere, in dem die letzte Entscheidung beim Familiengericht liege, eineinhalb bis zwei Jahre, „manchmal aber auch nur neun Monate“.
Welche Anforderungen müssen potenzielle Adoptiveltern erfüllen?
Eine Grundvoraussetzung lautet: „Die leiblichen Eltern müssen beide der Adoption zustimmen. Das geht frühestens, wenn das Kind acht Wochen alt ist.“ Nur in besonderen Fällen kann auf diese Zustimmung verzichtet werden – wenn beispielsweise ein Elternteil unbekannt oder verstorben ist. Kindern ab 14 Jahren müssen ebenfalls ihr Okay geben.
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In der Regel, so die Abteilungsleiterin, interessierten sich meistens kinderlose Paare dafür, ein Kind anzunehmen. Vor einigen Jahren sei das Maximalalter Adoptionswilliger noch gedeckelt gewesen, das sei nicht mehr der Fall. Das Mindestalter beträgt 25 Jahre. Bei Verheirateten muss wenigstens ein Teil des Paares 21 Jahre alt sein.
„Gute Voraussetzungen haben verheiratete Paare, auch gleichgeschlechtliche.“
Doch es müssen andere Bedingungen erfüllt sein. „Gute Voraussetzungen haben verheiratete Paare, auch gleichgeschlechtliche. Wir haben tatsächlich auch Regenbogen-Familien, wie man das heutzutage nennt.“
Es gibt Ausschlusskriterien
Auf die notarielle Beglaubigung folgen die Bewerbung und ein Erstgespräch. Ausschlusskriterien sind unter anderem eine lebensverkürzende Krankheit der potenziellen Mütter oder Väter, hohe Schulden und Vorstrafen. Daher sind ein erweitertes Führungszeugnis und ein Gesundheitsattest – liegt zum Beispiel eine Suchterkrankung vor? – vorzulegen. „Es reicht eine Bescheinigung vom Hausarzt, das muss kein Amtsarzt übernehmen.“
In einem Eignungsverfahren beurteilen Spezialisten die Qualitäten der Bewerber
In einem Eignungsverfahren beurteilen die städtischen Fachleute, ob das Kind bei den Adoptionswilligen gut aufgehoben wäre. Empathie, Zuverlässigkeit, Geduld und Ausdauer – das sind Kardinaltugenden. Wahrscheinlich die wichtigste Regel: Passen die Adoptionswilligen zum betreffenden Kind? Trauen sie sich zu, die Fürsorge auch für einen Jungen oder ein Mädchen zu leisten, wenn eine schwierige Vorgeschichte vorliegt, beispielsweise die leiblichen Mütter süchtig waren oder sind.
Die zukünftigen Eltern müssen körperlich und geistig fit sein, sodass sie lange für das angenommene Familienmitglied sorgen können. Ebenfalls Faktoren, die bei der Vermittlung eine Rolle spielen: die Wohnsituation und die wirtschaftlichen Verhältnisse. Die finanzielle Situation muss offengelegt werden.
Vorbereitungsseminar hat nicht nur pädagogische Inhalte
Anja Spikowius: „Wir machen Hausbesuche.“ Nach 16 Jahren Erfahrung habe sie einen Blick dafür, ob alles zufriedenstellend bei Adoptionswilligen ist. Diese kommen nicht zur Elternschaft wie die Jungfrau zum Kinde. Sie nehmen an einem gebührenfreien Seminar teil, das nicht nur pädagogische Inhalte hat.
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Angehende Eltern werden auf mögliche Schwierigkeiten vorbereitet
Besondere Fälle stehen ebenfalls auf dem Lehrplan. Beispiel: das Fetale Alkoholsyndrom. (Hoher) Alkoholkonsum der Mütter während der Schwangerschaft kann dazu führen, dass deren Kinder Entwicklungsdefizite und Verhaltensauffälligkeiten haben. Damit müssen die zukünftigen Eltern dann umgehen können.
Fachleute nehmen Einblick in die familiäre Situation
An vier Abenden haben angehende Adoptionsmütter und -väter außerdem einen ausführlichen Bericht über die eigene Lebensgeschichte abzugeben. Er soll Einblick geben in die familiäre Situation. „Wie reflektiert sind die Bewerber, wie offen und ehrlich?“
„Adoptivkinder haben ein Anrecht zu erfahren, woher sie stammen.“
An die Auswertung schließt sich ein Abschlussgespräch an. Die Spezialistin: „Dann beginnt das Warten auf ein Kind.“ Dabei ist es wichtig zu wissen: Es besteht die Möglichkeit, sich auch außerhalb von Gladbeck, auch über die deutschen Landesgrenzen hinaus, zu bewerben. „Wir vermitteln grundsätzlich in andere Städte“, stellt Spikowius klar. Das geschehe aus Respekt den leiblichen Eltern gegenüber. Man stelle sich vor, ihnen begegnet in Gladbeck eine Frau mit einem Kinderwagen: „Sofort rattern die Gedanken: ,Es kann mein Kind sein!‘“
Es wird grundsätzlich in andere Städte vermittelt
Die Fachleute im Rathaus pflegen den Kontakt zu den leiblichen Eltern. Spikowius: „Wenn es erwünscht ist, schicken wir zweimal im Jahr den abgebenden Eltern Fotos.“ Ereignisse wie die Einschulung könnten ja auch für die leiblichen Mütter und Väter bedeutsam sein.
Adoptivtöcher und -söhne „haben ein Anrecht zu erfahren, woher sie stammen“. „Ab dem 16. Lebensjahr können sie sich ans Jugendamt wenden, um das zu erfahren.“ Denn: Ein Kind brauche seine Wurzeln. Und es stellt sich vielleicht die Frage: Warum wurde ich abgegeben, durfte nicht bei Mama und Papa bleiben?
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