Gladbeck. Die Lebenshilfe Gladbeck und Bottrop feiert in diesem Jahr 60-jähriges Bestehen. Wie der Verein einst startete und was er alles im Angebot hat.
Menschen mit Handicap eine Lobby geben, einen Raum schaffen, damit Inklusion überflüssig wird – das ist das Ansinnen der Lebenshilfe Gladbeck und Bottrop. Vor 60 Jahren von drei Sonderschulrektoren gegründet, feiert der Verein in diesem Jahr Jubiläum. Was als erste Austauschmöglichkeit für Eltern von Kindern mit Behinderungen entstand, ist heute längst professionalisiert. Das Leistungsspektrum ist groß.
„Früher waren wir ein Wohnzimmer-Verein“, sagt Georg Peß, zweiter Vorsitzender der Lebenshilfe. Denn die Treffen fanden immer in den Wohnzimmern der betroffenen Eltern statt. „Man war früher nur auf sich gestellt, der Gründungsansatz einer Elterninitiative war, sich untereinander austauschen zu können.“
Es ist auch möglich, bei der Lebenshilfe eine Ausbildung zu machen
„Menschen mit Einschränkungen sollen teilhaben und mitbestimmen können“, fasst Geschäftsführerin Andrea-Gudula Fortmann das Ziel der Lebenshilfe heute zusammen. Barrieren, die das verhindern, möchte sie abbauen.
Für Menschen mit Behinderungen sei es oft die einzige Alternative, in Werkstätten zu arbeiten statt auf dem regulären Arbeitsmarkt. Es gebe aber viele Menschen, deren Einschränkungen nicht so gravierend seien und irgendwo „dazwischen hängen“. Ihnen möchte die Lebenshilfe die Möglichkeit geben, eine Ausbildung machen zu können. Möglich ist das etwa im Café Zeitlos der Lebenshilfe, also im Bereich Gastronomie zum Beispiel im Einzelhandel mit der Fachrichtung Bäckerei oder auch im hauswirtschaftlichen Bereich. „Wir unterstützen dabei, Kompetenzen zu erlernen, damit die Menschen auf dem normalen Arbeitsmarkt Fuß fassen können“, so Fortmann.
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Die Lebenshilfe bildet auch dual aus. Aktuell ist sie mit einem jungen Mann in Kontakt, der eine seltene Erkrankung hat, gerne aber soziale Arbeit studieren möchte. Während er an einer Uni studieren soll, wäre die Lebenshilfe der Praxisträger.
Die Lebenshilfe bietet verschiedene Kurse zur Freizeitgestaltung an
Die Lebenshilfe betreibt, anders als andere große Sozialträger wie etwa die Caritas, kein Wohnheim, keine Werkstatt. Die Menschen, die ihre Angebote in Anspruch nehmen, wohnen etwa in anderen Wohnheimen oder bei den Eltern zu Hause. Bei der Lebenshilfe besuchen sie Kurse zur Freizeitgestaltung. Darunter gibt es Kochkurse, Schwimmkurse, Fußballtraining und bald wieder ein Angebot zur Selbstverteidigung. Besonders beliebt sei das Projekt „Biker mit Doppelherz“, dabei treffen sich Motorrad begeisterte Menschen mit und ohne Behinderung. Neben gemeinsamen Touren mit der Sozius stehen auch Gespräche rund ums Motorrad bei den Treffen auf dem Programm.
Häufig könnten die Menschen keine Eigeninitiative entwickeln, um ihren Interessen nachzugehen. Daher sei der Verein gefragt, Angebote zu schaffen. „Manche Teilnehmer sind schwerst beeinträchtigt, andere weniger. Es ist ein Phänomen, zu sehen, wie sie in den Kursen miteinander umgehen. Sie kümmern sich sehr umeinander, haben viel Feingefühl“, berichtet die Geschäftsführerin. Auch Hans-Georg Lamping, Vorsitzender des Vereins, hat einen schwerstmehrfachbehinderten Sohn. „Er kann hier im Kochkurs mitessen, mehr nicht. Aber er ist richtig begeistert und freut sich jede Woche so sehr, wenn er hier herkommen kann“, sagt Lamping.
Die Lebenshilfe kümmert sich auch um individuelle Anliegen
Andrea-Gudula Fortmann sagt: „Wir decken hier keine Massen ab, wir sind als individueller Träger zu verstehen.“ Und als solcher kümmert er sich eben auch um ganz individuelle Anliegen. So sucht die Lebenshilfe aktuell für eine Familie mit einer schwerstbehinderten Tochter eine Lösung, da die Eltern nicht mehr in der Lage sind, ihr Kind rund um die Uhr zu betreuen. Bisher habe sich kein Träger gefunden, da die Familie besondere Ansprüche habe. Die Tochter habe jetzt eine Wohnung im Haus der Eltern, die Lebenshilfe soll sich um die Betreuung am Wochenende kümmern.
„Wir haben besondere Projekte und besondere Mitarbeiter“, so Fortmann. Daher habe sich auch gleich eine Mitarbeiterin gemeldet, die die Betreuung am Wochenende gerne übernehmen würde.
In den Beratungsstellen finden auch pflegende Angehörige Unterstützung
Ein Schwerpunkt im Leistungsspektrum der Lebenshilfe sind außerdem Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen und pflegende Angehörige. Ansprechpartner für Fragen rund um Themen wie Sexualität, Burnout-Prophylaxe oder Sozial- und Teilhabeberatung stehen dabei zur Verfügung. Die Lebenshilfe schult zudem Schulbegleiter etwa für Autisten. „Für Schulbegleiter gibt es keine Ausbildung, die Schulen sind aber immer froh, wenn die Betreuer fachlich geschult sind“, so Fortmann. Denn: „Stark autistische Menschen kann man ohne fachliche Kenntnisse nicht betreuen lassen.“
Beim Thema Inklusion müsse noch einiges passieren, so Fortmann. Sie ist der Ansicht, dass sich bei vielen Menschen auch die grundsätzliche Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung ändern muss. „Man muss Menschen, die anders sind, sei es aufgrund einer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Herkunft, auf allen Ebenen mit Würde und Respekt begegnen.“
>>> Tag der offenen Tür am 14. September
In ihrem Jubiläumsjahr hat die Lebenshilfe einige Aktionen geplant. Los ging das Jubiläumsjahr mit einer Auftaktveranstaltung zum Tanz in den Mai. Im September ist ein Tag der offenen Tür geplant.
Am 14. September ab 10 Uhr wird sich die Lebenshilfe an ihrem Sitz an der Bahnhofstraße 2 vorstellen. Das Café Zeitlos, Verwaltungsräume, die Beratungsstelle und das Begegnungszentrum werden dann für Besucher geöffnet sein. Zudem gibt es ein buntes Programm mit Kegelturnieren, Musik, einer Tombola und einer Ausstellung. Außerdem wird sich das bei der Lebenshilfe sehr beliebte Motorrad-Projekt vorstellen. Besucher können dann in einer Sozia eine Runde mit dem Motorrad mitfahren.
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