Gladbeck. Die Gladbecker Bäckerei Walinski wird’s 2023 nicht mehr geben. Stammkundschaft wird nicht nur Brötchen & Co. vermissen. Das hat viele Gründe.
In der Nachbarschaft der Familie Walinski sind alle traurig, dass es die Bäckerei 2023 nicht mehr geben wird. Der Countdown läuft: Silvester schließt Markus Walinski seine Backstube in Gladbeck zum letzten Mal um halb eins in der Frühe auf. Neujahr, seit langer Zeit der einzige Tag im Jahr, an dem er ausschlafen konnte, existiert die Bäckerei Walinski an der Gildenstraße nicht mehr.
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Der Bäckermeister in dritter Generation gibt seinen Betrieb wegen der um ein Vielfaches gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise auf (die WAZ berichtete). „Ich kann die Steigerungen nicht an meine Kunden weitergeben.“ Im Geschäft liegen noch ein paar Tüten mit Weihnachtsplätzchen, auch eine Handvoll Stollen ist übrig geblieben. Daneben warten jetzt Neujährchen, Mutzenmandeln, Berliner, Apfelballen und Co. auf Abnehmer. „Für Silvester haben viele Kunden noch Baguettes und Partybrote bestellt“, sagt der 55-Jährige. Und auch die Frau, die sich während unseres Gesprächs telefonisch erkundigt, ob es am letzten Tag des Jahres noch ihre geliebten Zitronenrollen gibt, kann sich freuen. „Sechs Stück? Na klar, mach ich.“
Stammkunden werden die Gladbecker Bäcker-Familie vermissen – aus vielerlei Gründen
Genau das ist es, was die vielen Stammkunden der Familie Walinski vermissen werden. „Es sind einfach herzensgute Menschen“, sagt Monika Dziabel. Sie wohnt in dem Haus, das die Firmengründer Klaus und Ingrid Walinski im Jahr 1988 gekauft haben. Monika Rother aus dem Nachbarhaus kann das nur bestätigen: „Als mein Mann starb, haben sie mir Essen gebracht und mir zugehört. Sie haben immer ein offenes Ohr.“ Älteren Menschen, die den Weg ins Geschäft nicht mehr schaffen, habe Barbara Walinski, Markus‘ Schwester, die Sachen nach Hause gebracht. „Wo findet man so etwas denn heute noch?“ Sie kann einfach nicht verstehen, warum es für kleine Betriebe wie die Bäckerei Walinski in der aktuellen Situation nicht mehr Unterstützung gibt.
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Wie Monika Rother arbeitet auch Ramona Ergün bei einem privaten Krankentransportunternehmen in der Nachbarschaft. Nach dem Nachtdienst war es für nahezu alle ihre Kolleginnen und Kollegen fast eine Selbstverständlichkeit, bei Walinski leckere belegte Brötchen zu kaufen, bevorzugt mit Frikadelle, von der Seniorchefin gebraten. Viele andere Kunden haben sich auf dem Weg zur Arbeit Proviant mitgenommen. Allein ihretwegen haben die Verkäuferinnen das Geschäft schon gegen 5 Uhr aufgeschlossen.
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Erdogan Ergün betreibt einen Kiosk ein paar Häuser weiter. „Es tut uns allen so leid, dass es die Bäckerei bald nicht mehr gibt“, sagt er. „Wir werden die Nachbarschaft, die Herzlichkeit und natürlich die Qualität der Waren vermissen.“ Auf Qualität legt Markus Walinski in der Tat großen Wert: „Wir machen noch alles in Handarbeit. Den Unterschied schmeckt man eben.“
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Tag für Tag haben der Chef, sein Vater und zwei Gesellen ungefähr 2500 Brötchen, etwa 40 Brote und diverse Kuchen gebacken. Am Wochenende kamen Sahne- und Buttercremeteilchen dazu, auf Bestellung auch Torten. Monika Dziabel gerät geradezu ins Schwärmen, wenn sie von den „tollen Geburtstagstorten und den herzförmigen Kuchen am Muttertag“ spricht.
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Alles Vergangenheit. Markus Walinski gibt seine Bäckerei nicht leichten Herzens auf. Aber er blickt auch in die Zukunft. Ein paar Ideen hat er schon, wie es für ihn beruflich weitergehen könnte. „Ein paar Jahre muss ich schließlich noch in die Rentenkasse einzahlen.“ Konkreter will er sich damit aber erst beschäftigen, wenn der Betrieb „abgewickelt“ ist.
Für die Teig-, Ausroll- und Anschlagmaschinen in der Backstube hat er Interessenten gefunden. „Die zwei großen Backöfen werde ich aber wohl nicht mehr los. Sie sind schon 40 Jahre alt.“ Vielleicht findet er ja trotzdem noch Abnehmer. Ein neuer Ofen kostet schließlich etwa 140.000 Euro, und die alten in Walinskis Backstube funktionieren noch prima – wie man schmeckt. Was aus der Backstube und dem Geschäft wird, ist noch nicht klar. Ein anderer Bäcker interessiere sich für die Backstube, der Besitzer einer Pizzeria habe auch schon angefragt.
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Jetzt gilt es aber, noch die letzten Kundenwünsche zu erfüllen. Und was am Silvestertag nicht mehr verkauft wird, spenden die Walinskis, wie seit Jahren schon zwei Mal pro Woche, der Gladbecker Tafel. Herzensgute Menschen eben.